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FC Bayern München und 1860 München: In Feindschaft vereint


FC Bayern vs. 1860 München
In Feindschaft vereint: Münchens Fußball-Rivalität

Von t-online
Aktualisiert am 29.12.2014Lesedauer: 5 Min.
Fans der rivalisierenden Klubs bekennen Farbe.Vergrößern des Bildes
Fans der rivalisierenden Klubs bekennen Farbe. (Quelle: Bernd Müller/imago-images-bilder)

Aus München berichtet Marc L. Merten

Luftlinie trennen die beiden Vereine nur wenige hundert Meter. Und doch liegen zwischen ihnen Welten. Die Grünwalder Straße zieht sich wie ein Trennstrich durch den Fußball Münchens. Zur Rechten liegt, an der Säbener Straße residierend, einer der größten, reichsten und erfolgreichsten Klubs der Welt, der FC Bayern. Zur Linken dilettiert, stümpert und katastrophiert der nahezu bankrotte TSV 1860 durch Fußball-Deutschland.

t-online.de blickt auf einige Facetten dieser außergewöhnlichen Rivalität und erklärt, warum eine "Watschn" im Jahr 1958 der Auslöser dafür war, dass es mit dem einen Klub bergauf und mit dem anderen Klub bergab ging.

1. Arbeiter gegen Schickeria

Als im Oktober in der ARD der Film "Landauer" ausgestrahlt wurde, war der Aufschrei in München groß. Zumindest links der Grünwalder Straße. In dem Film wurde der TSV als "Nazi-Verein" bezeichnet. Die Lokalzeitungen waren am nächsten Tag voll mit Erklärungsversuchen. Im Internet schlugen die Diskussionen schnell in wüste Beschimpfungen um. Die Roten behaupteten der Vorwurf sei wahr, die Blauen argumentierten, dass es auch bei den Roten Nazis gegeben habe. Fakt ist einzig, dass beim FC Bayern zu Beginn des Nazi-Regimes mehr Juden spielten als bei Sechzig. Und weil der Jude Kurt Landauer zu jener Zeit Präsident war und später die Roten wieder aufbaute, hat sich dieser Mythos in den Köpfen der Münchner festgesetzt.

Bis heute spielt sich die Rivalität zwischen dem FC Bayern und dem TSV 1860 auch in der Politik ab. Christian Ude, ehemaliger Oberbürgermeister Münchens, war schon seit jeher ein Blauer, obgleich er politisch ein Roter ist (SPD). Edmund Stoiber hingegen, ehemals Ministerpräsident Bayerns, war schon seit jeher sportlich gesehen ein Roter, obgleich seine politische Einstellung tiefschwarz ist (CSU). Weshalb aus der politischen Landschaft heraus schnell mal hergeleitet wäre, warum sich Sechzig als Arbeiterverein der einfachen Leute sieht und den FC Bayern als Schicki-Micki-Verein der High Society beschimpft.

2. Die Protagonisten

Einer, der eigentlich lieber zum Arbeiterverein gewechselt wäre als an die Säbener Straße, ist Franz Beckenbauer. Sein Werdegang erklärt, wieso Sechzig zwar nach Einführung der Bundesliga noch vor den Bayern erstmals Deutscher Meister wurde, aber nichts aus seinen Möglichkeiten machte. Als Obergiesinger hatte sich der spätere "Kaiser" als 13-jähriger Bub "ganz klar dem TSV 1860 zugehörig" gefühlt, wie er einmal erklärte. Zusammen mit fünf Freunden wollte er im Jahr 1958 vom SC 1906 zum TSV wechseln. Einzig: Im letzten Spiel für den SC 1906 gegen 1860 kassierte Beckenbauer eine Watschn von seinem Sechzger-Gegenspieler. "Dann bin ich eben zum FC Bayern gegangen." Und führte die Roten später in neue Dimensionen, während Sechzig in der Zweitklassigkeit verschwand.

Über fünfzig Jahre später gibt es noch immer Bande, die über die Grünwalder Straße hinweg gespannt sind - und für Spannungen sorgen. So wie die Gebrüder Tapalovic. Der eine, Toni, ist Torwart-Trainer von Manuel Neuer. Der andere, Filip, Co-Trainer bei den Löwen. So weit, so gut. Wäre da nicht der Dienstwagen, mit dem Filip jeden Tag an der Geschäftsstelle der Blauen vorfährt. Ein Audi mit dem Nummernschild "M-RM". Links und rechts von ihm stehen Volkswagen-Autos mit "M-GL" für "Münchens Große Liebe", dem Slogan der Löwen. "RM" dagegen steht für "Rekordmeister". Filip Tapalovic fährt Tag für Tag mit dem Auto seines Bruders bei Sechzig vor. Dass es bislang ohne Kratzer und größeren Schaden davon gekommen ist, gleicht einem Wunder. Der Unmut der Fans ist ihm aber länger gewiss.

