FIFA-Präsident vor dem Aus Schweizer Behörden ermitteln gegen Blatter
Joseph Blatter
Im Korruptionsskandal wird der Schweizer damit erstmals auch persönlich für die kriminellen Machenschaften in seinem Imperium juristisch zur Verantwortung gezogen. Eine Fortsetzung seiner Präsidentschaft bis zum geplanten Abtrittstermin 26. Februar 2016 erscheint undenkbar. Die Folgen für den Franzosen Platini, der als "Auskunftsperson" angehört wurde, und dessen Kandidatur für Blatters Nachfolge sind noch nicht abzusehen.
Strafverfahren wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung
"Die Bundesanwaltschaft der Schweiz hat gegen den Präsidenten der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ein Strafverfahren wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie - eventualiter - wegen Veruntreuung eröffnet", teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft in Sachen Blatter mit und gab mehrere Vorwürfe an.
Es bestehe der Verdacht, dass Blatter im September 2005 mit der Karibischen Fußball-Union (CFU) einen für die FIFA ungünstigen Vertrag abgeschlossen habe. Zudem soll er bei der Umsetzung des Vertrages "in Verletzung seiner Treuepflichten gegen die Interessen der FIFA" verstoßen und 2011 eine "treuwidrige Zahlung" an Platini geleistet haben. Die Höhe: Zwei Millionen Schweizer Franken.
Blatter-Anwalt weist erhobene Vorwürfe zurück
Unterdessen hat Blatters Anwalt die erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. "Wir sind zuversichtlich, dass die Schweizer Behörden zu dem Schluss kommen werden, dass dieser Vertrag ordnungsgemäß vorbereitet und verhandelt wurde", sagte Richard Cullen von der Kanzlei McGuireWoods, die Blatter vertritt, der New York Times: "Es hat zweifellos kein Missmanagement gegeben."
Platini als Zeuge befragt
Blatter wurde von Vertretern der Bundesanwaltschaft der Schweiz im Anschluss an die Sitzung der FIFA-Exekutive in Zürich als Beschuldigter einvernommen. Platini wurde gleichzeitig als Zeuge befragt. Die Bundesanwaltschaft führte zudem mit Unterstützung der Bundeskriminalpolizei (BKP) eine Hausdurchsuchung bei der FIFA in Zürich durch. Dabei wurde auch das Büro des FIFA-Präsidenten durchsucht und Datenmaterial sichergestellt.
Zuvor hatte die FIFA eine geplante Pressekonferenz mit Blatter ohne Angabe von Gründen platzen lassen. Es wäre das erste Mal seit der Suspendierung des FIFA-Generalsekretärs Jérôme Valcke und überhaupt das erste Mal seit über zwei Monaten gewesen, dass der taumelnde FIFA-Boss gesprochen hätte. Die FIFA hatte den Termin offiziell bestätigt.
FIFA sagt Pressekonferenz überraschend ab
Die Absage, die um 14.50 Uhr die Presse erreichte, kam völlig überraschend. Zuvor hatte der Weltverband die Fragerunde um eine Stunde verschoben - und die gut 15 Kamerateams weiter vom Eingang des Hauptgebäudes weg gebeten.
Der Generalsekretär Valcke war in der vergangenen Woche unter dem Verdacht der persönlichen Bereicherung beim Verkauf von WM-Tickets suspendiert worden. Über seinen Anwalt hatte der Franzose alle Anschuldigungen vehement zurückweisen lassen.
"Es ist ein laufendes Verfahren, hier gilt die Unschuldsvermutung", sagte Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der auch an der Exekutiv-Sitzung am Freitag teilnahm. "In der heutigen Exko-Sitzung ist das mit keiner Silbe erwähnt worden. Ich habe das FIFA-Gebäude in dem Glauben verlassen, dass sich Sepp Blatter in der angesetzten Pressekonferenz zur aktuellen Lage äußern wird. Erst später habe ich erfahren, dass durch die Schweizer Behörden ein Verfahren gegen ihn eröffnet worden ist. Die Nachricht macht mich fassungslos", erklärte Niersbach in einer schriftlich übermittelten Stellungnahme.
Ethikkommission zum Stillschweigen verpflichtet
Keine großen Fortschritte wurden auch für die Ethikkommission erzielt, die weiterhin zum Stillschweigen verpflichtet ist. Das Exko erklärte am Freitag zwar "grundsätzlich" seine Unterstützung, den entsprechenden Artikel 36 im Ethikcode zu lockern - das Gremium gab den Fall zur "Beratung" aber an die FIFA-Kommission für rechtliche Angelegenheiten weiter.
Wegen dieses Abschnitts im Ethikcode ist es den unabhängigen Ermittlern bislang verboten, zu laufenden Verfahren oder nicht rechtskräftigen Entscheidungen Stellung zu nehmen. Die Kommission mit dem deutschen Richter Hans-Joachim Eckert, der der rechtsprechenden Kammer vorsitzt, hatte zuletzt vehement eine Lockerung des Artikels 36 gefordert. Eine Entscheidung wird nun erst bei der nächsten Sitzung des Exkos im Dezembers fallen - sofern die FIFA überhaupt handlungsfähig sein wird, was mehr als fraglich ist.