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Ex-Chef Helmut Thoma rechnet mit RTL ab: "Das hat keine Zukunft"


Helmut Thoma rechnet mit RTL ab: "Das hat keine Zukunft"

  • Steven Sowa
Von Steven Sowa

Aktualisiert am 16.04.2021Lesedauer: 9 Min.
Interview
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Helmut Thoma: Der Ex-RTL-Chef lässt kein gutes Haar an den neuen Plänen seines ehemaligen Senders.Vergrößern des Bildes
Helmut Thoma: Der Ex-RTL-Chef lässt kein gutes Haar an den neuen Plänen seines ehemaligen Senders. (Quelle: imago images / SKATA Thoma)

Er prägte RTL wie kein Zweiter. Über ein Jahrzehnt führte Helmut Thoma den Privatsender zum Erfolg. Heute rechnet er mit seinem "Baby" ab und spricht mit t-online über die Umbrüche in Köln.

Er machte aus RTL in den Neunzigern den erfolgreichsten und profitabelsten Fernsehsender Europas. Trotz oft formulierter Kritik an seinen Programmentscheidungen bekam Helmut Thoma zahlreiche Preise verliehen, unter anderem 1989 die "Goldene Kamera" in der Kategorie: "Preis für die Bewegung im deutschen Fernsehen". Heute ist er vor allem für seine Neuausrichtung der Einschaltquote bekannt: Er war maßgeblich an der Erfindung der Zielgruppeneinteilung der "14- bis 49-Jährigen" beteiligt, die auch heute noch entscheidend für die Werbebranche ist.

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Von Anfang der Achtziger- bis Ende der Neunzigerjahre wirkte er beim Kölner Privatsender, unter anderem als Alleingeschäftsführer von RTL Deutschland. Erfolgsformate wie "Alarm für Cobra 11", das "RTL Nachtjournal" oder "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" wurden in seiner Amtszeit auf den Weg gebracht. Heute blickt er mit sehr viel Skepsis auf die neuesten Entscheidungen – und lässt im Interview mit t-online kein gutes Haar an den RTL-Plänen.

t-online: Bei Ihrem einstigen Sender RTL ist einiges im Umbruch. Lesen Sie davon nur in der Presse oder klingelt da auch manchmal Ihr Telefon, Herr Thoma?

Helmut Thoma: Man hat natürlich noch einige Kontakte und mich rufen hin und wieder Leute an. Aber ansonsten schaue ich mir das in der Presse an und staune vor mich hin. Das ist schon alles sehr ungewöhnlich.

Was ist denn daran so ungewöhnlich?

Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum der Sender verschiedene Sachen nun so stark unterbricht. Diese Sendung, die ich immer als die Bohlen-Show betrachtet habe, nehme ich da mal als Beispiel.

Sie meinen "Deutschland sucht den Superstar".

Ohne Dieter Bohlen wird es schwierig werden. Das ist so, als wenn in einer erfolgreichen Serie die einzige Hauptperson ausgetauscht wird. Das sind schon sehr ungewöhnliche Entscheidungen.

Was meinen Sie, woran das liegt?

Mein Team und ich haben damals noch sehr stark auf die Zuschauer geachtet. Frei nach dem Motto: Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Es ist ja klar, was damit gemeint ist: Dass der Zuschauer Sachen sehen möchte, die dem Rest mitunter nicht passen. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Ein Fernsehsender muss Programm für die Zuschauer machen, nicht für sonst wen. Dieter Bohlen hat das fast 20 Jahre erfolgreich gemeistert und genau den deutschen Humor getroffen. Das jetzt zu ändern, ist kühn. Aber es schließt nicht aus, dass es nicht auch erfolgreich ist.

Glauben Sie denn daran, dass es erfolgreich ist?

