Crash-Prophet im Interview Die nächste Finanzkrise wird blutig
Er ist Außenseiter. Provokateur. Börsen-Rocker. Ein cooler Typ mit Pferdeschwanz und einem breiten Ihr-könnt-mich-mal-Grinsen. Marc Faber, der Crash-Prophet, kritisiert, beleidigt, prangert an. Seine Prognosen sind gefürchtet. Sein Wissen über die Finanzmärkte ist legendär. 68 Jahre ist er vor Kurzem geworden – für ihn kein Grund, leiser zu werden.
Faber ist in Chiang Mai im Norden Thailands, als der "Aktionär" ihn zum Interview erreicht. Man merkt direkt: Es hat sich einiges angestaut bei ihm. Er ist unzufrieden: mit den Banken, mit den Notenbanken sowieso, mit der Politik. Sollte es wieder zur Finanzkrise kommen, so Faber, wird es schlimmer als beim letzten Mal. Die Anleger sieht er derzeit in einem Dilemma. Die große Frage: Was kann man bloß kaufen?
"Der Aktionär": Herr Faber, der Einmarsch der Russen auf der Krim hat die Anleger noch nervöser gemacht. Ist das ein Thema, worüber man sich wirklich ernsthafte Sorgen machen muss?
Marc Faber: Ja, schon. Die Lage ist ziemlich kompliziert. Ich erwarte zwar nicht unbedingt einen neuen Kalten Krieg, aber internationale Spannungen, wie wir sie ja jetzt schon sehen, sind schlimm genug. Die Krim ist strategisch eben sehr wichtig für Russland. Putin kann sie nicht einfach aufgeben. Offensichtlich versteht der Westen das aber nicht. Ich will mal die Amerikaner sehen, wenn jemand von außen einen Aufstand auf Guam anzettelt. Die Insel ist für die Amerikaner eine sehr wichtige Raketenbasis. Dann würden sie aber im Handumdrehen dort einmarschieren.
Ich kann die Russen verstehen. Sie fühlen sich umzingelt, von Amerikanern und Chinesen, den beiden anderen Weltmächten. Auf der Krim geht es um viel mehr als um die Krim. Das ist eine Machtprobe.
... die die Märkte unter Druck setzen wird?
Ich glaube, dass die Krise zu mehr Zurückhaltung an der Börse führen wird. Schließlich sind viele Aktien schon gut gelaufen und relativ hoch bewertet. Auch Immobilien sind teuer, ebenso wie Kunst und Staatsanleihen. Bei diesen Preisen sind die Anleger nicht mehr bereit, höhere Risiken einzugehen. Es ist ein Dilemma: Es ist viel billiges Geld im Markt, und die meisten wissen nicht, wohin damit.
Was halten Sie für attraktiv?
Gold könnte von der Unsicherheit der Anleger profitieren.
Was ist mit Goldminen-Aktien?
Die gefallen mir recht gut. Allerdings haben sich einige Titel aus dem Sektor schon wieder merklich erholt, sodass ich eine Korrektur abwarten würde, bevor ich kaufe. Nach einer Korrektur sollten wir aber eine ordentliche Aufwärtsbewegung bei Goldminen-Aktien sehen.
Wo sehen Sie noch Potenzial?
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Aktienkurse in den USA kurzfristig noch zulegen. Der Aufwärtstrend ist intakt. Allerdings sind, wie gesagt, die Bewertungen schon recht hoch. Die Gefahr einer Korrektur steigt. Und es würde mich nicht wundern, wenn die Börse im Falle einer Korrektur um 20 Prozent fällt. Schließlich dauert die Hausse bereits fünf Jahre – nennenswerte Korrekturen gab es seitdem nicht.
Was raten Sie langfristig orientierten Anlegern?
Wenn sie einen Anlagehorizont von sieben bis zehn Jahren haben, dürfte sich ein baldiger Einstieg in den Schwellenländern lohnen. Die wirtschaftlichen Perspektiven von China, Russland und so weiter sind nach wie vor gut.
Haben Sie einen Favoriten unter den Schwellenländern?
Indien finde ich interessant. Im Frühling finden dort Parlamentswahlen statt. Das könnte die Kurse treiben. Auch Vietnam sieht nicht schlecht aus, obwohl sich der Markt von seinem Tief schon ein gutes Stück entfernt hat.
Und wovon würden Sie die Finger lassen?
Social-Media-Aktien sind sehr hoch bewertet. Hier ist Vorsicht geboten.
Wie wir Sie kennen, werden Sie außer der Krim-Krise weitere Risiken für den Markt sehen.
Sie kennen mich aber gut (lacht). Die größte Gefahr für den Markt, ja viel mehr noch für das ganze Finanzsystem, ist, dass viel zu viel billiges Geld im Umlauf ist. Die Notenpressen laufen ja immer noch heiß. Die Zinsen sind viel zu niedrig, und sie werden es bleiben, so wie es aussieht. Im Grunde haben wir schon seit 30 Jahren zu viel billiges Geld im Umlauf. Und wozu hat das geführt? Zu einer spektakulären Finanzblase, die 2008 mit einem lauten Knall geplatzt ist. Und was hat man dann gemacht? Statt die Mauer zu reparieren, hat man die Risse mit Farbe übermalt – sprich: Geld ohne Ende gedruckt. Wirklich großartig.
