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Tatort-Kritik: Die Schlappe einer Bremer Hochzeitsnacht


Tatort
"Tatort": Die Schlappe einer Bremer Hochzeitsnacht

t-online, Nibo

Aktualisiert am 17.09.2012Lesedauer: 3 Min.
Oliver Mommsen und Sabine Postel beim konfusen Finale des "Tatorts: Hochzeitsnacht".Vergrößern des Bildes
Oliver Mommsen und Sabine Postel beim konfusen Finale des "Tatorts: Hochzeitsnacht". (Quelle: ARD)
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Komplette Katastrophe. Anders kann man die Inszenierung des gestrigen Bremer "Tatorts: Hochzeitsnacht" nicht bezeichnen. Dieser Krimi hatte in Sachen Dramatik, Nervenkitzel oder ausgeklügelter Polizeiarbeit rein gar nichts zu bieten. Mühsam und angestrengt zog er sich spannungsfrei dahin und noch nicht einmal das wiederholte Abtauchen ins Slapstickhafte erhöhte den Unterhaltungswert der Geschichte.

Dabei fing alles ganz vielversprechend an: Kommissar Stedefreund (Oliver Mommsen) ist zu Gast bei einer Hochzeit, Kollegin Inga Lürsen (Sabine Postel) begleitet ihn. Die ausgelassene Stimmung der Partygäste auf einem großen Gasthof tief in der Bremer Provinz gerät jedoch unversehens ins Taumeln, als zwei maskierte und bewaffnete Gangster die Feier brutal überfallen. Doch so böse scheinen die Bösen gar nicht zu sein: Gangster Wolf (Denis Moschitto), der sich ziemlich schnell zu erkennen gibt, ist ein guter Bekannter der Hochzeitsgesellschaft.

Er saß offenbar neun Jahre unschuldig im Gefängnis und möchte nun herausfinden, wer damals seine Freundin Carola tatsächlich umgebracht hat. Den Täter vermutet er unter den Hochzeitsgästen. Es beginnt ein Verhörmarathon, bei dem Wolf versucht, im Gespräch mit einzelnen Gästen Licht ins Dunkel der unrühmlichen Vergangenheit zu bringen. Unterstützt wird er dabei von Kommissarin Lürsen, die sich einerseits als mütterliche Verbündete aufspielt, gleichzeitig aber Sätze sagt wie: "Ich habe nie gesagt, dass Sie mir vertrauen sollen."

Gute Idee, hanebüchene Umsetzung

Die Idee, ein Geiseldrama als Kammerspiel zu inszenieren, ist eigentlich gut. Da hätte man viel mit eindringlichen Bildern arbeiten können, hätte die Enge, die Ausweglosigkeit, die schockierende Brutalität, mit der hier Glück in Entsetzen verwandelt wird, und die zunehmende Panik der eingeschlossenen Gäste stimmungsvoll inszenieren können.

Im Spiel einzelner Personen hat das ansatzweise sogar funktioniert: Die Verstörtheit der Mutter der toten Carola wirkte im Angesicht des vermeintlichen Mörders sehr glaubhaft, die unterdrückte Wut des Vaters genauso. Wunderbar auch die eingefangenen Bilder der moorigen Landschaft außerhalb des Gasthauses, mit vernebeltem Mond, geisterhafter Dunkelheit und platten Feldern, die sich ins Nichts verlieren.

Noch nicht einmal solide Krimikost

Doch im Großen und Ganzen hat es an einer ordentlichen Story-Umsetzung bei diesem 26. Bremer Tatort gehapert. Regisseur Florian Baxmeyer, der mit "Hochzeitsnacht" bereits den vierten Tatort für Radio Bremen inszeniert, und Drehbuchautor Jochen Greve schienen überfordert damit, die große Menge der Leute unter Kontrolle zu halten. Wenn 50 Leute gleichzeitig betroffen oder entsetzt gucken sollen, büxt immer einer aus.

Es fehlte generell an Spannung und überraschenden Wendungen, jedoch auch filmhandwerklich an trickreicher Montage oder musikalischer Begleitung. Auch wenn es jeglicher Logik entbehrte, musste da schon mal Kommissarin Lürsen völlig unmotiviert in einen Kühlraum gesperrt werden, oder ein plötzliches Feuer in der Küche die Panik der Gäste künstlich anheizen, um kurze Spannungsmomente aufkommen zu lassen.

Die meisten Dialoge wirkten blutleer und hilflos dahingesagt, und wenn dann für Sekunden doch einmal so etwas wie Dramatik aufkam, wurde diese oft durch unpassende Komik im Keim erstickt.

Überfrachtet mit Jux und Tollerei

In diese Richtung geht auch die Darstellung von Oliver Mommsen, der als Kommissar Stedefreund zum Zeitpunkt des Überfalls mit Hund Paul Gassi geht, also nicht im Saal ist. Er versucht, mit allen Mitteln, den Eingeschlossenen zu helfen, doch das Ganze entwickelt sich zur Farce: Der Terrier haut ab, Stedefreund fällt bei der Verfolgungsjagd ins Wasser, verliert seine Hose und verläuft sich. Dann hat sein Handy kein Netz, der Autoschlüssel ist futsch, die einzige Telefonzelle im Dorf ist kaputt, und eine seltsame Alte (ein kleines Highlight: Barbara Nüsse) bedroht ihn mit einem Gewehr.

Was zu Beginn noch für einen Schmunzler gesorgt haben mag, ging irgendwann nach hinten los. Zu viel, zu dick aufgetragen. Es schien, als habe man hier auf Biegen und Brechen den Tatort-Kollegen aus Münster in Sachen Witz den Rang ablaufen wollen. Ohne Erfolg.

Fremdschämen am Schluss

Der Fall gipfelt in einem showdown-artigen Finale an der frischen Luft, bei dem der wahre Täter in lächerlicher Stellung an einen Baum gefesselt seine Strafe erwartet. Szenen, die dem Zuschauer, der es bis dahin vor dem Bildschirm ausgehalten hat, die Fremdschäm-Röte ins Gesicht treibt. Nicht nur die Bremer Beamten bleiben fassungslos zurück. 15 Jahre Bremer Tatort: Man hätte Lürsen und Stedefreund ein gebührenderes Jubiläum gewünscht.

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