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Ex-Sträfling Joseph Müller über seine Zeit in der JVA Landsberg


Von der Münchner Schickeria ins "Bayerische Alcatraz"
Ex-Sträfling Joseph Müller über seine Zeit in der JVA Landsberg

Von spiegel-online
15.03.2014Lesedauer: 4 Min.
Joseph Müller verbüßte seine Gefängnisstrafe in der JVA LandsbergVergrößern des Bildes
Joseph Müller verbüßte seine Gefängnisstrafe in der JVA Landsberg (Quelle: imago/Horst Galuschka)

Josef Müller hat das erlebt, was Uli Hoeneß noch bevorsteht. Der Münchner Millionär war reich und erfolgreich - und auch er musste ins Gefängnis. Wegen Steuerhinterziehung und anderer Delikte saß er in der JVA Landsberg, dem Ort an dem auch Hoeneß seine Strafe absitzen wird.

"Spiegel Online": Herr Müller, Sie waren Millionär und eine Größe in der Münchner Gesellschaft, dank Anlagebetrug und Steuerhinterziehung. 2005 kam der Absturz. Öffentliche Schmähung. Knast. Uli Hoeneß ergeht es gerade ähnlich. Was raten Sie ihm für seine Zeit im Gefängnis?

Müller: Er kann das durchstehen. Das Schlimmste ist gar nicht der Freiheitsentzug, sondern die öffentliche Vernichtung. Der Spott, die Häme. Da sollte Hoeneß weghören, sonst zerbricht er.

"Spiegel Online": Wie finden Sie die Strafe für Hoeneß?

Müller: Gerecht. So wie ich damals zu Recht büßen musste.

"Spiegel Online": Einen Teil Ihrer Haft verbrachten Sie in der JVA Landsberg, in die höchstwahrscheinlich auch Hoeneß muss. "Bayerisches Alcatraz", wird sie manchmal genannt. Oder auch "Hitler-Knast", weil der Nazi-Diktator dort einmal eingesperrt war. Klingt hart.

Müller: Klingt härter, als es ist. Ich war fünf Jahre und vier Monate in Haft und habe keinen einzigen Übergriff gesehen, geschweige denn selbst erlitten. Nicht mal in Straubing, wo mehrfache Gewaltverbrecher ihre Strafe absitzen. Und in Landsberg schon gar nicht. In Landsberg sitzen die Ersttäter, es herrscht ein meistens lockerer Strafvollzug.

"Spiegel Online": Klingt nach Kuschelknast.

Müller: Knast ist nie kuschelig. Aber der Schwerpunkt liegt in Landsberg klar auf Resozialisierung. Dort sitzen keine harten Jungs, sondern vor allem Wirtschaftskriminelle und Anwälte.

"Spiegel Online": Im Gefängnisportal "Knast.net" loben Ex-Insassen die JVA Landsberg. Es gebe "interessante Freizeitbetätigungen", die Knastküche sei "eine der besten Deutschlands". Können Sie das bestätigen?

Müller: Man wird in Landsberg immer gut behandelt. Auch das Essen war gut. So musste ich nie etwas von außen bestellen.

"Spiegel Online": Moment - man kann im Gefängnis Pizza bestellen?

Müller: Nein, ganz so einfach ist das nicht. Nur ausgewählte Restaurants liefern Essen, ordern muss es der Wärter. Den Häftling kostet das eine Bearbeitungsgebühr. Es ist alles etwas umständlich und wird von den Wärtern nicht gerne gesehen. Wie gesagt: Ich hab das nie gemacht. Auch weil das Essen so gut war.

"Spiegel Online": Das klingt jetzt fast so, als wollten Sie zurück in die JVA Landsberg.

Müller: Ganz bestimmt nicht. Im Gefängnis zu sitzen ist schrecklich. Ich weiß noch, wie am ersten Tag meiner Haft die Tür hinter mit zufiel. Sie hatte von innen keine Klinke. Ich fühlte mich ohnmächtig. Ich dachte: "Was, wenn es jetzt brennt?"

"Spiegel Online": Was war das Schlimmste für Sie?

Müller: Der Statusverlust. Ähnlich wie Hoeneß hatte ich mein Leben lang bestimmt, was gemacht wird. Ich, das Alpha-Tier. Dann, plötzlich, musste ich nach der Pfeife eines Aufsehers tanzen, der vielleicht halb so alt war wie ich und der mich von oben herab behandelte.

"Spiegel Online": Wie hat sich das angefühlt?

Müller: Erst wirst du wütend. Dann verstehst du, dass du ein Mensch einer anderen Kategorie geworden bist. Dann wird es Nacht, die Tür fällt wieder zu, und du bist allein.

"Spiegel Online": Sie haben viel gegrübelt?

Müller: Jede Nacht. Das war hart. Es ist leicht zu akzeptieren, dass du das Gesetz gebrochen hast. Aber es dauert sehr lange, bis du dich deinem nackten Ego stellst. Bis du verstehst, warum du so geworden bist. Warum du ein Verbrecher bist. Daran zerbrechen viele.

"Spiegel Online": Haben Sie Menschen getroffen, die daran zerbrochen sind?

Müller: Ich hatte mal einen Siemens-Manager mit auf der Zelle, er war für den Schmiergeldskandal mitverantwortlich. Ein einst mächtiger Mann, nun saß er da, auf der Bettkante, und hatte Weinkrämpfe.

"Spiegel Online": Und bei Ihnen? Was war Ihre Erkenntnis?

Müller: Ich habe verstanden, warum ich nie zufrieden war. Selbst als ich 40 Millionen Euro auf dem Girokonto hatte. Ich war nie zufrieden, nie glücklich. Ich musste es immer allen beweisen, in allen Lebenssituationen topp sein.

"Spiegel Online": Und dann?

Müller: Ich fühlte mich unangreifbar. Ich wurde zu meinem eigenen Gott. Ich dachte: Was kann mir die Justiz?

"Spiegel Online": Als Sie ins Gefängnis mussten, waren Sie in der Münchener Schickeria berühmt. Die Presse berichtete über Ihren Fall. Hat das geholfen?

Müller: Ja, prominent zu sein, hilft in der Haft. Die Justiz hat großes Interesse, sich in der Öffentlichkeit gut darzustellen.

"Spiegel Online": Sie steht aber öffentlich nicht gut da, wenn man denkt, im Knast seien manche gleich und andere gleicher.

Müller: Das ist den Behörden im Zweifel immer noch lieber, als wenn es plötzlich heißen würde, die bayerische Strafjustiz sei ein fürchterlicher Ort.

"Spiegel Online": Welche Privilegien hatten Sie?

Müller: Ich hatte zwischenzeitlich eine 24 Quadratmeter große Einzelzelle mit Flatscreen-Fernseher, CD-Spieler, eigener Toilette und eigener Duschgelegenheit. Ich hatte dieselbe Kaffeemaschine, die auch die Wärter haben. Und ich durfte morgens oft eine halbe Stunde früher aus meiner Zelle als die anderen Sträflinge.

"Spiegel Online": Lag das daran, dass man Sie in der Münchener Schickeria kannte? Oder daran, dass Sie im Rollstuhl sitzen?

Müller: Beides hat eine Rolle gespielt. Aber Prominenz ist ein großer Faktor. Das habe ich auch an anderen gesehen. Wenn man unter Beobachtung der Presse steht und einen guten Anwalt hat, wird es einem im Gefängnis besser gehen, als wenn ein armer Hund daherkommt. So ist die Welt nun einmal.

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