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EM-Quali 2016: Thomas Müller rettet DFB-Elf gegen Schottland


Knapper Sieg in Schottland
Anarcho Müller rettet DFB-Elf vor Zitterpartie

Von t-online
Aktualisiert am 08.09.2015Lesedauer: 4 Min.
Müller, immer wieder Müller: Das DFB-Team kann sich auf den Bayern-Star verlassen.Vergrößern des Bildes
Müller, immer wieder Müller: Das DFB-Team kann sich auf den Bayern-Star verlassen. (Quelle: sportimage/imago-images-bilder)

Aus Glasgow berichtet Patrick Brandenburg

Die Hymne vor Anpfiff und die irre Halbzeitshow - beides nehmen wohl alle Gästefans für ihr Leben mit aus Glasgow. "Flower of Scotland", "Bonnie Banks o‘ Loch Lomond", und den Pop-Klassiker "500 Miles" sangen, nein: brüllten Schottlands Anhänger so inbrünstig, dass es einem im Hampden Park Angst und Bange werden konnte um die deutsche Nationalmannschaft.

Doch trotz zweier Gegentore schon vor der Pause hatte die DFB-Elf am Ende standesgemäß mit 3:2 die Nase vorn. Bedanken konnte das Team sich bei Thomas Müller, der zu abgebrüht ist für derartige Ausrutscher: "Bevor ich Gänsehaut bekomme, muss schon was anderes passieren", sagte Müller nach dem denkwürdigen Abend mit einem Augenzwinkern.

Ein Punkt in Irland reicht

"Das kann man nicht lernen, das hat er im Blut. Thomas ist für uns Gold wert", sagte Bundestrainer Joachim Löw nach der Partie im schottischen Nationalstadion, die viel enger war als gedacht. Mit zwei Toren und einer Torvorlage beseitigte Müller fast im Alleingang alle Zweifel an der EM-Qualifikation des Weltmeisters, der nun als Spitzenreiter in die restlichen beiden Spiele geht und beinahe sicher für die EM 2016 planen kann. Bei der nächsten Partie in Irland reicht jetzt schon ein Punkt, dagegen wäre es bei einem Remis in Glasgow in Dublin noch mal ein spannendes Finale um den zweiten Tabellenplatz geworden.

Der Zufallsgott steht, wo er stehen muss

Es versteht sich von selbst, dass Matchwinner Müller in typischer Manier agierte: nicht ästhetisch, aber erfolgreich. Beim 1:0-Führungstreffer in der 18. Minute klaute der Mittelfeldspieler den Ball vorm gegnerischen Strafraum und zog unkonventionell aus 18 Metern ab. Der Ball wurde leicht abgefälscht und trudelte ins Tor.

Beim 2:1 in der 34. Minute vollendete er fast unfreiwillig die Kombination über Mario Götze und Emre Can. Müller stand da, wo eigentlich ein Mittelstürmer hingehört und köpfte den Ball glücklich an den Innenpfosten. Ein Zufallsgott eben - wie Philosoph Wolfram Eilenberger jüngst in der "taz" erklärte: "Müller schafft sich durch seine chaotischen Laufwege Möglichkeiten, von denen er selbst nicht wusste."

"Es ist schön, wenn die Bälle gut fallen"

Damit kommt der Offensiv-Anarcho inzwischen auf 30 Länderspiel-Tore in nur 65 Spielen. In der ewigen DFB-Torschützenliste zog er an Andreas Möller vorbei auf Rang 15, der für einen Treffer weniger zwanzig Einsätze mehr brauchte. Eine Wahnsinnsquote, die durch begleitende Statistiken noch eindrucksvoller wird: 25 dieser Tore erzielte Müller in Pflichtspielen! In den sieben Partien der aktuellen EM-Qualifikation kommt er auf acht Treffer und wird nur von seinem Müncher Teamkollegen um zwei Tore übertrumpft: dem polnischen Weltklassestürmer Robert Lewandowski.