Nein, ich glaube ehrlich gesagt nicht daran, dass das Erfolg hat. Das hat keine Zukunft. Das sieht man doch auch in anderen Ländern: Ohne eine starke Persönlichkeit, die das Programm repräsentiert, funktioniert es nicht. Herr Gottschalk ist ein toller Moderator, der beste, den wir haben in Deutschland. Aber er wird auch nicht jünger. Und als Juror aufzutreten und böse Sprüche loszulassen, das kann er nicht. Das ist nicht seine Welt. Dann muss man eher die ganze Sendung komplett verändern.

Thomas Gottschalk war nur eine Übergangslösung. Langfristig soll die Jury komplett neu gestaltet werden. Andere Personalentscheidungen sind ein eigenes Format für Hape Kerkeling und Jan Hofer, der eine neue Nachrichtensendung bekommen wird. Wirkt das auf Sie, wie der Aufbruch in eine jüngere Zukunft?

Nein, überhaupt nicht. Das Entscheidende bei RTL war immer die junge Zielgruppe. Wenn der Sender nun Teil des Rentnerfernsehens werden möchte und mit ARD und ZDF konkurriert, wäre das absurd. Für die Werbung geradezu fatal, denn die Werbetreibenden setzen auf die jungen Menschen zwischen 14 und 49 Jahren. Sie sind die Erstverwender, die anschließend hoffentlich markentreu bleiben. Ältere kann man für Reiseangebote begeistern: ja. Aber die Einrichtung ist gekauft, das Waschmittel bleibt über die Jahre das gleiche und beim Auto gibt es auch einen hohen Treueeffekt. Die junge Kernzielgruppe hat sich europaweit durchgesetzt: Das ist für kommerzielle Sender der entscheidende Absatzmarkt.

Sie sagen: Das Programm muss zur Zielgruppe passen, um entsprechende Werbeverträge lukrativ aushandeln zu können. Sehen Sie also eine Gefahr bei der neuen Strategie von RTL? Verprellt der Sender seine eigentliche Stammklientel?

Theoretisch ja, aber man wird sehen. Vielleicht haben sie den Stein der Weisen gefunden. Das kann man nie ganz ausschließen. Dazu muss man auch sagen, es gibt äußere Zeichen, die ganz seltsam sind. Zum Beispiel will der Medienkonzern Bertelsmann seinen französischen TV-Sender M6 verkaufen, der durchaus erfolgreich beim jungen Publikum ist. Ich bin gespannt, wann die Sender in den Niederlanden drankommen. Ich kann mir auch vorstellen, dass da eine große Transaktion stattfindet. Das würde vielleicht diese Aktivitäten erklären.

Aber leidet RTL tatsächlich unter einem derartigen Bedeutungsverlust, dass nun schon über einen Verkauf spekuliert werden muss?

Ich glaube, dass es entscheidend ist, dass man den Wert, den der Sender hat – der nebenbei bemerkt mal der größte Senders Europas war – nicht weiter abfallen lässt. Entscheidungen aus der Vergangenheit haben dazu nicht gerade beigetragen. Den ganzen Samstagnachmittag mit irgendwelchen Blaulichtfolgen zu programmieren oder irgendein Verlegenheitsprogramm zu machen, sind nur einige Beispiele. Wer weiß: Vielleicht gibt es ja einen großen Plan.

Wie könnte der aussehen?

Bislang ist weltweit nichts Neues erfunden worden. Ich glaube nicht daran, dass sich das Fernsehen neu erfinden lässt. Der Fernseher besteht jetzt schon ein paar Jährchen und bis auf die Verbreitungswege ist nichts gigantisch Neues passiert in den letzten Jahren. Gut, die Qualität ist besser geworden. 4K und so weiter. Aber entscheidend ist der Inhalt. Etwas, das uninteressant ist, wird auch in 4K niemanden vom Hocker reißen.

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Ist der Umbruch bei RTL vielleicht damit auch zu erklären? Wie Sie schon sagen, gibt es vor allem neue Verbreitungswege. Die jungen Zuschauer tummeln sich im Streamingbereich. Ist die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen also wirklich noch die, die um 20.15 Uhr zur Fernbedienung greift?

