Hurrikan "Ophelia" Sturmausläufer auf dem Weg nach Europa
Über dem Atlantik ist der tropische Sturm "Ophelia" zu einem Hurrikan angewachsen. Es ist der zehnte Hurrikan in unmittelbarer Folge. Diesmal bekommt ihn sogar Europa zu spüren.
Die Karte mit der Windvorhersage des nationalen Hurrikanzentrums der USA zeigte in der Nacht zum Donnerstag ein sehr ungewöhnliches Bild: Statt in Richtung der Karibik oder dem US-Festland zeigen "Ophelias" Ausläufer auf Europa. Demnach könnten die Winde des Hurrikans am Montag bis nach Irland und Großbritannien reichen. Die Vorhersage der Meteorologen spricht aber von keinerlei Schäden.
In den vergangenen 30 Jahren tobten im Atlantik einer Studie zufolge so viele heftige Hurrikane wie nie zuvor. Forscher sind uneins darüber, ob die kommenden Jahre noch schlimmer werden oder ob das Schlimmste erst einmal ausgestanden ist.
Immer mehr Tropenstürme
"Harvey", "Irma", "Jose", "Maria" und jetzt "Nate": Die verheerenden Hurrikane im Atlantik scheinen sich in diesem Jahr zu häufen. Doch die Zunahme betrifft nicht nur 2017, sondern drei Jahrzehnte, in denen es nach Angaben von Wissenschaftlern mehr große Wirbelstürme gab als je zuvor.
Und in der aktuellen Hurrikan-Saison steht der Höhepunkt erst noch bevor. Die vergangenen 30 Jahre waren laut einer Analyse der Nachrichtenagentur AP von insgesamt 167 untersuchten Jahren diejenigen mit den meisten, längsten und stärksten Hurrikanen im Atlantik.
Forscher weisen darauf hin, dass es zu früh sei, Schlüsse aus den meteorologischen Daten zu ziehen, und dass die starke Sturmtätigkeit nicht unbedingt auf einen Trend hinweist. Möglicherweise seien Stürme in der fernen Vergangenheit unbemerkt geblieben, so dass frühere Zeiten ruhiger wirkten als sie tatsächlich waren.
Verstärkt Stürme als Folge der Erderwärmung
Einige Wissenschaftler halten die älteren Hurrikan-Daten für so wenig aussagekräftig, dass diese aus ihrer Sicht keine Verbindung zwischen der jüngsten Aktivität und der globalen Erwärmung belegen. Doch als Konsequenz aus der Erderwärmung erwarten die Experten stärkere Stürme, da wärmeres Meerwasser Hurrikane begünstigt. Und sie halten es für wichtig, die aktuelle Hochphase zu studieren, um Leben zu retten und künftige Zerstörungen zu vermeiden.
Es wäre töricht von der Politik, die Daten zu ignorieren, sagt Klimaforscherin Kim Cobb von der Universität Georgia Tech. "Wir haben vielleicht nicht so viele Daten wie wir gern hätten, aber wir haben genug, um stark in verschiedene Schutzmaßnahmen für Küstenorte zu investieren", erklärt sie. "Wir stehen vor der dreifachen Bedrohung steigender Meeresspiegel, stärkerer Winde und nie da gewesener Regenmengen."
Die atlantische Hurrikan-Saison war in den Jahren 2003, 2004, 2005, 2008, 2010, 2012 und 2016 intensiver als normal. Die Saison 2005 mit "Katrina", "Rita" und "Wilma" war so aktiv, dass den Meteorologen die Namen für Wirbelstürme ausgingen.
Dann kam 2017. Verstärkt von wärmeren Meerestemperaturen und idealen Windbedingungen hatte der September mehr Tage mit aktiven Hurrikanen und eine höheren Gesamtenergie der Stürme als jeder andere Monat seit Beginn der Aufzeichnungen, wie der Hurrikanforscher Phil Klotzbach von der Colorado State University sagt. "Harvey" brachte Rekord-Regenfälle, "Irma" die bislang heftigsten Winde im offenen Atlantik, und "Maria" traf die USA am stärksten von den dreien.
