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Martin Schmitt: Dieser Deutsche kann die Vierschanzentournee gewinnen


Skisprung-Legende
Martin Schmitt: Dieser Deutsche kann die Vierschanzentournee gewinnen

InterviewEin Interview von Tobias Ruf

Aktualisiert am 28.12.2018Lesedauer: 6 Min.
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Martin Schmitt gehörte jahrelang zur Weltspitze im Skispringen. Heute ist der Gesamtweltcupsieger, Olympiasieger und Weltmeister u.a. als TV-Experte für Eurosport aktiv.Vergrößern des Bildes
Martin Schmitt gehörte jahrelang zur Weltspitze im Skispringen. Heute ist der Gesamtweltcupsieger, Olympiasieger und Weltmeister u.a. als TV-Experte für Eurosport aktiv. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)

Der ehemalige Weltklassespringer und heutige Experte Martin Schmitt blickt optimistisch auf die Vierschanzentournee. Er traut den deutschen Adlern einiges zu und spricht über seine Favoriten auf die Gesamtwertung.

Mit der Qualifikation zum Auftaktspringen in Oberstdorf beginnt am 29. Dezember die Vierschanzentournee 2018/19. Der ehemalige Weltklassespringer und heutige Experte Martin Schmitt spricht im Interview über die Form der deutschen Adler und die internationale Konkurrenz. Dabei hat er gleich mehrere Springer auf der Rechnung, wenn es um die Gesamtwertung geht.

Herr Schmitt, Karl Geiger hat in Engelberg seinen ersten Weltcup-Sieg gefeiert. Was bedeutet das im Hinblick auf die Vierschanzentournee?

Martin Schmitt (40): Ein Sieg hilft immer, für Karl war das ein wichtiges Erlebnis. Er hat sich in den letzten Jahren permanent gesteigert und in dieser Saison einen großen Schritt nach vorne gemacht. Flugtechnisch hat er große Fortschritte gemacht, zudem wirkt er mental unheimlich stark und gefestigt. In dieser Form zählt Karl zum Favoritenkreis auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Wichtig dabei ist, dass er in Oberstdorf gut reinkommt.

Apropos Oberstdorf. In Geigers Heimatort findet das Auftaktspringen statt. Sie selbst haben dort dreimal gewonnen. Wie fühlt es sich an, oben auf dem Balken zu sitzen während einem im Ziel über 25.000 euphorische Fans zujubeln?

Es ist sehr laut oben auf dem Balken, die Stimmung kommt richtig rüber. Wenn man dann angekündigt wird und das ganze Stadion ruft deinen Namen, ist das ein ganz besonderes Gefühl. Mich hat das beflügelt. Ich hoffe, bei Karl ist das auch der Fall.

Neben Geiger hat auch Stephan Leyhe in dieser Saison überzeugt. Was trauen sie ihm zu?

Stephan hat sich ähnlich wie Karl sehr gut entwickelt. Gerade im flugtechnischen Bereich hat auch er zulegen können, die Ergebnisse in dieser Saison spiegeln das wieder. Bis ganz nach vorne fehlt noch der letzte Schritt. Den kann man im Skispringen aber nicht erzwingen, das würde auch nicht Stephans Charakter entsprechen. Er wird in Ruhe weiterarbeiten und dann sehen, was bei der Tournee möglich ist.


Andreas Wellingers Form hingegen ist sehr schwankend. Aber der Olympiasieger kann sich sehr gut auf Highlights fokussieren. Auch auf die Tournee?

Andi war bei den letzten Wettkämpfen etwas weit weg von der Weltspitze, daher ist die Ausgangssituation nicht ideal. Um in der Gesamtwertung eine Rolle zu spielen, muss wirklich alles zusammenpassen. Er war in dieser Saison aber auch schon auf dem Podest, das zeigt sein Potential. Die mentale Stärke und die Klasse für eine erfolgreiche Tournee hat er.

Bei Richard Freitag läuft es in dieser Saison so gar nicht…

Das ist sehr ärgerlich. Richard war im Herbst gut in Form, ist dann aber nicht gut in die Saison gestartet. In Engelberg hatte er ein starkes Training mit zwei 2. Plätzen und auch im Probedurchgang am Samstag hat er einen richtig guten Sprung gezeigt. Den hat er dann etwas zu früh abgebrochen und sich bei der Landung wieder an der Hüfte verletzt. Er war auf einem guten Weg, aber dieses Erlebnis macht es für ihn natürlich nicht leichter. Ich hoffe, er findet schnell wieder die Sicherheit speziell bei Landungen im hohen Weitenbereich.


Markus Eisenbichler gilt als Trainingsweltmeister. In den Wettkämpfen kann er das aber nur selten bestätigen. Warum?

