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BVB-Boss Watzke schlägt Alarm: "Haben ein Riesenproblem"


BVB-Boss Watzke schlägt Alarm
"Es müssen auch andere als Bayern und Dortmund etwas holen"

t-online, Florian Wichert und Luis Reiß

22.09.2017Lesedauer: 5 Min.
Hans-Joachim Watzke auf der BVB-Bank. Obwohl Dortmund überragend in die Saison gestartet ist, bremst er die Erwartungen.Vergrößern des Bildes
Hans-Joachim Watzke auf der BVB-Bank. Obwohl Dortmund überragend in die Saison gestartet ist, bremst er die Erwartungen. (Quelle: Thomas Bielefeld/imago-images-bilder)
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Borussia Dortmund ist mit vier Siegen und einem Unentschieden hervorragend in die Bundesliga gestartet. Für Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist die Tabellenführung allerdings ein Wunder. Er sieht seinen Klub auch international seit Jahren als "Überperformer". Weil außer Bayern und Dortmund allerdings international kaum ein deutscher Klub punktet, schlägt Watzke jetzt Alarm.

t-online.de: Herr Watzke, müssen wir uns um die Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga im internationalen Vergleich sorgen? Gerade in der Europa League hagelt es für deutsche Klubs seit Jahren Pleiten!

Hans-Joachim Watzke (58): Meine Antwort: ein uneingeschränktes Ja! Unser Vorteil in den vergangenen Jahren war, dass die englischen Klubs ihre Möglichkeiten noch nicht richtig ausgespielt haben. Sie haben Fehlentscheidungen getroffen.

Das ist mittlerweile anders?

Jetzt habe ich das Gefühl, dass diese Klubs professioneller damit umgehen. Wenn ein deutscher Klub auf einen englischen Klub trifft, wird es immer schwerer. Und auch gegen spanische Vereine ist es schwer. Celta Vigo, Villarreal, Valencia, Sevilla sowieso – das sind alles Ergebnismaschinen. Mich bedrückt aber noch mehr, dass wir immer häufiger auch gegen Mannschaften aus Ländern verlieren, die viel geringere finanzielle Möglichkeiten haben als wir. Das ist ein Riesenproblem für die Fünf-Jahres-Wertung.

Steuern wir also auf eine Krise zu oder stecken schon mittendrin?

2013 hieß es, wir seien die Könige des internationalen Fußballs, das war genauso Blödsinn. Wir sind auch jetzt nicht komplett am Boden. Die Vereine, die in der Europa League spielen, müssen verinnerlichen, dass es immer auch um Punkte für Deutschland geht. Es muss möglich sein, dass neben Bayern und Dortmund auch sie kontinuierlich etwas holen. Das betrifft natürlich nicht den 1. FC Köln, der nach 25 Jahren Abstinenz bei Arsenal verliert – das ist das Normalste der Welt.

Auch Sie sind mit einer Niederlage in die Champions League gestartet…

Bei Tottenham kann man verlieren, man kann aber auch gewinnen. Trotzdem: Wir stehen auf Platz acht der europäischen Klubs, das ist mit unseren Möglichkeiten außergewöhnlich. Wir überperformen seit Jahren. Aber auch das wird künftig schwieriger.

Was kann man gegen den Abwärtstrend tun?

Ich weiß, welche Idee da als erstes kommt: "Wir müssen 50 plus 1 abschaffen" – aber das ist der völlig falsche Weg. Das würde die deutsche Fußballkultur massiv verändern.

Inwiefern?

Der Deutsche lebt gerne in Vereinsstrukturen. Wenn du 50 plus 1 abschaffst, wird der Fußball noch mehr in Richtung Kapitalismus gehen. Wenn du einen Besitzer aus China, Russland oder Katar hast, dann erklär' dem mal: "Wir haben 28.000 Stehplätze für elf bis 13 Euro." Da sagt der: "Bist du eigentlich noch ganz dicht? Was meinst du, wofür ich mein Geld gegeben habe?" In England sind nur noch die Besserverdiener im Stadion und die anderen kaufen sich ein TV-Abo – das will ich persönlich und für den BVB auf keinen Fall.

Was wollen Sie dann?

Wir müssen unter anderem im Sponsoring und im TV-Bereich wachsen! Wir müssen die Ticketpreise auf dem aktuellen Niveau halten.

