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Jan Böhmermann tritt ab: Was hinter der "Hallelujah"-Inszenierung steckt


Zukunft im Hauptprogramm
Jan Böhmermann tritt ab – und nimmt die ZDF-Chefs aufs Korn

  • Steven Sowa
Von Steven Sowa

Aktualisiert am 13.12.2019Lesedauer: 4 Min.
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Jan Böhmermann: Der ZDF-Moderator wechselt 2020 ins ZDF-Hauptprogramm – seinem Sender widmete er die letzte "Neo Magazin Royale"-AusgabeVergrößern des Bildes
Jan Böhmermann: Der ZDF-Moderator wechselt 2020 ins ZDF-Hauptprogramm – seinem Sender widmete er die letzte "Neo Magazin Royale"-Ausgabe (Quelle: ZDF)

Intendant, Programmdirektor und ZDF-Fernsehrat: Die letzte "Neo Magazin Royale"-Sendung widmet Jan Böhmermann dem eigenen Arbeitgeber. Die "Hallelujah"-Inszenierung ist vor allem ein Blick in eine ungewisse Zukunft.

Es ist nicht die einzige Botschaft an seine zukünftige Sendeheimat, aber es ist die mit Abstand Unmissverständlichste: "Das ist das ZDF Hauptprogramm. Das ist das Hochamt des deutschen Fernsehens – wie der Vatikan oder Wimbledon! Das geht so nicht, da können wir nicht machen, was wir wollen!" ruft Jan Böhmermann in seiner letzten "Neo Magazin Royale"-Sendung den Zuschauern, aber vor allem seinem eigenen Team entgegen. "Captain Obvious" hatte zuvor all die Sidekicks, Nebendarsteller und Gag-Lieferanten der ZDFNeo-Show geehrt: Von Photoshop Philipp, über Zini das Wuslon, die Bastelbrothers, Young Böhmermann und viele mehr.

Doch der ZDF-Moderator wollte keine kultigen Auftritte seiner Kunstfiguren, keine Gags vom Autorenteam und auch keinen William Cohn, der ihm von der Seite mit sonorer Stimme ein Lied säuselt. Jan Böhmermann zog einen Schlussstrich. Er wolle nicht so enden "wie Harald" und zu "seiner eigenen Kunstfigur" werden – ein Seitenhieb Richtung Harald Schmidt, seinen einstigen Mentor, der egal auf welchem Sender, ob bei ARD, Sat.1 oder Sky, immer der gleiche Spaßonkel hinter dem Late-Night-Schreibtisch blieb.

Das Grundgesetz tanzte durch die letzte "Neo Magazin Royale"-Sendung

Die 167. Sendung "Neo Magazin Royale" füllte Jan Böhmermann vor allem musikalisch, es sei denn, er sprach von "sechs Jahren und 42 Tagen". Diese Zeitangabe wiederholte er so oft, wie es nur ging: Es war die Zeit, in der er erst das "Neo Magazin" und später, ab dem Jahr 2015, das "Neo Magazin Royale" moderierte. In der er mit einem Gedicht an den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine Staatskrise auslöste, die Machenschaften hinter der Kuppelshow "Schwiegertochter gesucht" aufdeckte, mit dem "POL1Z1STENS0HN" die deutsche Rap-Szene verunsicherte und immer und immer wieder "die Verschmelzung von Ernst und Unterhaltung" anstrebte – so jedenfalls drückte es Böhmermann am Donnerstagabend selbst aus, kurz bevor er einen Darsteller in einem riesigen Grundgesetz-Kostüm einen Stepptanz aufführen ließ.

