Erster Deutscher Super-Bowl-Gewinner Sebastian Vollmer schreibt Sportgeschichte
Aus Glendale/Arizona berichtet Patrick Brandenburg
Am Ende sind die großen Sieger zu müde zum Feiern. Sebastian Vollmer und seine New England Patriots entern geschafft die Umkleidekabine tief im Bauch des "University of Phoenix"-Stadions in Glendale. Völlig entkräftet und zu keiner Triumphgeste mehr fähig. "Ich muss eben noch duschen, dann bin ich bei euch", sagt der Offensivspieler des frisch gebackenen Super-Bowl-Siegers aus Boston cool und unprätentiös.
Dass er beim dramatischen 28:24-Sieg über Titelverteidiger Seattle Seahawks Sportgeschichte geschrieben hat, ist dem 30-Jährigen gerade herzlich egal. Dabei ist er der erste Deutsche, der das wichtigste Finale im American Football gewonnen hat.
"Ob nun als Deutscher, oder als Amerikaner - das macht für mich wirklich keinen Unterschied", sagt Vollmer. Inzwischen in blauer Stoffhose und weißem Hemd, die letzten von unzähligen Tapeverbänden kratzt er sich von den geschundenen Händen. Bis zu Socken und Schuhen schafft er es dann aber doch nicht mit der Rückkehr ins normale Leben.
Inzwischen wird der Offensiv-Spieler von einer wachsenden Gruppe Journalisten bedrängt, die auf jedes Wort heiß sind. Zwar gehört er im Team zu den stillen Helden, aber schließlich hat der 2,03-Meter-Riese eine wichtige, nicht zu unterschätzende Rolle. Er ist der Bodyguard von Superstar Tom Brady, der seinerseits in die Historie dieses Sports eingeht.
Vollmer ist Bradys Lebensversicherung
Vier Touchdowns hat der Posterboy des American Footballs beim Krimi in Arizona geworfen. Damit stellte der Quarterback gleich mehrere Rekorde auf: In Playoff-Spielen bringt er es nun auf 53 Pässe in die Endzone, 13 davon entfallen auf seine sechs Super-Bowl-Teilnahmen. Beides ist unerreicht, er zieht damit an Football-Legende Joe Montana vorbei. Außerdem hat Vollmers Chef nun nach 2002, 2004 und 2005 schon zum vierten Mal die begehrte Vince-Lombardi-Trophäe gewonnen, damit zieht er mit Montana gleich und auch mit Terry Bradshaw.
Möglich gemacht hat das auch sein Beschützer aus Nordrhein-Westfalen, der ihm den Rücken freihält gegen die Überfälle der gegnerischen Verteidigung. Ein einziges Mal kamen die Seahawks, ihres Zeichens die beste Defensive der Liga, zu Brady durch und rissen ihn zu Boden - und das auch nur über die linke Seite, für die Vollmer nicht zuständig ist.
Durch ein College-Stipendium in die NFL
Für den Deutschen findet mit dem Sieg in Glendale eine fast unglaubliche Karriere ihren Höhepunkt. Erst mit 14 entdeckte er seine Liebe zum Football, heuerte bei den Düsseldorf Panther an. Seitdem hat er sich mit einer Konsequenz weiterentwickelt, die einfach nur bewundernswert ist. Bei einem Einladungsspiel der Jugend-Nationalmannschaft fiel er US-Scouts auf und bekam 2004 ein Stipendium am College in Houston, 2009 wurde er von den Patriots verpflichtet und arbeitete sich in die Startelf vor.
Auch von Rückschlägen ließ sich der 145-Kilo-Koloss nie aufhalten. Ob das Verletzungen waren - die vergangene Saison verpasste er größtenteils aufgrund eines Beinbruchs. Oder sportliche Niederlagen: 2012 ging sein Super-Bowl-Debüt gegen die New York Giants daneben. Mit dem Sieg in der 49. Ausgabe des großen Finales hat die Nummer 76 der Patriots nun den Berliner Uwe von Schamann als besten Deutschen Footballspieler abgelöst. Letzterer stand 1983 und 1985 mit den Miami Dolphins in den Endspielen, verlor aber beide.
"Mir fehlen die Worte"
Noch kann Vollmer sein Glück kaum fassen. "Mir fehlen die Worte", sagte der stets ruhig und besonnen wirkende Riese aus dem Rheinland. Vermutlich muss der gewissenhafte, harte Arbeiter, dessen normaler Tag bei den Patriots um 5.30 Uhr mit dem Klingeln des Weckers startet und nach Training, Taktikschulung, Spielzugstudium und Regeneration nie vor 18 Uhr endet, auch das Finale noch nacharbeiten.
Denn das irre Ende in der Wüste Arizonas hat er überhaupt nicht richtig mitbekommen. Wie Seattle noch mal durch einen unglaublichen Fang bis dicht an die Endzone kam, und 20 Sekunden vor Schluss die riesengroße Chance auf den Sieg im Wortsinne wegwarf, weil das Trainerteam nicht auf das schlichte Erlaufen des Touchdowns setzte. "Wir haben uns draußen schon auf unseren möglichen nächsten Spielzug vorbereitet", sagt Vollmer, der aber immerhin zugab, so viel gesehen zu haben: "Das war richtig spannend und ging hin und her. So wie ein Super Bowl sein soll."