Kommerz statt Gemeinnützigkeit Der DFB kassiert, die Amateurvereine leiden
Ein Mittwochabend im Juni in Köln. Das Länderspiel Deutschland gegen die USA dümpelte gerade vor sich hin, als sich der Stadionsprecher mal wieder an das Publikum wandte: Wie ein Marktschreier brüllte er seine Botschaft von einer "phantastischen Fußball-Kulisse" heraus und bedankte sich schließlich bei 40.348 Zuschauern. Es schien fast so, als glaubte der DFB-Mitarbeiter, er könne mit Hilfe der Lautstärke die Tatsache überdecken, dass der Weltmeister schon knapp ein Jahr nach dem großen Triumph von Rio nicht mehr richtig zieht. "Bei weitem nicht ausverkauft", lautete die eigentliche Nachricht hinter der nackten Zahl.
Das schöne Wetter machten die Verantwortlichen um Manager Oliver Bierhoff für die geringe Resonanz verantwortlich. Dass die Zuschauer Eintrittspreise zwischen 45 und 100 Euro zahlen mussten, ließen sie als Begründung aus.
Sponsorenshow statt Klassefußball
Die Frage, warum die Nationalspieler überhaupt ihren Urlaub unterbrechen mussten, um in der sportlich völlig unbedeutenden Partie über den Platz zu schleichen, hatte DFB-Vizepräsident Reinhard Rauball einige Tage zuvor beantwortet: Um wirtschaftliche Interessen ginge es bei diesen Spielen vor allem.
Und so bekamen die Fans für ihr Eintrittsgeld nicht nur einen dürftigen Sommerkick (2:1 für die USA) geboten, sondern im Paket enthalten war auch noch eine Sponsorenshow, die nerviger nicht hätte sein können. Wo man hinhörte ging es um "give aways", Socialtainment oder coporate identity. Der Abend erlebte seinen Höhepunkt, als wild umherlaufende Kinder auf dem Rasen einen Riesenbanner ablegten, auf dem groß "Die Mannschaft" stand. Unter dieser Marke will der DFB mit seinen Elitekickern noch mehr Geld verdienen.
"4. Gewalt? Das geht zu weit"
"Bullshitbingo mit dem DFB", titelte "Zeit online" am Tag nach dem Marketing-Event von Köln. "Der DFB tritt auf wie ein Unternehmen. Der Weltmeister-Titel hat offenbar dazu beigetragen, dass sich diese Art der Außendarstellung noch einmal verstärkt hat. Natürlich ist die Nationalmannschaft ein Zugpferd und ich weiß auch, dass man mit der Zeit gehen will. Aber der Marketing-Aspekt spielt in meinen Augen eine unverhältnismäßig große Rolle," sagt der Autor der Geschichte, Oliver Fritsch, im Gespräch mit t-online.de.
"So wie die Nationalmannschaft außerhalb des Platzes präsentiert wird, fühlt es sich einfach nicht mehr gut an. Ich erinnere mich an die Studie, die Oliver Bierhoff vor einiger Zeit präsentierte. Da hieß es, die Nationalmannschaft sei so etwas wie die 4. Gewalt in Deutschland. Das geht definitiv zu weit", so Fritsch.
Kommerz-Kurs eingeschlagen
Er sieht in dieser Entwicklung den Hauptgrund für das geringe Interesse am Länderspiel in Köln: "Eine gewisse Distanz ist auch bei den Fans nicht zu übersehen. Vieles rund um das DFB-Team ist überinszeniert und überteuert. Der DFB ist gut beraten in diesem Punkt einen Gang zurückzuschalten."
Millionen Fans spricht der Sportjournalist damit aus der Seele. Es ist allerdings kaum damit zu rechnen, dass der DFB, der als gemeinnütziger Verein geführt wird, seinen eingeschlagenen Kommerz-Kurs verlässt. Zu groß ist mittlerweile die wirtschaftliche Abhängigkeit von den vielen Werbepartnern.
16 Sponsoren zahlen 60 Millionen Euro
Insgesamt hat der DFB derzeit 16 Sponsoren. Neben den Hauptsponsoren Adidas und Mercedes sind das die Premiumpartner (Bitburger, Telekom, Commerzbank, Post, SAP und Coca-Cola) sowie die Allianz (Frauen-Nationalelf), Dekra (Partner der Schiedsrichter), Rewe ("Nutrition Partner"), Hugo Boss ("Outfitter"), McDonald’s, Lufthansa, Nivea for Men und Flyeralarm. Alle 16 zusammen überweisen nach Berechnungen der Marktforscher von Repucom rund 60 Millionen Euro im Jahr an den Deutschen Fußball-Bund.
Andre Haberla von Repucom rechnet damit, dass der Betrag schon bald viel größer sein wird. "Der DFB wird vor allem durch seinen neuen Ausrüstervertrag ab der Saison 2018/2019 etliche Millionen an Mehreinnahmen generieren", sagte er dem "kicker".
Als weitere Geldquellen dienen die Länderspiele mit den verbundenen TV-Rechte- und Zuschauer-Einnahmen. Mehr als fünf Millionen Euro fließen so pro Länderspiel in die Verbandskasse. 2014 war zudem ein besonders erfolgreiches Jahr, schließlich überwies die FIFA auch noch die WM-Siegprämie von 25,6 Millionen Euro.
