"Ich weiß, dass sie alle hassen" Durchsichtige Hosen und neue Trikots – Ärger im Baseball
Unterhält man sich dieser Tage in den USA über Baseball, geht es in erster Linie nicht unbedingt um den Sport an sich. Der Grund: neue Trikots und durchsichtige Hosen.
Es zwickt und zwackt, gut schaut's auch nicht aus. Für gewöhnlich geht es im "Spring Training" der 30 Mannschaften der Major League Baseball (MLB) um sportliche Fragen wie: Wann schlägt der 700-Millionen-Mann Shohei Ohtani seinen ersten Homerun? Verstärkt sich mein Team noch? Wer bekommt auf den letzten Drücker noch einen Mega-Vertrag?
Weil aber nichts so bleibt, wie es immer war, beschäftigen sich Spieler und Fans vor dem Saisonstart Ende März derzeit in zunehmend erregtem Maße mit einer modischen Komponente. Der Exklusiv-Ausrüster der Liga hat neuartige "uniforms", also die aus verschiedenen Oberteilen und Hosen bestehende Spielkleidung produzieren lassen – und steht nun heftig in der Kritik: Die Trikots sähen eher aus wie minderwertige Fanartikel, die Hosen passten oft nicht und seien zu dünn.
Trikot kostet über 400 Dollar
Dabei hatte Sportartikel-Riese Nike, der die 30 Klubs seit 2020 zum Preis von einer Milliarde Dollar für zehn Jahre exklusiv und mit einem Kooperationspartner ausstattet, die neuen Trikots vollmundig beworben. "Atmungsaktives, leichtes und leistungsstarkes Material" sei verwendet worden. "25 Prozent mehr Dehnbarkeit" und "feuchtigkeitsableitende Technologie" sollten noch mehr Tragekomfort schaffen.
Jahrelang hatte Nike laut eigener Aussage an den Trikots gearbeitet und dabei sogar mit "modernster digitaler Technologie" mehr als 300 Spieler gescannt, "um die ideale Passform zu finden, die athletischer und figurbetonter ist als die des Vorgängermodells". Das Resultat: Ein Trikot, das 430 Dollar pro Stück kostet.
"Ich weiß, dass sie alle hassen"
Doch in der Praxis läuft es wohl nicht so, wie Nike sich das vorgestellt hatte. An kritischen Stimmen seitens der Spieler mangelt es jedenfalls nicht. "Ich weiß, dass alle sie hassen", sagte zum Beispiel Trea Turner von den Philadelphia Phillies. Taylor Ward von den Los Angeles Angels kritisierte laut "The Athletic", dass das Trikot nicht aussehe wie ein 450-Dollar-Shirt, sondern wie die Kopie eines Originaltrikots. "Es fühl sich irgendwie wie Papier an", so Ward. Sein Urteil: "Daumen runter."
Für Nike ist die Sache sehr unangenehm. Schon 2020 gab es Ärger mit den traditionsbewussten Fans, weil auf den Spielertrikots und den Fanartikeln plötzlich erstmals das Firmen-Emblem des Herstellers zu sehen war. Und nun kommen die Trikots eher daher wie schnell gefertigte Massenware. Das Unternehmen versuchte die Kritik einzufangen, indem es Statements von Spielern veröffentlichte, die das neue Trikot lobten. Diese hatten jedoch allesamt persönliche Sponsorenverträge mit Nike und kamen deshalb recht unglaubwürdig daher.
Fans beschweren sich über Replika
Auch bei den Fans erregt das neue Modell Ärger. Wer nämlich keine 450 Dollar für ein Original-Trikot ausgeben möchte, kann sich auch ein Replika-Modell zulegen. Das kostet jedoch je nach Modell ebenfalls zwischen 100 und 200 Dollar – und kommt bei den Fans auch nicht besser weg als die Originale. Ein Fan kritisierte die Trikots in einem viel geteilten Post auf der Plattform X als "absoluten Müll" und sagt: "Es ist billig. Es ist faul. Ehrlich gesagt, es ist peinlich. Ich würde mich unwohl fühlen, wenn ich so etwas in der Öffentlichkeit tragen würde, aber das ist nur meine Meinung."
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Ein gefundenes Fressen für alle großen US-Medien ist aber vor allem die Kritik der Spieler und Betreuer an den zumeist langen Hosen: Sie können nur aus drei Standardmodellen mit jeweils fünf verschiedenen Taillengrößen wählen, offensichtlich viel zu wenig. Einige Klubs haben noch gar keine Lieferung erhalten. Auch die mächtige Spielergewerkschaft MLBPA hat sich mittlerweile eingeschaltet. "Die Hosen", teilte ihr Chef Tony Clark mit, erregten "allgemeine Besorgnis". Hinzu kommt, dass die Hosen teils durchsichtig erscheinen. In die Hose gesteckte Trikots oder Unterziehhosen sind teils deutlich zu sehen.
Liga-Boss gibt sich gelassen
In der Vergangenheit erhielten die Klubs die Ausrüstung pünktlich zu Beginn des "Spring Trainings", danach konnten sich die Spieler die Hosen noch individuell anpassen lassen. Und nun? Die Ligaleitung und der Ausrüster beeilten sich mitzuteilen, dass sie sorgfältig gearbeitet hätten und etwaige Probleme schnell zu beheben seien.
MLB-Boss Rob Manfred glaubt sogar, dass jede Änderung in dem konservativen Sport zunächst Kritik auslöst. Seiner Meinung nach werden sich die Spieler an die neuen Trikots gewöhnen: "Ich denke, wenn die Leute sie eine Zeit lang getragen haben, werden sie sehr beliebt sein." Tony Clark von der Spielergewerkschaft möchte sich dennoch bis zum Saisonstart in etwa einem Monat für Änderungen einsetzen. Klagen werden darüber wohl nicht alle. So sieht es Mookie Betts von den Los Angeles Dodgers etwa ganz pragmatisch: "Wenn wir uns über Uniformen Gedanken machen, ist mir das völlig egal, solange ich eine anhabe."
- spiegel.de: "Wie durchsichtig ist diese Hose?" (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur SID