Alltägliche Sorgen Von wegen Millionäre - so leben viele Fußballprofis
Von Michael Glang
Fußballprofi. Das klingt nach einem Traumjob. Das Hobby zum Beruf machen, ein bisschen kicken und vor allem: nie mehr finanzielle Sorgen. Die Realität sieht aber oft anders aus. Nur jeder zehnte professionelle Fußballer hat nach der Karriere ausgesorgt, sagt Ulf Baranowsky im Gespräch mit T-Online.de. Der Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VdV (Vereinigung der Vertragsfußballer) berichtet, dass lediglich Spieler, die dauerhaft im Spitzenbereich der Bundesliga sind - also Top-Leute und Nationalspieler - absolut sorgenfrei leben können. Nur dieser kleine Kreis ist so abgesichert, dass die Spieler nicht mehr gezwungen sind, nach der Laufbahn für ein weiteres Einkommen zu sorgen.
Bei einem Großteil könne aber keine Rede davon sein, dass es sich um ein Leben frei von finanziellen Zwängen handelt. "Die Gehälter fallen relativ stark ab, schon im Bereich der Bundesliga", sagt Baranowsky. Während die Top-Stars beim FC Bayern München zweistellige Millionengehälter beziehen, müssen viele Sportler mit weitaus weniger zu Recht kommen. "Die Heterogenität innerhalb der Ligen ist sehr groß, sodass Durchschnittswerte nicht viel aussagen", sagt Baranowski. Es sei durchaus üblich, dass Nachwuchsprofis bei Bundesligisten ein "normales" Arbeitnehmergehalt von etwa 3500 Euro brutto monatlich erhalten.
Großes Geld wird schon in der 2. Liga und erst recht in der 3. Liga nur selten verdient. Manchmal stehen Leistung und Verdienst sogar schon in einem fragwürdigen Verhältnis. "Es gibt insbesondere in der Regionalliga Fälle, in denen Spieler unter vollprofessionellen Bedingungen mit täglichem Training, Spielen an den Wochenenden und unter ständiger Verfügbarkeit mit einem Stundenlohn von vier Euro nach Hause gehen", sagt Baranowsky.
Einige Angebote reichen nicht zum Auskommen
In der 3. Liga bekommen manche Spieler – ebenfalls unter vollprofessionellen Bedingungen - Verträge mit einem Gehalt von 1000 Euro brutto angeboten. "Da werden natürlich keine Reichtümer angehäuft", sagt Baranowsky. Ganz im Gegenteil : Diese Spieler sind privat oft auf das Geld der Eltern oder Ehefrau angewiesen. Trotzdem werden auch solche Angebote angenommen. Um im Geschäft zu bleiben und den Traum vom großen Fußball weiterleben zu können.
Hinzu kommt, dass Fußballer in der Regel nur 10 bis 15 Jahre Zeit haben, ihrem Beruf nachzugehen. Auch deshalb gilt es, frühzeitig an eine zweite Karriere zu denken. "Gerade die Zweit- und Drittligaspieler sind natürlich angehalten, die Grundregeln des Fußballs einzuhalten", rät Baranowsky: Sparen, Risiken absichern (etwa über eine Berufsunfähigkeitsversicherung) und das Erstellen eines Plan B. Im Idealfall wissen Fußballer schon während der aktiven Karriere, in welchem Beruf sie im Anschluss arbeiten wollen und können. Das sind die Säulen eines verantwortungsvollen Umgangs mit der eigenen Laufbahn. Denn das nächste Foul kann immer das Karriereende bedeuten. Dessen seien sich viele aber nicht bewusst, so Baranowsky.
"Clevere" Kicker sorgen vor
Hilfestellung gibt es von der Spielergewerkschaft VdV zu den Themen Geldanlage, Laufbahn-Coaching und berufliche Aus- und Weiterbildung. So besteht durch die Zusammenarbeit mit vielfältigen Bildungspartnern zum Beispiel die Möglichkeit, an spielfreien Tagen auf der Geschäftsstelle Hochschulklausuren nachzuschreiben. "Das sind alles Angebote, die Spieler wahrnehmen sollten", so Baranowsky, "und die Cleveren machen es auch".
Doch wie viele der Fußballer sind so clever und haben tatsächlich einen Plan B in der Tasche? "Ein gutes Viertel", schätzt Baranowsky. "Als Faustformel kann man sagen, dass drei von vier Profis am Ende der Karriere keine abrufbaren beruflichen Qualifikationen haben." Gerade vor diesem Hintergrund seien Aus- und Weiterbildungen parallel zur Laufbahn so wichtig.
Junge Profis zu sorglos
Doch vor allem junge Spieler haben immer wieder Probleme, den Blick über den Fußballzirkus hinaus zu richten und vergessen, dass der Traum vom Profidasein schnell ausgeträumt sein kann. Eine Befragung der VdV in Zusammenarbeit mit der FH Koblenz hat ergeben, dass besonders U23-Spieler insgesamt zu sorglos sind. "Dabei haben gerade viele junge Spieler nur Quoten-Verträge über die U23-Regelung. Die Nachwuchsteams der Bundesligisten dürfen ja bis auf wenige Ausnahmen nur mit U23-Akteuren spielen. Da ist es häufig so, dass Spieler, die 24 werden, keinen Vertrag oder eine adäquate Folgeanstellung bekommen", so Baranowsky.
Während Freunde aus der Schulzeit dann schon "Bachelor-Abschluss oder Meisterbrief" in der Hand halten, stehen die jungen Fußballer wieder am Anfang. Keine einfache Situation, besonders wenn die Spieler schon zu Hause ausgezogen sind und sich einen gewissen Lebensstandard angeeignet haben. Die Arbeitslosigkeit droht schneller, als mancher denkt.
VdV-Camp als Plattform
Profis, die keinen neuen Vertrag erhalten haben, landen oft im Spielercamp der VdV. Die Gewerkschaft bietet vereinslosen Kickern dort die Möglichkeit, unter professionellen Bedingungen zu trainieren und sich in Testspielen den Scouts der Vereine zu präsentieren. Häufig müsse man ein bis zwei Ligen nach unten gehen, um einen Neuanfang zu starten, sagt Baranowsky. "Einige Spieler wie Philipp Heerwagen vom VfL Bochum zum FC St. Pauli haben sich aber auch auf gleichem Niveau verändert."
Beim letzten Camp konnten 85 Prozent der Teilnehmer einen neuen Arbeitgeber finden. Das ist ein Rekordwert, aber auch eine Folge der veränderten Zusammensetzung der Gruppe. Während früher vor allem Profis im Herbst ihrer Karriere um einen letzten Kontrakt kämpften, sind heute viele dabei, die über die angesprochene U23-Regelung gestolpert sind. Doch längst nicht alle finden den Weg zurück. Allzu häufig ist der Traum von der Profikarriere und dem großen Geld dann bereits ausgeträumt. Dann ist es höchste Zeit für Plan B.