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Conchita Wurst im Interview: "Es wurde Zeit für die Ehe für alle"


t-online.de-Interview
"Ehe für alle": Was Conchita Wurst Angela Merkel sagen würde

Von t-online
Aktualisiert am 27.07.2015Lesedauer: 4 Min.
Conchita Wurst reist um die Welt und setzt sich für Toleranz ein.Vergrößern des Bildes
Conchita Wurst reist um die Welt und setzt sich für Toleranz ein. (Quelle: dpa-bilder)

Conchita Wurst

Im Interview mit t-online.de spricht die Dragqueen über die "Ehe für alle", den angeblichen Zoff mit Andreas Gabalier und eine mögliche Rückkehr zum Eurovision Song Contest.

t-online.de: Die "Ehe für alle" ist zur Zeit in aller Munde. Was sagen Sie zu dieser Debatte?

Conchita Wurst: Es wurde Zeit. Ich verstehe sowieso das ganze Problem nicht, warum die Gleichstellung nicht schon vor Hunderten von Jahren geschehen ist. Aber gerade die Öffnung der Ehe in den USA hat die LGBT Community (die englische Abkürzung für die Gemeinschaft von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender, Anmerkung der Redaktion) auf dem ganzen Globus gefeiert. Das ist ein unfassbar wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und dadurch gab es auch ein bisschen Druck auf andere Länder. Auch in Österreich und Deutschland hat sich die Diskussion verstärkt. Das finde ich ganz toll.

Dennoch lehnen viele Konservative die sogenannte Homo-Ehe noch immer ab.

Das ist alles nur Nicht-Wissen, das zu Angst wird. Letztlich geht es nur darum, zu lieben. Und am Ende des Tages machen wir, auf die Gesamtbevölkerung gesehen, ungefähr zehn Prozent aus. Dass man vor dieser Community so große Angst hat, dass ständig darüber diskutiert werden muss, ist mir einfach ein Rätsel. Wenn wir heiraten dürfen, ändert sich nichts für die heterosexuelle Welt.

Haben Sie denn schon mal Angela Merkel getroffen?

Nein.

Sie hat sich ja klar gegen die "Ehe für alle" positioniert. Was würden Sie ihr sagen wollen?

Ich würde ihr genau das sagen: Egal, welche Argumentation sie bringt – ich habe ein Gegenargument. Wenn wir die Wirtschaftlichkeit betrachten, dass homosexuelle Paare ja keine Fortpflanzungsmöglichkeiten haben: Was ist dann mit den heterosexuellen Pärchen, die sich dazu entschließen, keine Kinder zu bekommen? Ich würde ihr sagen, dass sich nichts ändern würde. Außer dass es einen Haufen mehr glücklichere Menschen gibt.

Sie haben schon viele Orte bereist. Wo ist die Toleranz denn am größten und wo gibt es noch viel zu tun?

Es ist wirklich ganz schwer, Grenzen abzustecken. Stockholm hat beispielsweise das Image, sehr offen, liberal und tolerant zu sein. So ist es wahrscheinlich auch. Aber ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass es auch dort Ecken gibt, wo man mich nicht so gerne sehen möchte.

Sie bringen mit "Firestorm / Colours Of Your Love" bald eine neue Single raus. Sehen Sie sich denn selbst vor allem als Sängerin oder doch eher als Aktivistin?

Ich sehe mich als Künstlerin. Was auch immer das beinhaltet. Singen ist die Liebe meines Lebens. Ich liebe es aber auch, Mode zu machen und kreativ zu sein. Und ich habe das Privileg, genau damit auch meinen Lebensunterhalt finanzieren zu dürfen.

Das Singen stand nach dem Sieg beim ESC 2014 aber erst mal hinten an. Ihr Album "Conchita" kam erst in diesem Jahr auf den Markt. War das so geplant?

Ich habe selten einen Plan. Als sich zeigte, dass dieses Album fertig wird, haben wir natürlich alle auf den Eurovision in Wien hingearbeitet. Ich mache Dinge nur zu 100 Prozent. Und wenn sie nicht passen, passen sie nicht und dann wird auch nichts veröffentlicht.

Zuletzt war zu lesen, dass es zwischen Ihnen und Andreas Gabalier Zoff gibt. Angeblich hat er Ihnen sogar den Handschlag verweigert. Stimmt das?

Das ist absoluter Schwachsinn. Andreas und ich haben ein sehr höfliches und freundliches Verhältnis. Natürlich kann man sich auch vorstellen, dass ich vielen seiner Statements eher kritisch gegenüberstehe. Aber wie ich ihn kennengelernt habe, glaube ich, dass er manchmal aus dem Affekt heraus antwortet. Da wünsche ich mir, dass er vorher nachdenkt. Ich bin mir sicher, dass er sich im Nachhinein denkt: Hätte ich das doch anders gesagt.

Die Figur "Conchita Wurst" besteht ja nun schon seit 2011. Hat sie sich im Laufe der Zeit verändert?

Ja, sie verändert sich ständig. Weil ich ein Mensch bin, der sehr gerne aus seiner Komfortzone tritt. Ich will mich weiterentwickeln, ich will lernen und ich will Dinge ausprobieren. Und wenn sich die Privatperson verändert, verändert sich natürlich auch die Kunstfigur.

Welche Veränderungen sind das?

Als ich angefangen habe, war ich eher eine Comedy-Dragqueen. Damals dachte ich, ich hätte mich von allen Zwängen befreit und wäre jetzt die Person, die ich sein möchte. Dabei habe ich mich aber auch wieder in ein Korsett pressen lassen. Weil ich dachte, als Dragqueen musst du lustig sein und auf Kosten anderer Witze machen. Das bin ich aber nicht, das entspricht einfach nicht meinem Naturell.

Ist das Kapitel Eurovision mit der großen Show in Wien für Sie abgeschlossen oder können Sie sich vorstellen, noch mal dort aufzutreten?

Ich wäre zutiefst beleidigt, wenn ich nicht irgendwie noch weitermachen darf. Ich bin ein riesiger Eurovision-Fan, das war ich schon immer. Und jetzt natürlich noch ein Stückchen mehr, wie man sich vorstellen kann. Kandidieren werde ich aber nie wieder.

Warum nicht?

Ich habe gewonnen, was will ich denn noch?

Noch mal gewinnen?

Dann müsste ich mit einer höheren Punktezahl gewinnen als 2014. Denn das wäre dann mein Anspruch. Und ich enttäusche mich wahnsinnig ungern selbst. Nein, das mache ich nicht. Das war bisher der größte Meilenstein meiner Karriere und so möchte ich ihn auch in Erinnerung behalten.

Das Interview führte Sonja Riegel.

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