Fußball international Vogel: "Der FC Bayern hat aktuell eine brillante Mannschaft"
Es dürfte kaum einen anderen Trainer auf der Welt geben, der auf einen solch fulminanten Karrierestart zurückblicken kann wie Heiko Vogel. Bei seiner ersten Station als Cheftrainer holte Vogel mit dem FC Basel gleich das Double aus Schweizer Meisterschaft und Pokalsieg. Außerdem führte er den Klub erstmals in der Vereinsgeschichte ins Achtelfinale der Champions League. Als es im Oktober 2012 nicht mehr ganz so rund lief, wurde er von den Basler-Bossen überraschend entlassen. Mittlerweile ist er wieder bereit, einen neuen Job anzutreten. Im Interview mit t-online.de spricht der 37-jährige Deutsche über seine Lehrzeit beim FC Bayern, die Champions League, Xherdan Shaqiris Karrierechancen, Pep Guardiola und verrät das Geheimnis des Erfolges mit dem FC Basel.
Das Interview führte Thomas Tamberg
Herr Vogel, Sie haben rund zehn Jahre als Nachwuchstrainer für den FC Bayern gearbeitet. Haben Sie beim 0:2 gegen Arsenal mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber mitgefiebert?
Natürlich! Und ich habe das Spiel auch nicht ganz so schlecht gesehen, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wurde. Die Bayern haben schon dominant gespielt. Aber das Salz in der Suppe, nämlich die Tore, haben sie nicht erzielt. Die hat dafür Arsenal zu einem günstigen Zeitpunkt gemacht. Man hat wieder einmal gesehen, dass man sich auf diesem Niveau keine Schwäche erlauben darf.
Jetzt trifft der FC Bayern auf Juventus Turin. Kein leichtes Los - oder?
Im Viertelfinale der Champions League gibt es keine leichten Gegner. Mit Juve kommt die dominierende Mannschaft Italiens. Conte lässt mit seinem 3-5-2 ein atypisches, aber interessantes System spielen. Dennoch wird sich Bayern auch aufgrund der größeren individuellen Qualität durchsetzen.
Die Bayern haben jetzt auch beim Tabellendritten Bayer Leverkusen gewonnen und spielen derzeit eine bärenstarke Saison. Haben Sie schon einmal eine solch starke Bayern-Mannschaft erlebt?
Bayern hat jedes Jahr ein sehr gutes Team, das um Titel mitspielt. Aber aktuell haben sie wirklich eine brillante Mannschaft. Bis zum Arsenal-Spiel haben sie keine Schwäche gezeigt, viele herausragende Spiele gemacht und auch mal schmutzige Siege eingefahren. Aber sie haben noch keinen Titel gewonnen. Die 2001er Mannschaft hat dagegen damals die Champions League gewonnen.
Sie haben lange mit Xherdan Shaqiri zusammengearbeitet. Was trauen Sie ihm in seiner Karriere zu?
Shaq ist ein außergewöhnlicher Spieler und bringt viel Talent für eine große Karriere mit. Ich habe ihn kennenlernen dürfen als selbstbewussten, neugierigen und geradlinigen Menschen, der mir durch sein Selbstverständnis, Fußball zu spielen, immer imponiert hat. Shaq hat sehr viel Gefühl für die Situation und sorgt mit seiner Kreativität für Überraschungsmomente.
Gegen Bayer Leverkusen durfte Sahqiri ran. Finden Sie nicht, dass er zu wenig Einsatzzeit bekommt?
Jeder Spieler benötigt Einsätze, aber man muss sich als Spieler bewusst sein, dass es keine Einsatzgarantien gibt. Schon gar nicht beim FC Bayern. Shaq ist noch sehr jung und sollte das Privileg genießen, beim diesem Verein spielen und lernen zu dürfen.
Glauben Sie, dass er eine Perspektive beim FC Bayern hat?
Bleibt Shaq geduldig, dann definitiv ja.
Was trauen Sie den Bayern in dieser Spielzeit zu?
Am Saisonende ist der ganz große Wurf möglich. Die Meisterschaft sollte dem FC Bayern bald auch rechnerisch nicht mehr zu nehmen sein und im Pokal haben sie mit Dortmund den Haupt-Konkurrenten selbst ausgeschaltet und sind daher Favorit. In der Champions League ist alles möglich. An einem guten Tag schlägt Bayern jeden. Am Ende könnte tatsächlich eine glorreiche Saison mit drei Titeln stehen.
Sie haben lange in der Nachwuchsabteilung des FC Bayern gearbeitet. Wie sehr hat Sie der Klub geprägt?
Mehr als ein Viertel meines Lebens habe ich beim FC Bayern gearbeitet, insofern prägt das einen Menschen. Es war eine wunderbare Zeit. Der FC Bayern wird immer einen Platz in meinem Herzen einnehmen. Ich habe im Jugendbereich als Trainer von der Pike auf fast alle Stationen durchlaufen und auch die unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Spielern miterlebt.
Der nächste Bayern-Trainer heißt Pep Guardiola. Was bedeutet sein Kommen für Fußball-Deutschland?
Da hat der FC Bayern einen Big Point gelandet. Aber es spricht nicht nur für den Klub, sondern auch für das Produkt Bundesliga und für den deutschen Vereinsfußball. Wir haben tolle Stadien mit einer tollen Infrastruktur und eine außergewöhnliche Fan-Kultur. Die Spiele sind fast immer ausverkauft. Es gibt quasi keine verschuldeten Vereine, im Vergleich zu so manchem Klub im Ausland. Insofern ist die Entscheidung von Pep Guardiola zum FC Bayern zu kommen auch eine große Wertschätzung für die Bundesliga.
