Viel Geld, noch mehr Herz Würzburger Kickers: Das etwas andere Modell
Von Thomas Tamberg
Der Norden Bayerns ist nicht gerade bekannt für großen Fußball. Doch das soll jetzt anders werden. Nach 37 Jahren kehren die Würzburger Kickers in den Profi-Fußball zurück. Die Unterfranken setzten sich als Regionalligist in der Relegation gegen den 1. FC Saarbrücken im Elfmeterschießen durch. Dabei stand der Klub vor ein paar Jahren noch vor einem Scherbenhaufen.
Dass Würzburg kürzlich den größten Triumph in der jüngeren Vereinsgeschichte feiern konnte, daran war vor ein paar Jahren nicht zu denken. Sportlich in die siebte Liga abgestiegen, der Bezirksliga Unterfranken Mitte. Dazu hochverschuldet, fristete der 1907 gegründete Klub ein Dasein wie ein ganz normaler Dorfverein. Wäre da nicht das 1967 erbaute "Stadion am Dallenberg" Zeuge und Mahnmal zugleich einer längst vergangenen Erfolgsära.
Zwischendurch bis in die siebte Liga durchgereicht
Längst vergessen sind die Zeiten der ersten 20 Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts, als hier mal Spitzenfußball gespielt wurde. Auch an die Saison 1977/78, als der Verein für eine Saison lang in der 2. Bundesliga antrat, erinnert sich kaum noch jemand. 2003 am Tiefpunkt angekommen, verfolgten eine Handvoll Zuschauer die Spiele im mittlerweile nur noch rund 11.000 Zuschauer fassenden Stadion.
Die Würzburger ereilte das gleiche Schicksal wie das vieler anderer Traditionsklubs. Als der Fußball anfing zu boomen und Geld samt Aufmerksamkeit immer mehr wurden, verpassten die Franken den Anschluss. Sie versanken sukzessive in der Bedeutungslosigkeit. Auf der einen Seite sind die Kickers ein großer Traditionsverein, auf der anderen Seite sind sie schon so lange weg vom Fenster, dass man sich fragt: Wo kommen die denn plötzlich her?
Flyeralarm-Gründer engagiert sich nicht nur finanziell
Dass der Verein wieder auf Deutschlands Fußball-Landkarte aufgetaucht ist, hat viel mit Thorsten Fischer zu tun. Seit sechs Jahren engagiert sich der 40-Jährige bei den Kickers. Erst ein bisschen, seit rund einem Jahr so richtig. Fischer hat 2002 die Online-Druckerei Flyeralarm gegründet. Aus einem Ein-Mann Betrieb baute er in den vergangenen Jahren ein Riesenunternehmen mit rund 2000 Mitarbeitern und Standorten in halb Europa auf. Der Jahresumsatz beträgt rund 300 Millionen Euro.
Fischer, dem 2006 der bayerische Gründerpreis verliehen wurde, hat ein Faible für Sport. Er unterstützt mit seiner Firma Flyeralarm die Basketballer des FC Bayern München. Außerdem ist er Druckpartner des Rekordmeisters und von Borussia Dortmund.
Kürzlich ist er bei den finanziell klammen Würzburger Profi-Basketballern eingestiegen. Fischer ist heimatverbunden. Seine Firma hat ihren Hauptsitz in Würzburg. Angesichts seiner komfortablen finanziellen Situation ist er bemerkenswert bescheiden geblieben. Eine Profilneurose, die in solchen Kreisen gerne mal zu beobachten ist, sucht man hier vergebens.
Gelder dosiert eingesetzt
Dennoch, so könnte man sagen, ist es kein Wunder, dass der ortsansässige Klub nun an die Tür zum Profifußball klopft. Mit den Euros des erfolgreichen Unternehmers ist das ja auch keine große Kunst. Wächst hier, noch etwas unter dem Radar der breiten Fußballöffentlichkeit, das nächste Kunstprojekt Marke RB Leipzig heran?
Vielleicht hätte es dem österreichischen Konzern ganz gut getan, zu schauen wie sie es in Würzburg anstellen. Man hätte etwas lernen können. In der 130.000 Einwohner starken unterfränkischen Stadt wird beispielhaft vorgeführt, wie man eine ganze Region ins Fußball-Fieber versetzen kann, ohne dabei gleich mit Wahnsinnssummen zu operieren. Obwohl man es könnte. Vielmehr werden die Gelder dosiert einsetzt. Dabei ist man besonders bemüht, das Umfeld mit ins Boot zu nehmen.
Ein bisschen wie beim Computer-Managerspiel
Während bei RB Leipzig der Mensch austauschbar geworden ist und sich alles nur um die Marke Red Bull dreht, verfolgt Fischer in Würzburg ein ganz anderes Ziel. Auch er will Erfolg - aber anders. Produktwerbung steht nicht im Vordergrund. Die könnte Fischer woanders besser platzieren.
Der zurückhaltende Macher hat Freude am Gestalten. Sein Lohn ist die Freude der Würzburger an den Kickers, die längst ein gemeinsames Projekt geworden sind. Ein bisschen erinnert das Ganze an die Computer-Fußballmanagerspiele, nur in echt eben. Die ehrliche, kindliche Begeisterung ist jedenfalls die gleiche – mindestens.
Glücksgriff Hollerbach
Zusammen mit Klub-Präsident Dr. Michael Schlagbauer hat Fischer vor anderthalb Jahren das Projekt "3x3" ins Leben gerufen. Als prominentes Kampagnen-Gesicht konnten die beiden dabei Bernd Hollerbach gewinnen, der so begeistert war, dass er anschließend das Traineramt übernahm und sich zum Vater des sportlichen Erfolgs mausern sollte.
