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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geis im Champions-League-Viertelfinale Ex-Schalker beim FC Sevilla: Tedesco hat mir gratuliert
Ein Ex-Schalker steht im Champions-League-Viertelfinale: Johannes Geis spricht im Interview über den historischen Erfolg mit dem FC Sevilla bei Manchester United und S04-Trainer Domenico Tedesco.
Es war DIE Überraschung im Champions-League-Achtelfinale: Der FC Sevilla hat durch ein 2:1 im Old Trafford Manchester United aus der Königsklasse geworfen. Mit dabei: Der von Schalke ausgeliehene Johannes Geis.
t-online.de erreichte den 24-Jährigen vor der Auslosung der Viertelfinals – und sprach über den sensationellen Sieg, Unterschiede zwischen Primera Division und Bundesliga und den FC Schalke 04.
Ein Interview von David-Emanuel Digili
t-online.de: Herr Geis, Sie stehen mit dem FC Sevilla im Champions-League-Viertelfinale…
Johannes Geis: Ja, Wahnsinn! Ich nehme jetzt mal beide Spiele: Zu Hause hatten wir, glaube ich, 25:6 Torschüsse. Da war es schon bitter, dass wir kein Tor gemacht haben, weil wir natürlich wussten, dass Man United zu Hause im Old Trafford eine Macht ist. Mit dem Stadion, den Fans ist so eine bestimmte Atmosphäre da, die auch uns beeindruckt.
75.000 Zuschauer...
Sie haben ja auch angefangen wie die Feuerwehr, haben Vollgas gegeben und gleich versucht, ein Tor zu machen, um den Druck etwas rauszunehmen. Aber dann, so nach 20 Minuten, hatten wir uns gefangen und danach unsere Chancen. In der Pause haben wir uns in der Kabine daher gesagt: "Männer, da geht heut was! Wir müssen dran glauben, und ein Tor könnte schon reichen."
Und es ging tatsächlich etwas. Wie ordnen Sie diesen Erfolg ein?
Ich sehe das als verdient für uns, wenn man die Leistungen über die zwei Spiele anschaut. Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben, da geht einem so viel durch den Kopf, das ist einfach Wahnsinn. Wie der Ben Yedder da das erste Tor macht … unglaublich.
Die Mannschaft zeigte ja auch einen selbstbewussten Auftritt.
Wir wussten, dass der Druck bei United lag. Wenn wir rausgeflogen wären, hätte jeder gesagt: "Okay, es war nun mal Manchester United." Aber uns war die ganze Zeit bewusst: Manchester musste angreifen und irgendwann aufmachen. Dann hatten wir auch einfach das Glück, dass eine Aktion so funktionierte – das war in der 75. Minute. Und da wussten wir dann: Heute geht mehr.
Soll ich fragen, was danach in der Kabine los war?
(lacht) Unglaubliche Freude! Es klingt vielleicht abgenutzt, aber wir haben in der Kabine wirklich ein kleines Feuerwerk abgebrannt. So ein Erfolg für den FC Sevilla im Old Trafford … die Jungs haben nachher gesagt, es ist das erste Mal seit 60 Jahren, dass Sevilla das Champions-League-Viertelfinale erreicht hat (Anm. d. Red.: Sevilla stand 1958 im Viertelfinale des CL-Vorgängers Landesmeister-Pokal). Das ist ein unglaubliches Gefühl.
Und wer ist nun Ihr Wunschgegner im Viertelfinale? Am Freitag wird ausgelost.
Wenn man das Teilnehmerfeld erst mal durchgeht, ist es natürlich der AS Rom. Ein Riesenverein, der zu Recht im Viertelfinale steht. Aber wenn man dann sieht: ManCity, Barcelona, Bayern, Real Madrid, Juve – das sind brutale Vereine. Natürlich ist für uns alles möglich, aber im Moment wäre mein Wunschgegner der AS Rom – weil da auch für uns die Wahrscheinlichkeit höher ist, weiterzukommen. Wenn ich was ausschließen könnte, wären es Barcelona und Real Madrid, weil wir die auch in der Liga haben.
Dabei müssen Sie sich nach der Leistung gegen Manchester vor niemandem verstecken.
Wir wussten auch, dass Man United in dieser Saison nicht die Konstanz hat und auch mal Spiele verliert. Aber bei Real, Barca, den Bayern ist das anders. Wenn es drauf ankommt, sind sie in dieser Saison da.
Sevilla hat eine historische Woche hinter sich – und wie verläuft die Saison für Sie persönlich bisher? Sie kamen bis jetzt in 17 Pflichtspielen zum Einsatz.