Geld fließt in DFB-Akademie
Insgesamt verdient der DFB nach eigenen Angaben mit der Nationalmannschaft pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro. Wie das Geld zukünftig aufgeteilt wird, lässt sich nur erahnen. Ein Großteil, damit ist zu rechnen, wird in die neue DFB-Zentrale fließen. Mehr als 84 Millionen Euro dürfte der Bau der Akademie auf der Galopprennbahn in Frankfurt Niederrad kosten. "Wissensspeicher, Schulungszentrum, Service Point, Kreativwerkstatt, Treffpunkt, Quartier, Trainingscamp", all das soll die neue Verbandsheimat sein.
Warum die Akademie so wichtig ist, ließ der Verband Bundestrainer Joachim Löw in einer Pressemeldung verkünden: "Wir benötigen einen Ort, an dem wir unser Wissen bündeln und den Fußball entwickeln können. Für die Spitze und für die gesamte Basis in Deutschland."
Die Basis muss zahlen
So schön der Satz klingt, an der Basis, also in den Amateurvereinen, geht man nicht davon aus, auch nur irgendwie von der neuen Akademie profitieren zu können.
Von den Millionen-Einnahmen des DFB kam bei den kleinen Klubs in den Kreisklassen der Republik bisher so gut wie nichts an. Stattdessen werden die Vereine tüchtig zur Kasse gebeten. Falscher Spielerpass, Spielverlegungen, Vereinswechsel, Absage von Freundschaftsspielen: Alles kostet Geld. Dazu kommt immer noch eine Verwaltungsgebühr von bis zu 30 Euro. Richtig teuer wird es bei Verfehlung des Schiedsrichtersolls. Stellt ein Verein zu wenig Unparteiische, werden im Wiederholungsfall schon mal Strafen von bis zu 1500 Euro fällig. Die Ehrenamtlichen in den Klubs versinken in Bürokratie, statt sich um die Probleme der Mitglieder kümmern zu können.
Nerviger Ergebnisdienst
Besonders genervt sind die Hobbykicker seit einiger Zeit von einer Verpflichtung für die Amateurfußballseite fussball.de. Wird dort nicht zeitnah das Resultat eingetragen, kostet das fünf Euro Strafe plus Verwaltungsgebühr. "Am Anfang sind da schon mal mehrere Hundert Euro im Jahr zusammengekommen", sagt Michael Glang, langjähriger Kapitän der ersten Mannschaft der SpVgg Seehheim-Jugenheim aus der Nähe von Darmstadt, stellvertretend für Millionen Spieler in den Amateurklubs.
Viele kleine Vereine plagen finanzielle Probleme. Selbst Klubs mit hohem Bekanntheitsgrad gehen pleite. Jüngstes Beispiel ist die SG Blaubach-Diedelkopf. Der Heimatverein von Weltmeister Miroslav Klose meldete nur wenige Wochen nach dem WM-Triumph des DFB-Teams Insolvenz an. Unterstützung in Form eines Benefizspiels oder einer Geldspende bekam der Klose-Klub nicht. "Das ist in der Verbandswelt nicht vorgesehen. Die kleinen Vereine müssen nur zahlen und werden mit einem Satz Aufwärmtrikots abgespeist", sagt Glang und ergänzt: "Es wird immer schwerer, einen Klub am Laufen zu halten. Die Mitgliederzahlen sinken, ehrenamtliche Mitarbeiter gibt es immer weniger."
DFL macht zwei Milliarden Euro Umsatz
So ist in Zukunft damit zu rechnen, dass weitere Klubs das Schicksal der SG Blaubach-Diedelkopf ereilt. Als mitverantwortlich für die Entwicklung sehen nicht wenige die DFL mit ihrem Bundesliga-Terminkalender. "Bundesliga-Spiele am Sonntagnachmittag sind ein echtes Problem. Für unseren Zuschauerschnitt ist das schlecht", sagt Glang.
Angesichts dieser Schwierigkeiten liest sich die Gegenleistung der 100-prozentigen DFB-Tochter DFL, dem Dachverband der Profiteams der 1. und 2. Liga, fast schon jämmerlich: Von zwei Milliarden Euro Umsatz fließen gerade einmal 21 Millionen Euro an den DFB, nur sieben Millionen Euro davon gehen an die für die kleinen Vereine zuständigen Landesverbände.
Geringes Vertrauen in den DFB
Wegen der Gesamtentwicklung ist man in vielen Vereinen von der Regionalliga bis in die Kreisklasse nicht besonders gut auf den größten Sportverband der Welt zu sprechen. Von den 6,7 Millionen Mitgliedern in den rund 25.000 Vereinen glauben immer mehr, dass es dem Verband eigentlich nur um die Eliteförderung und die großen Erfolge der Nationalmannschaft geht.
Das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des PR-Verbandes GPRA kommt deshalb wenig überraschend: Laut dieser Studie genießt der DFB nur bei 54% der Deutschen wirklich Vertrauen.
Die Einschätzung der eigenen Arbeit fällt beim DFB selbstverständlich ganz anders aus. In einem Interview mit dem Fachmagazin "kicker" sagte Generalsekretär Helmut Sandrock: "Wir bekommen international große Anerkennung für unsere Strukturen, dem hervorragenden Miteinander von Verband, Liga und Amateurfußball."