Nicht nur die Bayern - auch ihr letzter Klub, der FC Basel, hat in der Europa League gegen St. Petersburg die nächste Runde erreicht. Überrascht?
Nein. Für mich ist es keine Überraschung, dass man in der Europa League in der Runde der besten Acht steht. Auch ich habe schon zu meiner Zeit beim FC Basel die Messlatte dahingehend angelegt, dass sich der Klub im internationalen Fußball etablieren muss. Und dass der FC Basel mithalten kann, hat man letzte Saison gesehen mit den Siegen gegen Manchester United und den FC Bayern.
Was trauen Sie dem FC Basel in dieser Saison zu? In der Europa League heißt der Gegner jetzt Tottenham.
National muss der FC Basel um die Titel mitspielen und diese auch heuer wieder verteidigen. Mit den Spurs kommt wieder ein starker Gegner, der im Gegensatz zu den letzten beiden Gegnern voll im Spielbetrieb ist. Es wird schwer, aber nicht unmöglich.
Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf die Zeit als Cheftrainer beim FC Basel zurück? Nach dem Double 2012 wurden Sie im Oktober entlassen. Überwiegt Groll oder Dankbarkeit?
Weder das eine noch das andere. Natürlich verfolge ich noch den Weg des Klubs. Ich habe meine Arbeit damals sehr erfolgreich gemacht. Ich weiß aber auch, dass es im Fußballgeschäft immer eine Gratwanderung ist. Glück und Pech, Erfolg und Misserfolg hängen eng miteinander zusammen. Entsprechend wird man als Trainer bei Erfolg gefeiert und man wird entlassen, wenn der Verein der Meinung ist, dass man weniger erfolgreich ist. Das ist systemimmanent. Aber ich blicke auf eine sehr schöne Zeit beim FC Basel zurück und möchte diese auch nicht missen.
Sie hatten beim FC Basel einen sensationellen Trainereinstand wie es nur ganz wenigen Trainern auf der Welt vorbehalten ist. In Ihrer ersten Saison als Cheftrainer haben Sie gleich das Double gewonnen und das CL-Achtelfinale erreicht. Was war damals das Besondere beim FC Basel?
Das Geheimnis war, dass sich damals alle Menschen im Verein nicht so wichtig genommen haben und alle Energien gebündelt haben, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Auch die Stars in der Mannschaft haben ihr eigenes Ego hintenangestellt. Das heißt nicht, dass es keine Hierarchie innerhalb der Truppe gab. Die war geklärt. Das Ganze war schon sehr harte Arbeit, auch mental. Aber die Mannschaft hat sich am Ende belohnt und ich durfte sie leiten, unterstützt von einem großartigen Trainerteam.
Seit Oktober sind Sie jetzt ohne Job. Waren Sie froh über die Pause? Oder kribbelt es längst schon wieder?
Froh ist man über so eine Pause nicht. Wenn, dann wählt man sich die Auszeit gerne selbst. Das war ja nicht der Fall. Basel ist aber für mich längst abgeschlossen. Es kribbelt definitiv wieder. Der Hunger auf neue Aufgaben ist da. Ich beschäftige mich den ganzen Tag mit Fußball, schaue mir Spiele an, denke über Spielsysteme nach. Aber der Fußball stand ohnehin immer im Vordergrund. Er ist mein Lebenselixier.
Jeder Trainer hat seine eigene Handschrift. Wie würden Sie den Spielstil beschreiben, den Sie am liebsten spielen lassen?
Die Spielanlage, die ich bevorzuge, ist auf Ballbesitz angelegt. Es gibt ein ganz einfaches Credo: Hat meine Mannschaft den Ball, kann der Gegner kein Tor erzielen und wir haben eher die Möglichkeit einen Treffer zu erzielen.
Sie sind mit 37 Jahren noch ein sehr junger Trainer, aber haben bereits mehr als 15 Jahre Trainererfahrung. Können Sie sich einen anderen Beruf überhaupt vorstellen?
Nein! Ich habe damals mit dem ersten Schritt auf den Fußballplatz beim FC Bayern als Assistenztrainer von Hermann Hummels bei der U15 gewusst, 'Junge du musst Gas geben, das ist der Job, der dein Leben erfüllt'. Deswegen habe ich alles investiert, was ich habe, um mich in diesem Beruf durchzusetzen.
Was sollte Ihnen Ihr zukünftiger Arbeitgeber bieten können?
Man kann es sich im Leben nicht immer aussuchen. Ich muss nicht zwingend um Titel mitspielen wie beim FC Basel. Wichtig ist, dass das Projekt spannend ist. Und da kann ich mir viele Dinge vorstellen. Es ist spannend ein Team aufzubauen, ebenso wie mit einer etablierten Mannschaft um Titel oder den Aufstieg mitzuspielen. Ich bin da sehr offen, es gibt viele Möglichkeiten und spannende Projekte. Letztendlich entscheidet auch das Zwischenmenschliche, ob eine Zusammenarbeit zustande kommt.
Sehen Sie sich eher in Deutschland, der Schweiz oder sogar in einem anderen Land auf der Trainerbank?
Gelungene Kommunikation ist für mich das Fundament für erfolgreiche Trainerarbeit. Von daher schließe ich gewisse Länder aus, weil ich die Sprache nicht spreche. Aber in allen deutsch- sowie englischsprachigen Ländern kann ich mir eine Trainertätigkeit sehr gut vorstellen. Aber wie gesagt: Man kann es sich im Leben nicht immer aussuchen. Wenn es nach mir ginge, würde ich gerne in Deutschland arbeiten.