"Es ist schön, wenn die Bälle gut fallen und ich die richtigen Entscheidungen treffe", sagte Müller lapidar. Deutschlands Raumdeuter kann das eigene Phänomen offenbar selbst kaum erklären. Insgesamt war der 25-Jährige bei seinen jüngsten 16 Einsätzen im DFB-Dress an siebzehn Toren beteiligt.

Fast jeder Schuss ein Treffer

Denn auch der Siegtreffer gegen den Außenseiter geht mit auf Müllers Konto. "Thomas hat so gut aufgelegt, da blieb mir nichts anderes übrig, als den Ball ins Tor zu schießen", sagte Ilkay Gündogan, der für das 3:2 verantwortlich zeichnete. Der Dortmunder, der nach seiner starken zweiten Halbzeit gegen Polen für Karim Bellarabi in die Startelf rutschte, spielte in der 54. Minute wunderbar Doppelpass mit dem Münchner und musste frei vor Schottlands Keeper David Marshall nur die Nerven behalten. Ein würdiger Schlusspunkt für eine wilde Partie, in der auf beiden Seiten fast jeder gefährliche Schuss ein Treffer war.

Die DFB-Elf war in Glasgow hoch überlegen und hatte den 31. der FIFA-Weltrangliste im Griff. Doch dann wurde es skurril und der Weltmeister stellte sich zwei Mal selbst ein Bein. Nach dem Freistoß von Shaun Maloney baggerte Torwart Manuel Neuer den Ball auf die Brust von Mats Hummels und nötigte seinen Innenverteidiger zum Eigentor (28.). Unmittelbar vor der Halbzeit verteidigte die DFB-Elf eine Schotten-Ecke halbherzig und wunderte sich, dass der Ball nach dem Distanzkracher von James McArthur erneut im Netzt zappelte. "Wir sind gegen den Weltmeister zwei Mal nach Rückstand zurückgekommen. Aber wenn du ihn schlagen willst, brauchst du auch Glück", sagte Schottlands Trainer Gordon Strachan, der sich nach dem jüngsten Pleite in Georgien immerhin über eine tolle kämpferische Leistung seiner Bravehearts freuen durfte.

Löw macht sich "überhaupt keine Sorgen"

"Die Deutschen sind so gut, die schießen jetzt schon für beide Seiten die Tore", twitterte England-Legende Gary Lineker in einer Mischung aus Bewunderung und Amüsement. DFB-Coach Löw fand die eigenen Fehler weniger witzig, wollte die kritischen Szenen aber nicht überbewerten. "Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um unsere Abwehr. Die Schotten brauchten diese Standards, um für Gefahr zu sorgen. Aus dem Spiel heraus ist ihnen keine einzige gefährliche Aktion gelungen."

Einen Schuss ans Außennetz durch Alan Hutton (66.) übersah der Bundestrainer in seiner Analyse, aber im Prinzip hatte er Recht. Letztlich geriet der Sieg nie ernsthaft in Gefahr. Die DFB-Elf spielte die Partie sicher herunter, auch wenn sie selbst ungewöhnlich wenige Chancen schuf. Einige nett anzusehende Kombinationen gab es, aber nur noch ein "Abseitstor des Monats" - falls es diese Kategorie künftig mal geben sollte: Wie Mario Götze den Ball nach Traumpass von Gündogan auf engstem Raum annahm und mit blitzschneller Drehung im Tor unterbrachte, war trotz regelwidriger Position des WM-Finalhelden beinahe schon das Eintrittsgeld wert.

Weil es schließlich beim 3:2 blieb, konnten sich am Ende auch die mindestens 3.000 mitgereisten deutschen Fans einen kleinen Sieg sichern. Denn beim Abpfiff gewannen sie das Duell mit der Tartan Army: Ihre Jubelarie auf die hinter die Bande geeilte DFB-Elf beeindruckte auch die schottischen Fans und am Ende dieses stimmungsvollen Abends im Hampden Park feierten sich die Anhänger beider Seiten von ganzem Herzen gegenseitig.

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