Aber die Alten werden ja nicht mehr, sondern nur älter. Die halbe Zielgruppe stirbt also in absehbarer Zeit weg. Es wäre Wahnsinn, wenn man sich auf die beschränken würde. RTL wird nicht drumherum kommen, die Jungen zu erreichen. Die kann man nicht aufgeben. Das macht auch niemand. Das Rentnerfernsehen haben die Öffentlich-Rechtlichen seit jeher fest im Griff.

Sind bestimmte prominente Namen auch gar nicht wegzukriegen aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, weil sie vertraglich zu gut gebunden sind?

Das hängt immer mit Zahlen zusammen. Also wenn mehr Geld auf den Tisch gelegt wird, kommt auch die Prominenz von ARD und ZDF zu RTL. Das läuft wie im Fußball. Die besten Spieler gehen zu den Vereinen, die am besten zahlen.

Ist denn RTL immer noch sehr zahlungskräftig?

Eigentlich schon. Bei RTL war man schon immer sehr großzügig bei den Honoraren. Aber es kommt eben auch darauf an, was man dafür bekommt. Ich meine Hape Kerkeling, mit dem habe ich zu meiner Zeit schon zu tun gehabt und ich bin ehrlich: Die Ergebnisse waren überschaubar. Er ist sicher einer der kreativsten Burschen im Fernsehgeschäft, aber so ungeheuer attraktiv und vor allem massentauglich ist er auch nicht – und das will er vermutlich auch gar nicht sein.

RTL baut nun den eigenen Streamingdienst um und will in der zweiten Jahreshälfte mit RTLPlus an den Start gehen. Glauben Sie, dass man damit etablierte Dienste wie Netflix und Amazon angreifen kann?

Angreifen schon, klar. Aber mit welchem Erfolg ist die Frage. Streamingdienste liegen zwar im Trend, sind aber nur in einem begrenzten Rahmen erfolgreich. Diese Serien und Filme, die dort teuer produziert werden, rechnen sich doch auf Dauer nicht. Das hat man bei den verschiedensten Studios in der Vergangenheit bereits gesehen. Auch dort musste man lernen, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen. Es ist doch kein Zufall, dass beispielsweise Netflix immer wieder die Preise erhöht. Auch diese Unternehmen werden irgendwann Schwierigkeiten bekommen.

Die Corona-Krise hat aber auch gezeigt, dass Netflix krisenfest agieren kann. Der Streamingdienst weist inzwischen mehr als 200 Millionen Abonnenten weltweit auf, Tendenz steigend. Streaming ist nun längst kein Trend mehr, sondern eine neue Fernsehrealität.

Aber sobald der Erfolg da ist, gehen auch die Kosten enorm in die Höhe. Dafür braucht es ein tragfähiges Geschäftsmodell. Sehen Sie sich Serien wie "The Big Bang Theory" an. Das Serien-Aus lag ja nicht daran, dass es nichts mehr zu erzählen gab, sondern daran, dass die Honorare ins Unermessliche gestiegen sind. Das kann man machen, wenn man weltweit tätig ist wie Netflix, Disney oder Warner. Aber einem deutschen Unternehmen sind da schnell Grenzen gesetzt, vor allem im Entertainmentbereich.

Nun gut, aber "The Big Bang Theory" entstammt ja dem amerikanischen Kabelsender CBS, keinem Streamingdienst. Inzwischen ist ViacomCBS eine multinationale Mediengruppe, zu der eben unter anderem auch Studios wie Paramount gehören. Womit wir vielleicht auch wieder bei RTL wären, im weitesten Sinne, denn: Der Verlag Simon & Schuster wurde Ende November 2020 für 2,175 Milliarden US-Dollar an Penguin Random House verkauft und der, genau: gehört zu Bertelsmann, so wie RTL. Müsste die Frage also vielmehr lauten: Was plant Bertelsmann im Hintergrund?

Das weiß ich nicht, aber ich finde die Pläne, die da kolportiert werden, geradezu hanebüchen. Einen Printverlag wie Gruner & Jahr mit einem Fernsehsender wie RTL zusammenzulegen, was soll das bitte bringen?

