Trotz Ukraine-Krise Gazprom übernimmt wichtigsten deutschen Gasspeicher
Ungeachtet der Sorge um die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas steht Gazprom offenbar kurz vor der Übernahme eines großen Teils der deutschen Gasinfrastruktur. Nachdem BASF und der russische Energieriese von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet im Dezember einen abschließenden Vertrag "zum Tausch von wertgleichen Unternehmensteilen" unterzeichnet hatten, bestätigte ein Sprecher der BASF-Tochter Wintershall jetzt der Zeitung "Die Welt": "Der Vollzug der Transaktion wird Mitte 2014 erwartet."
Der russische Energiemulti übernimmt rund 20 Prozent der Gasspeicher-Kapazitäten in Deutschland und ein Fünftel am deutschen Gashandelsmarkt, wie die Zeitung schreibt. So übertrage die in Kassel ansässige Wintershall das bislang gemeinsam betriebene Erdgashandels- und Speichergeschäft in Deutschland vollständig an Gazprom. Von der europäische Kommission wurde die Transaktion den Informationen zufolge im Dezember ohne zusätzliche Auflagen genehmigt.
20 Prozent des deutschen Speichervolumens
Zu der Transaktion zähle die 50-prozentige Beteiligung an der Erdgas-Handelsgesellschaft Wingas, die nach eigenen Angaben in Deutschland einen Marktanteil am Erdgashandel von rund 20 Prozent hält. Dazu komme der größte westeuropäische Erdgas-Speicher in Reden bei Bremen, der bislang vom deutsch-russischen Joint-Venture Astora gemeinsam von Wintershall und Gazprom betrieben wurde und der für 20 Prozent der deutschen Speicherkapazität stehe.
Den Informationen der Welt zufolge hat dieser unterirdische Porenspeicher auf einer Fläche von acht Quadratkilometern eine Kapazität von rund 4,4 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Genug, um 2,2 Millionen Einfamilienhäuser ein Jahr lang mit Gas zu versorgen, wie es heißt.
Zusätzlich erhalte Gazprom Beteiligungen an Erdgasspeichern im niedersächsischen Jemgum und im österreichischen Haidach. Während letzterer vor allem für den deutschen Markt genutzt werde, zähle der Speicher Haidach mit einer Kapazität von 2,6 Milliarden Kubikmetern ebenfalls zu den größten Westeuropas.
Eine der größten Transaktionen seit Jahren
Der Tausch zwischen BASF und Gazprom ist dem Bericht zufolge vom Volumen her eine der größten Transaktionen der europäischen Energiewirtschaft seit Jahren. Die BASF-Tochter Wintershall übertrage Aktivitäten, die noch 2012 rund zehn Milliarden Euro Umsatz und rund 500 Millionen Euro zum Ergebnis der BASF-Gruppe beigetragen hätten.
Im Gegenzug erhalte Wintershall eine 25-prozentige Beteiligung an einer der Gas-Lagerstätte in Westsibirien, wo Gazprom und Wintershall ab 2016 laut "Welt" gemeinsam mindestens acht Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr fördern wollen.
"Durch den Asset-Tausch können wir uns darauf konzentrieren, in unseren Schwerpunktregionen an der Quelle profitabel zu wachsen", habe BASF-Vorstandschef Kurt Bock den Deal nach der Unterzeichnung des Vertrags im Dezember kommentiert.
Gazprom-Vize Alexander Medwedew habe nach der Unterzeichnung des Abkommens mit BASF weiteres Wachstum angekündigt. "In naher Zukunft wird die Wingas ein Teil der Gazprom-Familie sein, und wir können unser beiderseitig enormes Potenzial gewinnbringend nutzen. Wir werden unser Wachstum in vielen Feldern steigern, insbesondere in Produktion, Transport, Handel und der Speicherung des blauen Kraftstoffs."
"Bundesregierung muss Übernahme stoppen"
Derweil nimmt angesichts des russisch-ukrainischen Streits um die Halbinsel Krim die Sorge vor einem russischen Lieferstopp zu. So bezieht Deutschland rund ein Drittel seines Erdgases aus Russland.
Eine Anfrage der "Welt" beim Bundeswirtschaftsministerium, wie die Regierung den massiven Einstieg von Gazprom in den deutschen Gashandels- und Gasspeichermarkt beurteilt, sei bis dato unbeantwortet geblieben.
Hingegen habe der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, gegenüber der Zeitung gesagt: "Dass das Kreml-Unternehmen Gazprom einen Teil der deutschen Erdgas-Infrastruktur übernehmen will, ist angesichts der Politik Putins besorgniserregend." Zudem habe er gefordert, dass die Regierung "alle Aktivitäten zur Übernahme von Gas-Infrastruktur durch Gazprom stoppen" müsse.
Auch der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat Deutschland erst vor wenigen Tagen aufgefordert, seine Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Sie könnte ansonsten die europäische Souveränität einschränken, sagte er. Er werde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel darüber reden. Mehr Unabhängigkeit Deutschlands und Europas von russischem Gas könnte künftig aggressive Schritte Russlands abwenden.