Das Grundgesetz, es war dem ZDF-Mann immer ein großes Anliegen und Artikel 5, Absatz 3 war Böhmermanns Existenzgrundlage – die Kunstfreiheit, für die er nicht nur im Zuge der Erdogan-Affäre kämpfen musste. Stapelweise Anschreiben brachte Jan Böhmermann an diesem letzten Abend mit ins Studio: Anzeigen, Beschwerden, Unterlassungserklärungen, die er laut eigener Aussage im Laufe der Jahre wegen seiner Gags und Aktionen über sich ergehen lassen musste. Doch das waren nur Randnotizen vor dem großen Showdown. Am Ende der Sendung ging es um den öffentlich-rechtlichen Sendeapparat. Um das ZDF.

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In einer riesigen Projektion wurde das Organigramm des Mainzer Senders an die Studioleinwand im Hintergrund geworfen. Davor: Jan Böhmermann mit einem Mikro in der Hand, "Hallelujah" schmetternd. Vor ihm ein Altar mit Kerzen und drei Bildnissen: Marlehn Thieme, Norbert Himmler und Thomas Bellut. Die Vorsitzende des ZDF-Fernsehrates, der ZDF-Programmdirektor und der Intendant des zweiten deutschen Fernsehens. Ihnen war das Leonard-Cohen-Lied gewidmet. Diese vielfach gecoverte Hymne mit den vieldeutigen Zeilen, die mit einem Bibelbezug auf König David eröffnet wird und mit ihrem Refrain verdeutlichen soll, dass auch weltliche Dinge abseits von Religion in uns ein "Hallelujah" hervorrufen können – Böhmermann spielte mit dieser Bedeutung und setzte Thieme, Himmler und Bellut mit ihren drei Bildnissen in den Kontext seiner Interpretation. Mit diesen drei höheren Mächten, quasi den Fernsehgöttern des ZDF geht Böhmermann gemeinsam den Weg ins Hauptprogramm – "Glaube kann Lerchenberge versetzen" meinte der Moderator dazu einst.

Der Spagat zwischen Experimentierlust und Ernsthaftigkeit

In einer Pressemitteilung des ZDF hieß es Anfang der Woche zur letzten "Neo Magazin Royale"-Sendung von Jan Böhmermann: "Dass das ZDF uns bereits nach sechs Jahren in ZDFneo ins Hauptprogramm holt, mag wie eine kopflose Kurzschlussreaktion wirken, aber mir wurde vom ZDF glaubhaft versichert, dass dahinter ein genialer Plan steckt." Die Ironie, die aus der Kombination von "sechs Jahren" und der "Kurzschlussreaktion" spricht, findet in dieser letzten Sendung ihren Abschluss. Für Jan Böhmermann und sein Team mag es hinter den Kulissen nicht immer leicht gewesen sein, subversive Ideen auf Sendung zu bekommen – von einem prominenten Ausstrahlungstermin im Hauptprogramm ganz zu schweigen. Ob der Fernsehrat, die Programmredaktion oder die Intendanz: Sie alle werden den gebürtigen Bremer und sein Team von der "Bild- und Tonfabrik" aus Köln künftig noch intensiver unter die Lupe nehmen, wenn es ab Oktober 2020 mit einer neuen Sendung im ZDF Hauptprogramm weitergeht.

Am Ende der Show steigt Jan Böhmermann in eine Limousine, Johannes B. Kerner und Domian erwarten ihn. Während Letzterer verheißungsvoll "Wind of Change" anstimmt, ist es Kerner, der von den eingeübten Programmmechanismen des ZDF schwadroniert – Böhmermann könne ja künftig mit dem ZDF-Fernsehkoch Johann Lafer zusammenarbeiten oder für eine Samstagabendshow Teil einer Doppelmoderation werden.

Das "große ZDF", es ist genau das, was sich Böhmermann immer gewünscht hat: endlich ernst genommen werden. Doch die Befürchtung, dass eine Late-Night-Show nicht mehr so experimentierfreudig daherkommen kommen kann, sie war auch immer da. Ab nächstem Jahr ist es so weit: Jan Böhmermann im Spagat, zwischen großer Bühne und dem wachsamen "Hochamt des deutschen Fernsehens".

Verwendete Quellen
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