3. Die Orte des Geschehens: Grünwalder vs. Allianz Arena

Apropos Unmut: Als der TSV im Frühling 2011 kurz vor der Pleite stand, kochte die weiß-blaue Fan-Seele. Ausgerechnet die Roten hatten den Blauen einen Kredit angeboten. Acht Millionen Euro für die Rettung. Ein Geschäft, das seinen Hintergrund in einer weiteren wirtschaftlichen Verwicklung hatte, wegen der die TSV-Anhänger Wunden leckten: die Allianz Arena. Ihre Anteile am Schlauchboot in Fröttmanning hatte man längst an den Rivalen abtreten müssen. Nun bot Uli Hoeneß dem Nachbarn Geld an. Doch nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Eigennutz. 1860 hat sich verpflichtet, bis 2025 horrendes Geld zu zahlen, um in der Allianz Arena weiter Fußball spielen zu dürfen. Je nach Liga-Zugehörigkeit "50 Millionen Euro plus X", wie Hoeneß bestätigte. Wäre Sechzig pleite gegangen, wäre der Vertrag hinfällig gewesen. Am Ende war es der Jordanier Hasan Ismaik, der den Klub vor dem Untergang bewahrte – und indirekt dem FC Bayern Einnahmen sicherte.

Es gehört zur Schizophrenie der Löwen, dass dieses Detail ein Grund war, warum einige Traditionalisten ihren eigenen Klub lieber hätten pleite gehen lassen (mit Neustart in der Bayernliga), als den Bayern weiter Geld zu geben. Noch heute sind es diese in Folklore lebenden Fans, die in Ismaik nicht den Retter der Weiß-Blauen sehen, sondern den Teufel in Menschengestalt.

Sie und viele andere lehnen deswegen auch bis heute die Allianz Arena als "Heimat" der Löwen ab. So sehr, wie das Grünwalder Stadion immer das "Sechzger Stadion" bleiben wird, wird die Allianz Arena immer das Bayern-Stadion sein. Der eine ist beim anderen nur zu Gast. Selbst, wenn es ein Heimspiel ist. Für viele Löwen-Fans haben Heimspiele des TSV 1860 ihren Charakter verloren. Daran ändert auch nichts, dass die Videowand bei Löwen-Spielen im Look der altehrwürdigen Anzeigetafel des Grünwalder Straße erstrahlt. Für die Fans nur ein weiteres Zeichen, dass es nur noch um den Schein geht. Heimspiele der Löwen sind heute so authentisch wie Queen-Konzerte mit einem Freddy-Mercury-Double.

4. Geschichten eines Derbys

Deswegen würde sich für die Löwen auch das nächste Derby in der Allianz Arena wieder wie ein Auswärtsspiel anfühlen – egal, wer Heimrecht hat. Und doch: Helden würden auch diese Derbys wieder schreiben. So wie Thomas Riedl, der dank seines Siegtores für die Löwen 1999 gegen den großen Rivalen auf Lebzeit den Status eines Fußballgottes haben wird. So wie Mario Basler, der fünf Jahre zuvor im kartenreichen Derby (sieben Gelbe, zwei Rote und eine Gelb-Rote Karte) wutentbrannt auf Werner Lorant losging. Oder wie Carsten Jancker, der Sechzig-Keeper Bernd Meier beim Abstoß den Ball klaute und einnetzte.

Bleiben zwei Fragen: Wann wird es überhaupt wieder zu einem Liga-Derby kommen, nachdem die Löwen nun schon seit zehn Jahren in der Zweiten Liga herumturnen und der Dritten Liga aktuell näher sind als dem Aufstieg? Und: Wird es überhaupt noch einmal so etwas wie ein Duell auf Augenhöhe geben? Schon vor fünf Jahren – noch vor dem Quantensprung, den der FC Bayern seitdem gemacht hat – sprach Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge aus, was zumindest auf Seiten der Säbener Straße mittlerweile viele denken: "Wo kein Rivale mehr ist, gibt es auch keine Rivalität."

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Wobei Rummenigge diese Worte genau deswegen gewählt hatte: wegen der Rivalität.

In England gibt es übrigens auch zwei Stadtrivalen, die sich auf den Tod hassen. Die einen tragen Rot, die anderen Blau. Die einen – die Roten – sind Rekordmeister und Rekordpokalsieger Englands. Die anderen – die Blauen – ein tragisches Abbild des Rivalen, an dem ein Fluch zu haften scheint. Die einen haben jüdische Verflechtungen. Die anderen einen Investor aus Abu Dhabi, der verzweifelt versucht, seinen Klub von den beständig wiederkehrenden Peinlichkeiten zu befreien. Dass diese Stadt in England mit "M" beginnt, ist natürlich nur Zufall. Aber wer glaubt schon an Zufälle?

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