Der Ex-Profi des FC St. Pauli und Hamburger SV hat seine ersten Gehversuche als Bambini eben bei den Würzburger Kickers absolviert. "Er ist in der Region verwurzelt. Ohne ihn gäbe es dieses Projekt nicht. Bernd ist der Dreh- und Angelpunkt", beschreibt Fischer gegenüber t-online.de die Bedeutung Hollerbachs, der damals nach erfolgreichen Jahren an der Seite von Felix Magath wieder Lust auf einen Cheftrainerposten verspürte und sich dann für die Kickers und für seine Heimat entscheiden hat.
Auch andere Sponsoren ins Boot geholt
Das Trio Fischer, Schlagbauer, Hollerbach startete eine Kampagne, um innerhalb von drei Jahren den Aufstieg in den Profifußball zu bewerkstelligen. Dafür sollte jeweils ein Jahresetat von rund 1,2 Millionen Euro zusammengestellt werden. Sponsoren, Fans, Politiker waren aufgerufen sich zu engagieren. Nur wenn die Signale entsprechend positiv ausfallen würden, wollte sich auch Fischer finanziell entsprechend engagieren.
"Wenn du etwas Nachhaltiges schaffen möchtest, geht es nur gemeinschaftlich. Wenn du einen Retortenklub aufbaust, der von einem Sponsor abhängig ist oder bei dem die Stadt und die Region nicht mitmachen, wirst du nie Erfolg haben", sagt Fischer.
Mit Schlagbauer und Hollerbach an seiner Seite ist es Fischer in kürzester Zeit tatsächlich gelungen, alle hinter dem Vorhaben zu vereinen. "Auch in der Mitgliederversammlung gab es null Enthaltungen und null Gegenstimmen. Das Projekt wird von allen getragen."
Viele Sponsoren dürften sich aber auch deshalb engagiert haben, weil sie bereits zum Netzwerk Fischers gehörten und wussten, dass der Flyeralarm-Chef bei einem Engpass sein eigenes Engagement noch einmal erhöhen würde. Eine solche Ausgangslage erleichtert einiges.
Düsseldorf im Pokal ausgeschaltet
Wie das aussehen kann, zeigte in der zurückliegenden Saison das Beispiel in der zweiten Runde des DFB-Pokals. Nachdem man Fortuna Düsseldorf aus dem Cup gekegelt hatte, sollte die Zweitrundenbegegnung gegen Eintracht Braunschweig unter Flutlicht stattfinden. Doch ein solches gab es nicht im Stadion, das mittlerweile "flyeralarm Arena" heißt.
Ein paar Wochen später, die Stadt hat aus Zeitgründen ein paar Anträge im Eilverfahren durchgewunken, standen die Masten. Offiziell hat der Verein die Anlage bezahlt, inoffiziell dürfte es Fischer gewesen sein.
Interesse wächst und wächst und wächst
Doch Fischer stellt auch ganz bewusst klar, das alles seine Grenzen hat. Nicht weil er geizig ist, sondern weil es das Projekt gefährden könnte. "Wenn man mit zu viel Geld agiert, dann ist die Gefahr groß, dass man sich mit Menschen umgibt, die einen ausnutzen wollen, weil sie nur das schnelle Geld verdienen möchten und nicht mit Herzblut bei der Sache sind. Dann entsteht eine ungesunde Arbeitskultur. Das ist kontraproduktiv und so etwas möchte ich bei den Kickers nicht haben."
Mit der Sponsoren-Politik des Forderns und Förderns ist Fischer bis dato bestens gefahren. Mit Hilfe von Infoständen auf dem Marktplatz, vielen Gesprächen und vor allem jeder Menge Leidenschaft ist es den Verantwortlichen in nicht einmal einem Jahr gelungen, eine echte Begeisterung in der Stadt zu wecken. Der Zuschauerschnitt lag in der vergangenen Regionalliga-Saison bei 2.500. Im Jahr davor lag er noch bei etwa 500. In der bevorstehenden Drittliga-Saison dürften es deutlich mehr werden. Die Spiele im DFB-Pokal waren mit 11.200 Zuschauern jeweils ausverkauft.
Mit aussortierten Spielern zum Erfolg
Eigentlich hatte man sich ja einen Dreijahresplan zurecht gelegt. Doch Hollerbach hat bereits im ersten Jahr ganze Arbeit geleistet. Zuvor hatte er 14 neue Spieler geholt, die sich meist höherklassig nicht durchsetzen konnten, aber noch etwas beweisen wollten. Hollerbach stellte auf einen professionellen Trainingsbetrieb um. Mit etwas Glück und viel Geschick formte er eine Mannschaft, die von 34 Spielen bei acht Remis nur zwei Partien verlor. Bereits zwei Spieltage vor Schluss standen die Würzburger - noch vor dem FC Bayern II - als Meister fest.
Gegen Saarbrücken gelang nach zwei dramatischen Spielen der große Schritt zur 3. Liga. Man darf gespannt sein, wie es nun mit den Kickers weitergeht. In der 3. Liga muss nicht Schluss sein. Schließlich ist es ein Projekt von Überzeugungstätern aus der Region für die Menschen aus der Region. Fischer: "Wenn die Euphorie weiter da ist, die Zuschauerzahlen stimmen und die Sponsoren noch daran glauben, dann ist es realistisch, dass wir es weiterführen werden."