Vielleicht sollen die Nachrichtenredaktionen vom "Stern" mit der von RTL enger zusammenarbeiten. Immerhin holt man mit Jan Hofer einen seriösen Mann aus dem Nachrichtengeschäft und hat mit Nikolaus Blome einen neuen Ressortleiter Politik und Gesellschaft in der Zentralredaktion der Mediengruppe RTL Deutschland.

Ach, das wurde doch alles schon versucht. Das sind zwei unterschiedliche Welten. Ein Printjournalist ist im Normalfall überhaupt nicht fürs Fernsehen geeignet und umgedreht genauso. Fakt ist: Das Printgeschäft wird immer weiter zurückgehen und für Gruner & Jahr sieht es nicht gut aus. Es ist viel zu teuer und hat bei der Verbreitung in Konkurrenz mit dem Internet keine Chance. Und Gruner & Jahr hat die besten Leute in den letzten Jahren doch alle schon verloren. Das hat also mit der Frage nach Qualität nichts zu tun.

Zuletzt ist der Abschied von Julia Jäkel als Verlagschefin von Gruner & Jahr bekannt geworden. Lässt Bertelsmann also Qualität ziehen, um im großen Stil umzubauen?

Bertelsmann ist ein Marketing-Distributionskonzern und hat inhaltlich nie eine Rolle gespielt, das wollten die auch gar nicht. Ansonsten ist es ein Buchverlag. Da sind sie sehr stark, keine Frage. Früher war Gruner & Jahr die Cashcow, aber diese Zeiten sind längst vorbei. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gibt es also bestimmt Argumente, RTL mit Teilen von Gruner & Jahr enger zu verzahnen, aber sonst ergibt das wenig Sinn – und weltweit gibt es für solche Fusionen kein erfolgreiches Beispiel. Bertelsmann hat noch nie das Fernsehen begriffen. Da geht es nicht nur um Filme und Serien: Fernsehen ist ein Gesamtkunstwerk – und das ist nicht so einfach, wie sich das der Mutterkonzern offenbar derzeit vorstellt.

Zurück zu RTL: Womit kann der Sender auch weiterhin erfolgreich sein?

Es ist zugegebenermaßen schwieriger geworden. Fast alle Innovationen sind bereits umgesetzt. Die Abschaffung der Ansagerinnen, das Frühstücksfernsehen, die Erfindung der Daily Soap, wo jetzt bei GZSZ schon über 7.000 Folgen zu sehen waren, das gab es zu meiner Zeit alles nicht – aber existiert nun bereits seit Jahrzehnten. Alles Fiktionale ist eben auch sehr teuer. Bleibt nur der Sport: Formel 1, Fußball, Boxen, Tennis und Co. Aber früher gab es eben auch Michael Schumacher, Henry Maske, Boris Becker oder Steffi Graf. Das lässt sich alles nicht neu erfinden.

Aber was sind denn nun die Stärken, auf die sich RTL besinnen muss?

Da fragen Sie mich was. (lacht) Sagen wir mal so: Bei ProSiebenSat.1 ist es noch schlimmer. Die Innovationskraft in Deutschland generell geht doch gen Null. Ich meine, warum müssen ARD und ZDF bitte so wahnsinnig teuer sein? Dieser riesige öffentlich-rechtliche Apparat strotzt auch nicht gerade vor Innovationskraft, ganz im Gegenteil. Die nehmen so viel Geld ein und treiben die Preise im Entertainmentbereich hoch für die Privaten.

Gibt es dennoch etwas, was RTL Hoffnung machen kann?

Ich hoffe schon, allein schon aus egoistischen Gründen, dass es RTL in Zukunft gut geht. Aber die Wege, die jetzt eingeschlagen werden, erachte ich als äußerst kompliziert und im Grunde genommen auch als sehr schwierig durchsetzbar.

Aus egoistischen Gründen? Wie genau meinen Sie das?

Ich habe diesen Sender aufgebaut. Das ist mein Baby gewesen. Ich würde ungern sehen, dass RTL untergeht.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Helmut Thoma
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