Einigung im EEG-Streit Industrie behält mehr Rabatte als gedacht
Die Bundesregierung und die EU haben eine Lösung im Streit um die Rabatte für die Industrie auf die Strompreise gefunden. Die Firmen trifft es nun weniger hart als zunächst geplant - die Gesamtsumme der Rabatte bleibt sogar gleich. Die Preise für Bahntickets dürften dagegen steigen.
Bei der Ökostrom-Förderung müssen sich rund 500 Unternehmen auf einen Wegfall der bisherigen Rabatte einstellen. Wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag in Berlin mitteilte, kommen künftig noch etwa 1600 Unternehmen in den Genuss der Erleichterungen. Bisher waren es 2100.
Die EU hatte die Ermäßigungen von jährlich über 5,1 Milliarden Euro auf die Ökostrom-Umlage für große Teile der Industrie als unerlaubte Beihilfe gewertet. Trotz der geringeren Zahl begünstigter Unternehmen bleibt es unterm Strich bei diesem Betrag, um den die Industrie jährlich entlastet wird.
Gabriel hatte ursprünglich Kürzungen um bis zu eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt, um so die Strompreise für Verbraucher und Mittelstand zu senken. Ein Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden zahlt im Jahr netto knapp 220 Euro Ökostrom-Umlage, davon entfallen rund 45 Euro auf die Industrie-Rabatte.
"Sehr, sehr viele Arbeitsplätze"
Die Unternehmen, die auch künftig die besondere Ausgleichsregelung nutzen können, stehen nach Gabriels Worten im internationalen Wettbewerb und haben sehr hohe Energiekosten. "Im Kern geht es um sehr, sehr viele Arbeitsplätze", verteidigte Gabriel die Ausnahmen. Es könne nicht darum gehen, zugunsten der Verbraucher Arbeitsplätze auf's Spiel zu setzen: "Es geht nicht um Industrielobbyismus, es geht um Hunderttausende Arbeitsplätze in diesem Land."
Die Betriebe, die künftig aus den Privilegien herausfallen, sollen aber nicht die volle Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zahlen, sondern 20 Prozent. Dies hätte sonst schwerste Verwerfungen zur Folge, warnte Gabriel. Härtefallregelungen habe die EU-Kommission aber abgelehnt.
Mehr Rabatte als zunächst geplant
Energieintensive Unternehmen sollen jedoch stärkere Rabatte bekommen als Brüssel zunächst erlauben wollte. Demnach sollen begünstigte Unternehmen 15 Prozent der regulären Ökostrom-Umlage von derzeit 6,24 Cent je Kilowattstunde zahlen, also knapp 1 Cent. Zunächst waren 20 Prozent geplant. Für Aluhütten und Stahlwerke, die teils so viel Strom wie eine ganze Stadt verbrauchen, gibt es Sonderregelungen. Hier sollen die Belastungen auf 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gedeckelt werden, sprich des Wertes der produzierten Waren abzüglich Vorleistungen.
Zuvor hatte die Industrie bereits im Kampf mit dem Bund um eine stärkere Beteiligung an den Kosten der Energiewende Erfolge verzeichnet: So sollte die Stromerzeugung aus eigenen Kraftwerken, die bislang von der Ökostrom-Umlage komplett befreit ist, künftig zumindest teilweise belastet werden. Zunächst verzichtete die Regierung dann aber weiter auf die Umlage bei bestehenden Kraftwerken. Im Kabinettsentwurf des Gesetzes ist nun auch für Neuanlagen von Handel und Gewerbe nur noch die Hälfte der Umlage vorgesehen. Die Industrie muss sogar nur maximal 15 Prozent zahlen.
Auch die Ökostrom-Branche konnte in der Endphase des Ringens um das EEG die geplanten Kürzungen entschärfen: So müssen Investoren in grünen Strom zwar künftig mehr Risiko tragen und die Hilfen werden beschnitten. Die Bundesländer setzten aber vor allem bei der Windenergie an Land und auf hoher See noch Verbesserungen für die Ökostrom-Branche durch.
Steigende Fahrpreise bei der Bahn
Auch die Deutsche Bahn als größter deutscher Stromverbraucher kam in Sonderregelungen glimpflicher davon als zunächst gedacht. Sie zahlt künftig ein Fünftel der Umlage, was jedoch die Ticketpreise für Bahnfahrer verteuern dürfte.
"Auf den umweltfreundlichen Schienenverkehr kommen Mehrkosten von 70 bis 80 Millionen Euro pro Jahr zu", erklärte der Geschäftsführer des Verbands Allianz pro Schiene, Dirk Flege, in Berlin. Die Fahrgäste müssten "bedauerlicherweise mit steigenden Fahrpreisen leben".
Gabriel: Strompreise bis mindestens 2017 stabil
Gabriel rechnet damit, dass der Strompreis bis mindestens 2017 stabil gehalten werden kann. Die Bürger und der Großteil der Unternehmen zahlen die Förderkosten über den Strompreis mit. Gabriel wertet die Reform als unumgänglich. "Der Neustart ist (...) dringend und bitter nötig." Man dürfe nicht weiter der Illusion nachhängen, dass erneuerbare Energien möglichst schnell ausgebaut werden müssen, sondern der Ausbau müsse sicher und planbar erfolgen.
Da die Verständigung mit der EU-Kommission über Industrie-Rabatte erst kurz vor dem Kabinettsbeschluss gefallen ist, wurde der Teil zu den Milliardenentlastungen für die energieintensive Industrie noch nicht mitbeschlossen. Er soll mit einem eigenen Gesetz eingefügt werden, den entsprechenden Entwurf will das Kabinett im Mai beschließen. Am Mittwoch will EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia Leitlinien für das EU-Rabattsystem bei der Ökostrom-Förderung vorstellen.
Kritik von Verbraucherschützern und Solarbranche
Die beschlossene Ökostromreform stößt indes auf heftige Kritik von Verbraucherschützern und der Solarbranche. Die deutsche Industrie ist dagegen zufrieden. "Die künftigen Regelungen sichern die Chance, industrielle Arbeitsplätze in Deutschland dauerhaft zu bewahren", sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo. "Die Gewährleistung des industriellen Bestandsschutzes ist eine kluge politische Entscheidung, die Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland sichert", lobte der Energiekonzern Vattenfall.
"Klimasünder werden großzügig entlastet, Klimaschützer hingegen zur Kasse gebeten", kritisiert dagegen der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Carsten Körnig. Viele mittelständische Betreiber von Solaranlagen müssen ab dem 1. August 2014 für den selbst verbrauchten Strom EEG-Abgaben zahlen. Da wollen die Solar-Betreiber nicht einsehen, dass die von Gabriel im Bundestagswahlkampf versprochene Kürzung der Industrierabatte um eine Milliarde Euro nicht zustande gekommen ist.