Vorneweg: Natürlich wünscht man sich als Spieler, dass man mehr spielt, ganz klar. Sonst könnte ich auch einfach sagen: Ich bin froh, beim FC Sevilla zu sein. Wenn ich es bis jetzt grob zusammenfasse: Ich habe in Stadien gespielt, von denen ich als Kind geträumt hab. Ich habe das Champions-League-Spiel gegen Liverpool miterlebt, wo wir einen 0:3-Rückstand noch ausgleichen konnten. Ich bin aber nicht als Stammspieler hierhergekommen oder als ein großer Name. Ich musste und muss mir alles erarbeiten, und dafür habe ich schon viel erlebt. Und jetzt das i-Tüpfelchen in Manchester.
Wie haben Sie den Fußball in Spanien bisher erlebt?
Barcelona, Real Madrid und Atlético will ich mal ausklammern. Bis auf diese Spiele sind eigentlich alle Partien ziemlich eng, selbst für uns oder Valencia ist es nicht einfach, gegen die kleineren Teams zu spielen. Jede Mannschaft hier hat mindestens drei, vier Spieler, die eine sehr hohe Qualität haben. Ich denke, dass das auch ein Unterschied zu Deutschland ist.
Das müssen Sie erklären.
Nicht, dass hier "mehr" Fußball gespielt wird, aber dass hier zum Beispiel viel mehr Wert auf Ballbesitz, auf technische Feinheiten gelegt wird. Physisch sind wir auf einem eigenen Level in Deutschland, aber wenn man die Spiele sieht, geht es mehr zur Sache in den Zweikämpfen.
Sie sind seit September 2017 in Sevilla. Erinnern Sie sich denn noch an Ihren ersten Tag?
Natürlich, alles auf Spanisch – das war eine komplett neue Situation, ich war schon etwas angespannt. Und bei Temperaturen über 30 Grad habe ich jetzt auch noch nicht so oft trainiert (lacht).
Wie sieht es mittlerweile mit Ihren Spanisch-Kenntnissen aus?
Also, ich verstehe schon sehr viel, sprechen ist noch etwas schwierig – zum Einkaufen reicht es schon. Aber im Fußball spricht man ja eh eine eigene Sprache. Mit Simon Kjaer (dänischer Nationalspieler, von 2010–13 beim VfL Wolfsburg, Anm. d. Red.) zum Beispiel verstehe ich mich sehr gut, der spricht auch gut Deutsch. Ansonsten bin ich von der ganzen Mannschaft sehr gut aufgenommen worden. Wir unternehmen auch viel zusammen, gehen ein-, zweimal im Monat zusammen essen, das schweißt zusammen.
Auch vorher waren Sie ja bei einem emotionalen Verein – sind Schalke und Sevilla vergleichbar?
Schalke und die Fans – das ist ja kein Geheimnis – sind Wahnsinn, da ist jedes Spiel ausverkauft, ob es am Montagabend oder Dienstagabend ist. Hier ist es ähnlich. In Gelsenkirchen leben die Menschen einfach Schalke. Egal, wo du hingehst, immer ist irgendwo ein Schalke-Wappen. Hier ist es eigentlich das Gleiche. Die Fans leiden mit dir, feiern dich, aber natürlich kriegst du auch mal einen Spruch gedrückt, wenn es nicht so läuft. Es ist eine besondere Stimmung in der ganzen Stadt. Man kann Schalke und Sevilla sehr gut vergleichen: Zwei Arbeitervereine, die gegen die Großen kämpfen.
Aktuell sind Sie bis Saisonende ausgeliehen – und dann? Wie soll es für Sie weitergehen?
Im Moment, in der ganzen Euphorie, ist es schwer, daran zu denken. Wir haben hier mit dem Pokalfinale und dem Weiterkommen in der Champions League noch Riesenziele vor uns. Ich fühle mich hier wohl und habe momentan wenig Gedanken daran. Wir fiebern hier jetzt erst mal von Event zu Event. Außerdem: Im Fußball geht ja manchmal alles so schnell, da reichen drei, vier gute Spiele, und man erscheint wieder in einem anderen Licht. Ich warte ab und genieße.
Schalke-Trainer Domenico Tedesco hatte noch im Dezember betont, dass er Sie auch in Sevilla beobachtet. Besteht da regelmäßig Kontakt?
Gestern noch hat er mir eine Nachricht geschrieben, was mich sehr gefreut hat! Das macht nicht jeder Trainer. Wir sind auf jeden Fall in Kontakt. Er hat mir gratuliert, alles Gute gewünscht und hofft, dass wir auch weiterkommen. Das war eine Riesenaktion von ihm und hat mich echt gefreut.