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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Tatort: Böser Boden" Wenn es um Geld geht, zählen Menschenleben nichts
Fracking, Öko-Nazis und ein wütender Mob: Die Kommissare Grosz und Falke bekommen die volle Packung: Der Fahrer eines Erdgasunternehmens wird brutal ermordet. Und dann verwandeln sich plötzlich die Menschen auf unheimliche Art.
Umweltthriller, Krimi, Zombiefilm: "Böser Boden" versucht, Vieles zu sein, ein experimenteller Mix, der sein Ziel nicht auf ganzer Linie erreicht. Doch in einem seiner Kernthemen gelingt dem neuen "Tatort" eine Punktlandung, und zwar in der Darstellung von Angst und Ohnmacht. Was passiert mit Menschen, die einem erbarmungslosen System ausgeliefert sind, das einer skrupellosen Doktrin folgt? Es ist die Gier, die dieses System antreibt. Mehr ist mehr, noch mehr ist besser. Menschen, die krank werden: unwichtig.
Eine Kleinstadt irgendwo in Niedersachsen steht symptomatisch für eines der Hauptprobleme unserer Zeit: die Ausbeutung und Zerstörung der Welt.
Der Immigrant Arash Naderi (Hadi Khanjanpour), ein LKW-Fahrer, der für ein ortsansässiges Erdgasunternehmen Abwasser entsorgt, wird brutal ermordet. Für die Kommissare Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz) stellen sich die Ermittlungen schwierig dar, denn so ziemlich jeder scheint verdächtig. Potentielle Täter gibt es zuhauf: Fremdenhasser, Umweltfanatiker, Raubtierkapitalismus-Gegner. Und über alledem schwebt wie ein Damoklesschwert das Wort - FRACKING.
Rohrbrüche, kontaminiertes Abwasser - kein Problem
Wie bei allem, was Unsummen an Geld abwirft, gehen die Meinungen, was die Gesundheitsrisiken durch Fracking betrifft, weit auseinander. Es gibt keine Verbindung zwischen gesundheitlichen Schäden und Fracking, sagen die einen, andere sehen in dem Verfahren, bei dem aus ca. 5000 Metern Tiefe Erdgas aus dem Boden geholt wird, inklusive giftiger Stoffe, die in die Umwelt gelangen, ein potentielles sehr gefährliches Risiko. Atembeschwerden, Hautausschläge, sogar Krebs könnten die Folge sein.
Das kontaminierte Wasser, das bei solchen Bohrungen anfällt, wird zurück in alte Bohrlöcher gepumpt. Frei nach dem Motto: aus dem Auge, aus dem Sinn. Die Giftstoffe könnten sogar ins Grundwasser gelangen. Doch wen, bis auf die Anwohner interessieren derlei Kollateralschäden, wenn der große Profit winkt?
Die staatlichen auf Umwegen von Lobbyisten unterwanderten Umwelt- und Gesundheitsbehörden sehen natürlich keine Bedrohung für den Bürger. Dasselbe skrupellose Verhalten haben diese Organisationen in den vergangenen Jahrzehnten auch beim Tabakkonsum und dem überdimensionalen Einsatz von Asbest an den Tag gelegt. Alles kein Problem, denn was immer den Firmen und folglich dem Staat Geld auf die Konten spült, ist selbstredend über alle Maßen gesund: für Mensch, Tier, Umwelt - den ganzen Planeten.
Profit und Wahrheit mögen sich nicht
Unsichere Leitungen, Rohrbrüche, kontaminiertes Abwasser, das unkontrolliert ins Erdreich sickert? Kein Grund zur Sorge. Denn was derlei Unternehmen bei einem dieser nicht stattfindenden Vorfälle gern sofort klarstellen ist, wie effektiv ihre Rechtsabteilung arbeitet. Wie sang schon der Liedermacher Reinhard Mey: "Kein Tütchen Gras, aber ne Giftgasfabrik kannst du hier kaufen."
Letztlich ist der Tod des LKW-Fahrers ein Resultat aus Angst, Wut und Gier. Sein Bruder (Sahin Eryilmaz) erschlug ihn fast, weil er die Vergiftung des Wassers geheim hielt. Die Kinder des Dorfes, die wegen dieser Vergiftung zu zombiehaften Soziopathen mutierten, gaben ihm zusätzlich den Rest. Opfer sind sie alle.
Auch wenn "Böser Boden" gegen Ende mit Anleihen an Horror-Altmeister George A. Romeros "The Crazies" von 1973 doch arg dick aufträgt, so lehrt die Geschichte der weltweit agierenden Unternehmen und die ihren Lakaien innewohnende Gier nach Profit vor allem eines: Wenn es um Geld geht, zählen Menschenleben nichts. Und wenn staatliche Behörden mit profitorientierten Firmen Hand in Hand arbeiten, stürzt das Vertrauen in diese zurecht ins Bodenlose.