Weitere Wachstums-Segmente?

Dazu müssen wir in die für uns neuen Märkte rein, in denen wir Geld generieren können. Asien, demnächst vielleicht Indien, die USA. Und da müssen nicht nur Bayern und wir rein, sondern auch andere Vereine. Das ist auch eine Möglichkeit, den deutschen Fan zu schonen.

Muss auf der anderen Seite die Politik den Fußball reglementieren und Giganten-Transfers wie den von Neymar verhindern, um die Schere nicht weiter auseinander gehen zu lassen?

Jeder, der den Fußball liebt, wünscht sich, dass ein 222-Millionen-Euro-Transfer nicht passiert. Jeder wünscht sich aber auch im Prinzip, dass Staaten nicht pleitegehen oder die Staatsverschuldung nicht zu sehr zunimmt – das klappt leider Gottes auch nicht immer.

Warum kann man das nicht verhindern?

Natürlich kannst du den Vereinen sagen: "Du darfst von deinem Hauptsponsor oder deinem Besitzer nur Betrag X bekommen." Der Staat Katar zum Beispiel hat aber diverse Industrie-Beteiligungen, die er mobilisieren kann. Die werden dann im Zweifel eben alle Sponsoren bei Paris. Dann bekommen sie insgesamt auch hundert Millionen Euro zusammen. Daher halte ich eine Reglementierung durch die Politik für nicht praktikabel. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass zumindest die Uefa versucht, ein Regelwerk zu schaffen, dass die Maschen so eng knüpft, dass es zumindest nicht mehr ganz so einfach ist, hindurchzuschlüpfen.

Wie?

Ich weiß es nicht, aber dafür ist die Uefa da und kann hochqualifizierte Juristen damit beauftragen. Was man nicht machen darf: Geldstrafen verhängen. Das ist der größte Unfug aller Zeiten, Paris eine Geldstrafe aufzudrücken. Da lachen die sich tot in Katar.

Fällt Ihnen etwas Besseres ein?

Punktabzug. Dann sieht die Welt ganz anders aus. Aber das muss die Uefa entscheiden.

Sie haben viel Geld durch den Verkauf von Ousmane Dembélé eingenommen. Hätten Sie für ihn nicht ebenfalls einen Spieler in der Kategorie über 100 Millionen Euro verpflichten müssen?

Das hätten wir theoretisch gekonnt, aber diese Forderung ist doch dummes Zeug. Es wäre einfach nicht sinnvoll. So ein Spieler fordert doch auch ein exorbitantes Gehalt, sodass es dir die gesamte Gehaltsstruktur im Verein zerschießt. Du kannst nicht in einem Kader eine Situation haben, wo einer das Zehnfache verdient.

Können Sie sich noch einen größeren Transfer im Winter vorstellen?

Ich halte nicht viel davon. Was uns angeht, wird das Winterfenster voraussichtlich kein Spektakuläres. Denn ein großer Winter-Transfer kann nur dann eine Möglichkeit sein, wenn dir ein außergewöhnlicher Spieler verletzt für längere Zeit fehlt. Dabei musst du aber zwei Dinge bedenken: Du bekommst in der Regel nicht deine Wunschspieler, weil sie nicht auf dem Markt sind. Und wenn du sie trotzdem haben willst, musst du brutale Preise zahlen.

Ist auch ohne weitere Zugänge die Meisterchance so groß wie seit fünf Jahren nicht mehr? Bayern wirkt nicht immer souverän.

Das kann ich nach fünf Spieltagen nicht seriös beurteilen. Vor zwei Jahren sind wir noch besser gestartet. Am Ende wurde Bayern trotzdem Meister. Für mich ist es schon ein Wunder, dass wir jetzt Tabellenführer sind. Wir hatten zuletzt teilweise neun Leute nicht dabei, davon fünf oder sechs aus der eigentlichen Stammformation. Schmelzer, Bartra, Reus, Guerreiro, Schürrle.

Und wenn die Verletzten zurückkommen?

Die Frage ist immer: Was passiert bei Bayern? Wenn sie ihre Form abrufen, haben wir keine Chance. Die müssten erst einmal Federn lassen, dann würde es auch mal wieder einen anderen Deutschen Meister geben. Bayern hat so eine Stärke, die Mannschaft ist top – da müsste viel passieren. Aktuell sehe ich das nicht.

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