Ich sage Ihnen eins: Der Knall der nächsten Finanzblase wird um einiges lauter sein.
Hat man wirklich nichts gelernt aus der letzten Krise?
Ich wüsste nicht, was. Schauen Sie sich doch die Banken an. Die machen genauso weiter wie vor der Finanzkrise. Außerdem sind die Bedingungen heute schlechter als vor sechs Jahren: Der Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt in den Industrieländern liegt um 30 Prozent höher als zu Beginn der letzten Finanzkrise. Dieses Schuldendesaster kann nicht ewig weitergehen. Man kann doch nicht ernsthaft glauben, mit der ganzen Gelddruckerei könnte man das immense Schuldenproblem lösen. Die Notenbanken verlagern die Probleme nur in die Zukunft.
Wann wird die Blase platzen?
Das weiß niemand. Vielleicht in drei Tagen, vielleicht in fünf Jahren. Fest steht: Wenn die Blase platzt, wird es blutig. Die nächste Krise wird von einer Staatsschuldenkrise begleitet, da bin ich mir sicher. Griechenland hat uns ja schon einen Vorgeschmack gegeben, welche Folgen so etwas haben kann. Nun ist Griechenland ein wirtschaftlich völlig unbedeutendes Land. Aber lassen Sie mal ein Land wie Deutschland in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
Welche Lösungen schlagen Sie für den Fall vor, dass es zum großen Knall kommt?
Ich kann mir vorstellen, dass die Banken aufgespaltet werden: in Geschäfts- und in Investmentbanken. Dann sollen die Investmentbanken machen, was sie wollen. Die Geschäftsbanken würden ihrer sozialen Funktion nachkommen können: unser Geld aufzubewahren und, nur wenn wir es wollen, zu investieren.
Aber nicht nur für die Banken hätte die nächste Finanzkrise Folgen, sondern für die ganze Gesellschaft.
Inwiefern?
Die meisten Milliardäre sind nicht reich geworden, weil sie Fabriken gebaut oder etwas Tolles erfunden haben, sondern weil sie erfolgreich spekuliert haben. Die ganzen schwerreichen Hedgefonds-Manager und Private-Equity-Investoren sind für den sozialen Frieden eine Katastrophe. Noch ist es ruhig, aber in der nächsten Krise werden diese Leute den Unmut zu spüren bekommen. Finanzgewinne werden gewiss viel höher besteuert werden. Das trifft alle Börsianer.
Sie werden gerade Ihrem Ruf des Crashpropheten voll und ganz gerecht. Ist es nicht manchmal bitter, als Pessimist durchs Leben zu gehen?
Ich bin kein Pessimist. Ich bin Optimist. Schon immer gewesen.
Ach was.
Doch. Ich fahre in Thailand Motorrad, also muss ich ein großer Optimist sein. Ich denke, dass hier die meisten Leute keinen Führerschein haben. Kommen Sie mal her und beobachten Sie für fünf Minuten den Verkehr. Dann werden Sie mir recht geben. Die Thais kennen zum Beispiel keinen Blinker. Ihr Vordermann kann immer spontan abbiegen oder plötzlich die Spur wechseln. Er wird es Sie garantiert nicht vorher wissen lassen.
Viele Menschen sehen in Ihnen den Crashpropheten, den ewigen Bären.
Sie irren sich. Ich habe viele bullishe Prognosen abgegeben. In den 1970er-Jahren habe ich das Potenzial der asiatischen Märkte entdeckt. Ich habe in den 80er-Jahren auf die Reformen in Südamerika hingewiesen. Die südamerikanischen Börsen haben sich seitdem vervielfacht. Auch auf das Potenzial der Rohstoffe habe ich frühzeitig hingewiesen, und zwar Ende der 90er-Jahre. Nur hat keiner zugehört, die Leute wollten nur wissen, wie es mit Aktien weitergeht. Dann, 2000, startete die große Goldrallye.
Sie sind seit über 40 Jahren an der Börse aktiv, lange Zeit als Vermögensverwalter. Hat sich in dieser Zeit sehr viel verändert?
Oh ja. Anfang der 70er-Jahre hat sich alles in New York abgespielt. Amerikanische Staatsanleihen, amerikanische Aktien – mehr hat die Leute nicht interessiert. Heute muss man alles im Blick haben: internationale Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Immobilien, Kunst. Alles geht so schnell heute. Man muss ständig schauen, wo sich was verändert: politisch und wirtschaftlich.
Sie sind 68 Jahre. Warum tun Sie sich den Stress noch an?
Ich habe mein ganzes Leben lang gerne gearbeitet. Heute habe ich den großen Vorteil, dass ich das, was mich stresst, nicht mehr machen muss. Ich muss nichts mehr verkaufen. Ich achte heute darauf, dass ich nicht zu viele Termine habe. Außerdem habe ich es immer verstanden, mir etwas zu gönnen. Das hat sich im Alter nicht geändert.
(Anm. d. Red.: Interview am Ende gekürzt.)