Alkoholfalle Profisport Uli Borowka: "Hab bis drei Uhr morgens gesoffen"
Von Julia Fischer
Alkohol ist von sportlichen Großereignissen kaum wegzudenken. Ob nun die obligatorische Bierdusche bei der Bundesliga-Meisterfeier des FC Bayern oder die Sektfeier bei jedem Formel-1-Grandprix, die Sportler pflegen einen ziemlich unbefangenen Umgang mit den Promille-Fallen.
Dabei sollten gerade Hochleistungssportler wissen, wie sehr Alkohol dem Körper schaden kann, doch immer wieder gibt es Beispiele die das Gegenteil zu beweisen scheinen. Erst kürzlich veröffentlichte die Fußballer-Gewerkschaft FIFPro eine erschreckende Studie. Demnach gaben 19 Prozent der aktiven und sogar 32 Prozent der ehemaligen Fußballprofis an, ein Alkoholproblem zu haben.
Der Ex-Nationalspieler Uli Borowka kennt diese Schwierigkeiten. Er selbst war "Stammspieler bei Werder Bremen, der meistgefürchtete Abwehrspieler der Bundesliga. Europapokalsieger", schreibt er in seiner Biographie, doch während er im Fußball die Karriereleiter empor kletterte, hatte er zunehmend ein Problem mit übermäßigem Alkoholgenuss.
Borowka hatte sich als "Eisenfuß", als "Axt" einen Namen gemacht, doch nach einem Autounfall unter Alkoholeinfluss und einem tätlichen Angriff auf seine Ex-Frau musste der 52-Jährige sich mit seinen Schwierigkeiten auseinandersetzen. Gute Freunde brachten ihn in einem Entzug unter. "Ich habe auch in der Klinik erst geglaubt, ich hätte kein Alkoholproblem", sagte Borowka im Interview mit t-online.de. "Aber ich habe Menschen gesehen, die hatten nur noch wenige Tage zu leben und dann gemerkt, du musst an dir arbeiten."
Paul Gascoigne wird betrunken "man of the match"
So wie Borowka ging es auch einigen anderen Spielern. Der ehemalige englische Nationalkicker Paul Gascoigne soll einmal so betrunken gewesen sein, dass er sich anschließend nicht mehr daran erinnern konnte, auf dem Platz gestanden zu haben. Besonders erschreckend ist, dass Gascoigne sogar zum "man of the match" gewählt worden war.
Borowka kann das gut verstehen: "Brutale Geschichte, dass man Hochleistungssportler ist und trotzdem zum Alkohol greift." Viele Suchtexperten könnten aber nachvollziehen, dass Sportler trotz Alkohol beträchtliche Leistungen ablieferten. Ihr trainierter Körper wäre in der Lage, den Alkohol besonders schnell abzubauen. "Bei mir war das so: Ich hab bis zwei, drei Uhr morgens gesoffen und am nächsten Tag war ich um 10 Uhr der erste auf dem Platz", erklärt Borowka.
Uli-Borowka-Verein soll vorbeugen
Deshalb war er auch von den Zahlen der FIFPro nicht überrascht. Gemeinsam mit seiner Frau Claudia leitet Borowka einen Verein für Suchtprävention und Suchthilfe. Hier hat er häufig mit Alkoholikern zu tun. Doch er will die Probleme bei weitem nicht nur an den Sportlern festmachen: "Viele glauben, das sind ja Profis, die verdienen Millionen, die dürfen keine Probleme haben. Aber auch ein Sportler ist nur ein Mensch wie wir alle. Fast jeder hat Druck auf der Arbeit."
Deshalb leistet Borowkas Verein sehr viel Aufklärungsarbeit. Schwierig sei vor allem das Tabuthema Alkoholismus in die Öffentlichkeit zu holen. Dabei gäbe es in fast jeder Familie Problemfälle. Auf jedem Bolzplatz sei Bier Teil der Sportkultur. "Von 20 Eltern die am Rand stehen, haben zehn eine Flasche in der Hand", beschreibt Borowka die Situation schon bei den Junioren.
"Wir haben ein krankes System"
Erwachsene müssten sich um sich selbst kümmern, aber gerade Jugendliche wüssten nicht, wie sie mit Alkohol umgehen könnten. Häufig würde der Umgang damit eben als normal vorgelebt. "Die wissen nicht, was Flatrate-Saufen ist". Aber man müsse es ihnen dringend erklären, so Borowka. "Wir haben ein krankes System", stellt der 52-Jährige fest. "Unter die Sonnenbank darf man erst ab 18, aber mit einer Begleitperson mit 14 in die Kneipe."
Seit 2000 ist Borowka nun trocken, doch der Anschluss an die Gesellschaft fiel lange schwer. Er habe sich oft als Jugendtrainer beworben, sei aber dankend abgelehnt worden. "Man holt sich schließlich keinen Problemfall ins Boot", bedauert er. Er hat es geschafft, aber den Kampf gegen den Alkohol muss er ständig weiter ausfechten. "Wer keinen Alkohol trinkt, muss sich ja immer dafür rechtfertigen", sagt Borowka traurig.
Biertrinken als Pflichtübung
Kein Wunder, schließlich wurde der erste Weißbierschluck von Bayern-Coach Pep Guardiola bilderreich gefeiert. Das Oktoberfest ist ein Pflichtbesuch für die Münchner und wer auf den "Wiesn" ein Wasser bestellt wird sicherlich schräg angeschaut.
Die Handballer der SG Flensburg-Handewitt wollten ihren Sieg in der Champions-League feucht-fröhlich feiern. Auch die Überraschungssieger der deutschen Eishockey-Meisterschaft, ERC Ingolstadt, machten keinen Hehl daraus, dass sie nicht nach einer Flasche Bier aufhören würden.
Ob nun Uli Borowka, Paul Gascoigne oder auch Box-Ikone Mike Tyson – sie alle sind hoch geflogen und tief gefallen. Alkohol hat einen Teil ihres Lebens zerstört. Uli Borowkas Frau trennte sich von ihm und er verlor den Sport, der ihm so wichtig war.
DFB-Slogan war klassisches Eigentor
Angesichts des vielen Alkohols bis in die untersten Ligen sei der DFB-Slogan "`Keine Macht den Drogen´ ein klassisches Eigentor", findet Borowka. Natürlich wird sich Alkohol nicht völlig aus dem Sport vertreiben lassen und zugegeben, Bier- und Sektdusche sind ja auch was für das Auge. Schließlich zeigen sich hier die Emotionen. Doch darf Alkohol kein Teil der sportlichen Rituale werden.
Eine Lösung für das Problem sieht Borowka im Moment nicht. Erst müsse sich das System ändern. Dann ist der Griff zur Flasche vielleicht nicht mehr so attraktiv, so unkontrollierbar, ob nun im Leistungssport, bei Amateuren oder eben einfach überall.
Hilfe für suchtkranke und suchtgefährdete (Leistungs-)sportler und deren Familien gibt es bei Uli Borowkas Verein für Suchtprävention und Suchthilfe: http://verein.uli-borowka.de/