Untersuchung der Hurrikane von 1988 bis 2017
Die AP untersuchte alle größeren Hurrikane, nicht nur den geringen Anteil, der die USA traf. Sie wurden in Abschnitte von je 30 Jahren gegliedert. Diesen Zyklus verwenden auch Klimawissenschaftler, um den Klimawandel zu untersuchen. Die Analyse führte zu folgenden Ergebnissen für die Jahre 1988 bis 2017:
- Es gab insgesamt 90 starke Hurrikane und damit durchschnittlich drei pro Jahr. Im Vergleich zum vorangegangenen 30-Jahres-Zeitraum entsprach das einer Steigerung um 48 Prozent. In dieser Saison wurden bislang schon fünf starke Wirbelstürme gezählt.
- Die starken Hurrikane tobten in den vergangenen 30 Jahren im Durchschnitt 7,2 Tage lang, das waren 65 Prozent mehr als im Zeitraum davor. Seit Jahresbeginn gab es bislang 18,8 Tage mit den heftigen Wirbelstürmen.
- Forscher verwenden die sogenannte Accumulated Cyclone Energy oder ACE, um mit Hilfe von Windgeschwindigkeit und Dauer die Intensität tropischer Wirbelstürme zu messen. Der durchschnittliche jährliche ACE-Wert der zurückliegenden 30 Jahre liegt um 41 Prozent über dem der drei Jahrzehnte davor. Ein durchschnittlicher Jahres-ACE liegt knapp unter 100. In dieser Saison ist der Wert bereits auf 204,2 geklettert, obwohl noch zwei Monate ausstehen.
- In den vergangenen 30 Jahren galten neun Hurrikansaisons nach Definition der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) der USA als "hyperaktiv", und sieben lagen über dem Durchschnitt. Darunter blieben nur sieben Jahre.
Gab es nun in den 1930-er oder 80-er Jahren genauso viele Wirbelstürme? Den Daten zufolge war das nicht der Fall. Doch Wissenschaftler wollen keine Schlüsse ziehen, weil sie eine zu geringe Erfassung von Stürmen vor den 60-er Jahren befürchten.
"Dass die Stürme stärker sind als vor 30 Jahren, steht außer Frage", sagt der NOAA-Klima- und Hurrikanforscher James Kossin. "Die Frage ist, ob das auch gilt, wenn wir etwas weiter zurückgehen. Wir wissen sicher, dass sich die Dinge seit 1970 mächtig verstärkt haben."
Meinungen der Experten gehen auseinander
Dafür machen Forscher sowohl den Klimawandel als auch den natürlichen Zyklus der Wasserzirkulation in den Weltmeeren verantwortlich. Diese Zyklen dauern jeweils 20 bis 30 Jahre und sind von unterschiedlichen Salzgehalten und Temperaturen geprägt. Offenbar besteht ein Zusammenhang zur Hurrikan-Aktivität, wie Klotzbach erklärt. Er rechnet damit, dass die seit 1995 anhaltende Periode mit hohem Salzanteil und warmem Wasser im Nordatlantik bald zu Ende gehen wird und damit auch die heftigen Stürme nachlassen dürften.
Andere Wissenschaftler sind aber der gegenteiligen Auffassung. Angesichts der Erderwärmung seien häufigere und stärkere Stürme zu erwarten, sagt der Hurrikan- und Klimaprofessor Kerry Emanuel vom Massachusetts Institute of Technology. Darauf deuteten unter anderem Computersimulationen und zahlreiche Studien hin.
Klotzbach geht davon aus, dass die weitere Entwicklung der Hurrikane von einer Kombination aus natürlichen und menschlichen Faktoren abhängt, "einem Mischmasch aus allem".