Probleme für Wirtschaft und Staaten Warum sinkende Ölpreise nicht nur gut sind
Seit Monaten kennen die Rohölpreise nur eine Richtung: nach unten. Die Verbraucher freut es, denn sie können billiger tanken und Heizöl einkaufen, auch wenn der Preisverfall nicht ganz an sie weitergegeben wurde. Doch wie jede Medaille hat auch diese Entwicklung eine Kehrseite, denn des einen Freund ist des anderen Leid - und zu den Leidtragenden des immer billiger werdenden Öls gehören nicht nur viele Produzenten und Zulieferer, sondern auch zahlreiche Staaten. Und im schlimmsten Fall könnte sich die vermeintlich positive Entwicklung sogar als Bumerang erweisen.
Doch der Reihe nach: Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Rohöl der bekannten US-Marke WTI fiel seit dem letzten Hoch im Frühsommer von knapp 107 auf aktuell nur noch rund 77 Dollar - also um rund ein Viertel. Die Nordseesorte Brent ist traditionell etwas teurer, verbilligte sich aber im Gleichschritt von 115 auf 82 US-Dollar.
Ölpreis kratzt an der Rentabilitätsgrenze
Bei Experten beginnen nun die ersten roten Lämpchen zu leuchten, denn 70 bis 75 Dollar sind für viele Produzenten die Grenze der Rentabilität. Das gilt vor allem für Unternehmen in den USA, die mithilfe von Fracking Schieferöl fördern, was mit höherem Aufwand verbunden ist.
Sinkt der Preis weiter, verdienen sie kein Geld mehr - zumindest, wenn dies dauerhaft der Fall ist. Denn über Terminkontrakte sind Fördermengen bereits jetzt bis ins kommende Jahr hinein verkauft worden. Und dafür seien noch recht lukrative Preise vereinbart worden, schreibt das "Wall Street Journal Deutschland" unter Bezug auf Analysten.
Dort dürften zunächst die Neuinvestitionen zurückgefahren werden, was sich wiederum auf die Ausrüster-Industrie auswirkt. Die Fördermengen selbst blieben davon wohl mittelfristig noch unberührt, denn die höchsten Kosten fallen für die Erschließung an.
Traditionelle Ölförderländer, wie etwa Saudi-Arabien, wo das schwarze Gold praktisch aus dem Boden sprudelt, können dagegen auch mit Preisen von 60 Dollar noch gut leben. Und das gilt mit 82 Prozent für die weitaus meisten Produzenten, wie Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch es einschätzt.
Exportländer leiden unter niedrigen Preisen
Venezuela, wie Saudi-Arabien im Öl-Kartell Opec organisiert, hat seinen Staatshaushalt jedoch stark auf die Einnahmen aus den Öl-Exporten ausgerichtet und benötigt eigentlich einen Preis von 121 Dollar, um ohne Schulden auszukommen, was derzeit nun nicht gelingt. Ähnlich sieht es in Russland aus, das außer seinen Energieexporten wenig Einnahmequellen hat. Präsident Wladimir Putin unkte bereits, es seien politische Kräfte am Werk, die den Ölpreis drückten. Neben den sinkenden Öleinnahmen muss das Land zudem die Auswirkungen der Sanktionen wegen der Ukraine-Krise verkraften.
Importländer vor deflationärem Effekt
Doch nicht nur den Produzenten und Exporteuren droht Ungemach. Auch die Käuferländer stehen dann vor neuen Herausforderungen. Japan und die Eurozone kämpfen bekanntlich gegen deflationäre Tendenzen - und billigeres Öl nimmt weiteren Druck aus der Preisentwicklung heraus. Dem müsste gegebenenfalls mit einer lockereren Geldpolitik begegnet werden, die Geldflut würde weiter anschwellen, die Gefahr einer Blasenbildung zunehmen.
Erste Schwarzseher erwarten sogar schon einen neuen Crash ähnlich der Immobilienkrise, der dieses Mal von der Ölindustrie in den USA ausgehen könnte. Die dortigen Unternehmen hätten sich in hohem Maße verschuldet, größtenteils über hochriskante Anleihen, schreibt die "Welt". Könnten die Unternehmen diese wegen ausbleibender Gewinne nicht mehr bedienen, führe dies zu Verwerfungen an den Finanzmärkten und zur Verunsicherung bei den Verbrauchern. Immerhin hätten die Anleihen ein Volumen von zehn Prozent der US-Wirtschaftsleistung.
Die Gefahr, die nicht nur aus diesen Gründen vom US-Fracking ausgeht, könnte jedoch schon aus natürlich Gründen in absehbarer Zeit gebannt sein. Die Opec erwartet, dass die Fördermengen des Schieferöls in den USA bereits 2018 wieder abnehmen, während die weltweite Öl-Nachfrage derzeit immer noch zunimmt. Damit dürfte die Bedeutung klassischer Ölförderländer in Zukunft wieder größer werden und damit auch die Aussicht auf steigende Preise.