Langzeitbezug Hartz IV wird immer mehr zum Dauerproblem
Seit 1. Januar bekommen die rund sechs Millionen Bezieher von Hartz-IV-Leistungen etwas mehr Geld - je nach Konstellation und Alter rund fünf bis sieben Euro zusätzlich im Monat. Für die Betroffenen ist das sicher eine gute Nachricht. Die Tageszeitung "Die Welt" berichtet jedoch von alarmierenden Zahlen im Zusammenhang mit der Sozialleistung Hartz IV: Die Hälfte der Empfänger befindet sich demnach schon vier Jahre oder länger in diesem Zustand der Bedürftigkeit - und der Trend zeigt weiter nach oben.
In manchen Regionen liege der Anteil der "Langzeitleistungsbezieher" - so der offizielle Begriff aus dem Sozialgesetzbuch - sogar bei 80 Prozent. Gemeint ist hier ein Hartz-IV-Bezug von mehr als zwei Jahren. Landkreise und Kommunen wollten sich nun verstärkt den "Dauer-Hartzern" annehmen.
Wenig Jobchancen für langjährige Hartz-IV-Empfänger
Die "Welt" zitierte den Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Hans Jörg Duppré, mit den Worten: "Der sich seit Jahren verfestigende Leistungsbezug zeigt, dass viele Menschen auf absehbare Zeit nur ein begrenztes Potenzial für den ersten Arbeitsmarkt haben und dieses auch nur langfristig entwickeln können." Große Jobchancen gibt es für viele langjährige Hartz-IV-Bezieher also nicht.
Das hängt auch mit den Gründen für ihre Arbeitslosigkeit zusammen: Viele haben gesundheitliche Probleme, sind schon älter oder alleinerziehend. Andere sind berufstätig, müssen aber aufstocken. Auch Berufsrückkehrer und Migranten machen den Jobcentern Sorgen. Wer über 50 ist, schlecht deutsch spricht oder keinen Schul- oder Berufsabschluss habe, dessen Jobaussichten sind begrenzt.
"Daher gibt es auch keine Schablone für eine erfolgreiche Vermittlung von Langzeitleistungsbeziehenden. Jedes Jobcenter muss für sich und seine unterschiedlichen Leistungsberechtigte individuelle Antworten finden", zitierte die Zeitung Markus Keller vom Deutschen Landkreistag.
Hartz IV als Stigma
Ein langer Hartz-IV-Bezug wirke darüberhinaus auch abschreckend auf Arbeitgeber. IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei sprach gegenüber der "Welt" von einem Stigma, dass es für die Menschen schwierig mache. Das IAB ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Walwei sprach von "multiplen Vermittlungshemmnissen" - selbst ein Zuschuss vom Jobcenter für den Arbeitgeber helfe hier oft nicht weiter.
Öffentlich geförderte Beschäftigung ist nach Walweis Ansicht dennoch nur die letzte Maßnahme. Er schlug in der Zeitung vor, dass sich berufstätigte Paten um die Arbeitslosen kümmern und sie beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt begleiten sollen. Das oft angeschlagene Selbstvertrauen der Hartz-IV-Bezieher könne durch "soziale Aktivierung" wieder aufgebaut werden: ein gemeinsames Training für einen Marathonlauf etwa, oder eine Theaterprobe.
Doch das sei im Sozialgesetzbuch nicht vorgesehen - stattdessen gehe es um einen schnellen "Übergang in Erwerbsarbeit". Viele Jobcenter seien hier zu sehr auf den kurzfristigen Erfolg aus, der die Statistik gut aussehen lasse, kritisierte Markus Keller vom Landkreistag in der Zeitung.
Budgets für Eingliederung bis zuletzt gekürzt
Für nachhaltige Maßnahmen ist aber offenbar nicht genügend Geld da, wie ein Vergleich zeigt. Zu Beginn von Hartz IV hätten pro Empfänger noch 3200 Euro für Aktivierung, Eingliederung und Leistungswährung zur Verfügung gestanden, schreibt die Zeitung. Im Jahr 2012 seien es nur noch 1700 Euro gewesen. Dabei hätte der steigende Dauerleistungsbezug eigentlich höhere Budgets erfordert, kritisierte Keller.
Hoffnung setzen die Kommunen jetzt auf die neue Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag sei mehr Geld für die Eingliederung von Arbeitslosen und die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit vorgesehen.