Tatort "Tatort: Der Tote im Nachtzug": Echte Story, grandiose Kommissare
Was für ein rundum gelungener "Tatort": Der zweite Frankfurter Fall "Der Tote im Nachtzug" knüpfte genau da an, wo der erste Fall geendet hatte - und das nicht nur im dramaturgischen Sinne. Zwar erholt sich Kommissar Steier (Joachim Król) gerade von seiner Stichverletzung, die er sich im letzten Fall zugezogen hatte, und er und seine neue Kollegin Conny Mey (Nina Kunzendorf) setzen ihre vorsichtige und konfliktreiche Annäherung aus dem ersten Krimi fort. Doch vor allem werden die beiden Fälle des Frankfurter Duos durch die Tatsache verbunden, dass sie anders sind als der übliche "Tatort". Frischer, frecher, unverbrauchter und direkter. Die beiden Kommissare bilden einfach ein grandioses Gespann und vor allem Nina Kunzendorf bringt als Ermittlerin mit Vorliebe für kurze Röcke, pink lackierte Fingernägel und tiefdekolletierte Tops frischen Wind in den "Tatort" - und hebt sich wohltuend von ihren Kolleginnen aus anderen Städten ab.
Doch nicht nur die Hauptdarsteller überzeugen, sondern auch der Fall selbst. Endlich einmal gibt es eine Aufklärung, die überrascht, aber dennoch plausibel ist und sich logisch aus dem Vorhergehenden ergibt. Endlich einmal ist der "Tatort" nicht nur darauf bedacht, ein Milieu auszuleuchten und Sozialkritik anzubringen, sondern widmet sich gesellschaftskritischen Themen en passant und dennoch eindringlich, ohne dass die Spannung oder der Fall darunter leiden. Vielleicht liegt die Überzeugungskraft dieses "Tatortes" auch daran, dass das Drehbuch von Lars Kraume auf einem authentischen Fall basiert, den der Kriminalkommissar und Tatort- Analytiker Axel Petermann in dem Buch "Auf der Spur des Bösen" beschreibt.
Feldjäger mischen sich in Ermittlungen ein
Und darum ging es in dem Frankfurter "Tatort": Im Nachtzug aus Warschau wird die blutüberströmte Leiche von Rüdiger Lange gefunden, der eine Schusswunde in der Brust hat. Zunächst sieht alles nach einem Raubmord aus. Zugpassagier Stanislav Kilic (Jevgenij Sitochin) macht sich verdächtig, als er vor der Polizei vom Tatort flieht - und der Verdacht wird noch größer, als die Kommissare herausfinden, dass Kilic und Lange sich kannten. Beide waren zusammen in Afghanistan, wo Lange als Sanitäter bei der Bundeswehr arbeitete, aber wegen Medikamentenmissbrauchs unehrenhaft entlassen wurde. Kaum sind Steier und Mey auf diese Spur gelangt, mischen sich plötzlich auch noch die Feldjäger um Militärpolizist Thomsen (Benno Fürmann) in die Ermittlungen ein, die ebenfalls großes Interesse an dem Verdächtigen Kilic haben.
Mehr mit sich selbst als mit dem Fall beschäftigt
Im Prinzip gibt es in diesem "Tatort" mit Stanislav Kilic nur einen Verdächtigen - und trotzdem ist dieser Krimi weitaus unterhaltsamer als viele andere "Tatorte", die einen Verdächtigen nach dem anderen aus dem Hut zaubern. Dies liegt jedoch auch daran, dass das Frankfurter Ermittlerteam weniger mit dem Fall als vielmehr mit sich selbst beschäftigt ist. Kommissar Steier kämpft nach seiner Verletzung mit Panikattacken, hat zudem ein gravierendes Alkoholproblem und tut sich auch weiterhin mit der offenen und aufreizenden Art seiner neuen Kollegin schwer. Doch nach einer Weile in Conny Meys Gegenwart taut selbst der brummige Steier etwas auf - und bei der Nachstellung des Tathergangs in einem Schlafwagenabteil kommen sich die Kollegen sogar ziemlich nahe und es knistert spürbar.
"Gehen Sie mit mir ins Bett?"
Ins Bett steigt Conny Mey dann jedoch lieber mit dem Militärpolizisten Thomsen und verbindet hierbei Arbeit und Vergnügen. Denn eigentlich trifft sie sich mit Thomsen, um ein paar Informationen über den Fall aus ihm herauszulocken. Doch als der Militärpolizist sie beim Abendessen im Burgerrestaurant unverblümt fragt: "Gehen Sie mit mir ins Bett?", antwortet die Kommissarin schlicht: "Zahlen, bitte!" und schon sind die beiden auf dem Weg in ihre Wohnung, wo Mey dann noch vor dem Verkehr die gewünschten Informationen erhält. Und ganz ehrlich: Meys Verhalten verwundert einen nicht - schon im letzten "Tatort" konnte man erkennen, dass sie eine Frau ist, die aus jeder Pore Sex-Appeal ausstrahlt und mit ihrer Sexualität ganz offen umgeht.
Dieses Duo wird noch viele unterhaltsame "Tatorte" liefern
Auch im Gespräch mit ihrem Kollegen nimmt die kesse Kommissarin kein Blatt vor den Mund. Als Steier sie später fragt, warum der Militärpolizist ihr plötzlich so vertraut, antwortet Mey trocken: "Ich hab ihm einen geblasen" und kann gar nicht verstehen, warum ihr Kollege sich plötzlich vor Empörung aufplustert. Doch am Ende des Falles raufen sich die beiden zusammen und zeigen wahrhaft menschliche Größe. Man ahnt schon jetzt: Dieses Duo wird uns noch viele unterhaltsame "Tatorte" liefern. Hoffentlich läuft schon bald der nächste Fall aus Frankfurt!