Das ist schwer zu erklären, jeder Springer tickt da unterschiedlich. Markus hat großes Potenzial, das steht außer Frage. Er ist sehr ehrgeizig und hat in manchen Situationen vielleicht noch nicht die nötige Ruhe und das Vertrauen. Man hat den Eindruck, er lässt die Sprünge dann nicht laufen und will die Dinge zu sehr kontrollieren. Das ist im Skispringen aber kontraproduktiv. Er hatte einen guten zweiten Wettkampf in Engelberg, da hat er angedeutet, was er drauf hat. Ihm wäre zu wünschen, dass er gleich zu Beginn ein richtig gutes Ergebnis hinlegt. Das kann auf ihn sehr befreiend wirken. Am ehesten traue ich ihm das in Garmisch zu. Die Schanze kommt ihm entgegen. Dort gehört er zu den Sieganwärtern.

Wie beurteilen Sie Severin Freunds Leistungsstand im Hinblick auf die Tournee?

Severin hat fast zwei Jahre verletzungsbedingt pausieren müssen. Ihm wird es nicht um die Gesamtwertung gehen. Er wird jedes einzelne Springen als Weltcup ansehen und dabei versuchen, weiter an sich zu arbeiten. Ihm unterlaufen derzeit noch zu viele Fehler. Aber er bringt nach wie vor noch alle Fähigkeiten mit, die es fürs Skispringen braucht. Dass ihm noch Sicherheit und Konstanz fehlen, ist nach dieser langen Pause aber auch ganz normal.

Der derzeitige Dominator im Weltcup heißt Ryoyu Kobayashi. Ist er auch der Topfavorit auf den Tourneesieg?

Wenn er die Form aus dem Weltcup in die Tournee transportieren kann, ist er das. Mit seinen besten Sprüngen ist Kobayashi der Konkurrenz derzeit überlegen. Aber auch er hat im Laufe der Saison schon schwächere Sprünge gehabt und die Tournee ist eine ganz eigene Veranstaltung mit hoher mentaler und physischer Belastung. Ich war in der Saison 1999/00 in einer ähnlichen Situation. Vor der Tournee lief es super, ich hatte drei Springen gewonnen und war zweimal Zweiter geworden. In Oberstdorf habe ich dann das Auftaktspringen gewonnen, bin aber in Garmisch nicht klargekommen und nur Elfter geworden. Das und ein überragender Andreas Widhölzl haben mich damals den Tourneesieg gekostet und gezeigt, dass man sich bei der Tournee keinen schlechten Wettkampf leisten darf.

Ist Kobayashi sogar der Grand-Slam, also der Sieg auf allen vier Schanzen, zuzutrauen?

Ausgeschlossen ist das nicht, ich kann es mir aber nur schwer vorstellen. Wie bereits gesagt, auch er hat mal Ausreißer nach unten und die Konkurrenz ist sehr stark. Das darf man sich für einen möglichen Grand-Slam nicht erlauben. Bisher haben es nur zwei Springer in der langen Geschichte der Vierschanzentournee geschafft, daher ist es nicht sehr wahrscheinlich.

Im Vorjahr ist Kamil Stoch eben jener Grand-Slam gelungen. Was trauen Sie ihm in diesem Jahr zu?

Kamil gehört natürlich zu den Favoriten um den Gesamtsieg. Er hat die Tournee in den letzten beiden Jahren gewonnen, weiß also genau, was zu tun ist. Zudem verfügt er über eine enorme Klasse und kann auch unter schwierigsten Bedingungen seine Leistung abrufen. Es wird nicht leicht für ihn, die Konkurrenz in diesem Jahr ist sehr stark. Auch aus dem eigenen Lager.

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Wen meinen Sie da?

Piotr Zyla ist in einer super Form, ist sehr konstant, war in dieser Saison nur zwei mal nicht auf dem Podest. Er ist extrem absprungstark, da kommen ihm gerade die Schanzen in Oberstdorf und Innsbruck sehr entgegen.

Was ist mit den Norwegern?

Johann Andre Forfang braucht noch mehr Sicherheit in seinen Sprüngen. Seine Klasse stellt er immer wieder unter Beweis, aber er ist nicht konstant genug. Wenn er sich stabilisiert, kann er durchaus eine Rolle spielen. Robert Johansson hat einen extremen Sprungstil, der aber nicht überall funktioniert, daher sehe ich ihn eher nicht ganz vorne in der Gesamtwertung. Bei Daniel-André Tande muss man abwarten, wie er in den Weltcup zurückkehrt. Er hatte eine schwierige Vorbereitung mit einer längeren krankheitsbedingten Pause. Auf den Weltcup in Engelberg hat er verzichtet, um sich gezielt vorzubereiten. Tande liegen die Schanzen, aber auch er braucht einen guten Start in Oberstdorf um Selbstvertrauen aufzubauen. Wenn das gelingt, könnte er eine Überraschung werden.

Was erwarten Sie von Stefan Kraft?

Stefan gehört nach wie vor zu den besten Springern der Welt. Aber die Ausgangslage ist nicht leicht. Er war zuletzt noch nicht an seinem Optimum und die Rahmenbedingungen sind nicht günstig. In Österreich ist die Erwartungshaltung traditionell sehr hoch. Der Druck lastet dabei hauptsächlich auf ihm.

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