Hitzfeld-Rat an seinen Ex-Klub "Dortmund sollte Aubameyang auf keinen Fall gehen lassen"
Er ist der einzige Trainer, der mit zwei deutschen Mannschaften die Champions League gewann – 1997 mit Dortmund und 2001 mit dem FC Bayern. Er holte sieben deutsche Meisterschaften und dreimal den DFB-Pokal. Er ist bis heute der Trainer mit dem besten Punkteschnitt in der Bundesliga.
Im dritten Teil des Exklusiv-Interviews mit t-online.de nimmt Ottmar Hitzfeld seinen Ex-Klub Borussia Dortmund unter die Lupe. Er rät den Bossen, Pierre-Emerick Aubameyang auf keinen Fall zu verkaufen und geht davon aus, dass Bayern irgendwann bei Ousmane Dembélé zugreift.
t-online.de: Herr Hitzfeld, Hat sich der BVB klug verstärkt?
Ottmar Hitzfeld (68): Es ist nicht immer einfach, sich wirklich zu verstärken. Dortmund hat ja schon eine tolle Auswahl. Götze hat fast gar nicht gespielt, Schürrle und Reus waren lange verletzt. Da hat man ohnehin noch viel Potenzial. Dass Toprak kommt, finde ich in Ordnung. In der Abwehr mussten sie etwas machen. Dahoud ist ein kommender Nationalspieler, der für Deutschland sehr viel leisten kann. Maximilian Philipp kann in der Offensive auf allen Positionen spielen, hat auch ein Riesenpotenzial und ist noch jung. Also: Ja, der BVB hat gute Transfers getätigt, wie immer.
Ist der BVB mit Philipp, Zagadou, Dahoud, Dembélé, Weigl, Pulisic usw. die talentierteste Mannschaft Europas?
Dortmund muss weder Meister noch Champions-League-Sieger werden und kann jungen Spielern die Chance geben und sie reifen lassen. Die Talente wurden auch so früh ins kalte Wasser geworfen, weil Leistungsträger ausgefallen sind und man nicht die ganz großen Transfers tätigen will. Aber es gibt viele talentierte Mannschaften in Europa. Die Talente bei Real Madrid, beim FC Barcelona, die verliehen werden. Überragende Spieler im Nachwuchsbereich gibt es auch bei Manchester City. Juventus und Milan haben ebenfalls eine starke Akademie. Die bringen Spieler wie Donnarumma raus.
Der Haken in Dortmund: Irgendwann werden die Talente weggekauft.
Das gehört dazu. Dortmund ist nicht Bayern. Bayern kann die Talente halten, Dortmund nicht. Wenn Dembélé ein Riesenangebot von einem europäischen Topklub bekommt und ihm der Kopf verdreht wird, dann ist es ganz schwer, ihn zu halten. Nachziehen kann man nicht. Wenn er ein Angebot über sechs, sieben, acht Millionen Euro bekommt, wäre es unvernünftig, da mitzugehen.
Landen Dembélé, Weigl oder Pulisic irgendwann doch bei Bayern – obwohl Rummenigge das dementiert hat?
Es ist nicht auszuschließen. Ich kenne die Gedanken von Rummenigge oder Hoeneß nicht. Aber ist ja klar, dass es Interesse gibt, wenn sich jemand anbietet, der international bereits seine Klasse unter Beweis gestellt hat und in ganz Europa bekannt ist – wie Dembélé. Dass Bayern bei Spielern wie Dembélé zugreift, wenn sie auf dem Markt sind, ist eine logische Folge.
Genau wie Dembélé denkt auch Pierre-Emerick Aubameyang an Abschied. Was würden Sie ihm raten – ab nach China oder beim BVB bleiben?
Er ist ein Topstürmer, war mit Lewandowski der Beste in der Bundesliga. Es wäre schade, wenn er nach China geht, weil es sportlich nicht interessant ist, sondern nur um Geld zu verdienen. Wenn er zu einem europäischen Topklub geht, ist das eher verständlich. Ich wünsche mir aber, dass Dortmund standhaft bleibt, auf den Vertrag besteht und ihn nicht gehen lässt. Er wäre ein Riesenverlust für die Bundesliga.
Borussia Dortmund hat vergangene Saison zwar den Pokal gewonnen, aber mit dem Streit zwischen Trainer Thomas Tuchel und der Vereinsführung ein mieses Bild in der Öffentlichkeit abgegeben. War das unwürdig?
Es war offensichtlich, dass das Tischtuch zerschnitten ist zwischen Thomas Tuchel auf der einen und Hans-Joachim Watzke sowie Michael Zorc auf der anderen Seite. Es wurde nicht mit einer Stimme gesprochen. Man hat gespürt, dass etwas nicht stimmt. Dementsprechend war es keine Überraschung, dass Tuchel gehen musste. Ich finde es schade, weil er Überragendes geleistet hat. Er hat den Umbruch geschafft, nachdem Hummels, Gündogan und Mkhitaryan gegangen sind. Er hat eine neue Mannschaft aufgebaut, einen Top-Job gemacht. Deshalb wird er auch über kurz oder lang wieder einen guten Job bekommen.
Hätte man sich zusammenraufen können?
Wenn Differenzen da sind – und das kam ja nicht von heute auf morgen, sondern entwickelt sich – dann kommt ein Stein ins Rollen und ist schwer aufzuhalten. Vielleicht waren beide Seiten zu stolz, um einzulenken. Wobei ich finde: Der Präsident muss das letzte Wort haben. Der ist verantwortlich für die Zukunft, für das Management und überlebt den Trainer sowieso. Der Trainer ist Angestellter und muss auch mal einen Schritt zurück machen.
Dazu wurde er letztlich gezwungen. Nachfolger ist Peter Bosz von Ajax Amsterdam. Die richtige Wahl?
Ich kenne Peter Bosz nicht. Aber er hat offensichtlich gute Arbeit geleistet in den Niederlanden und wird in den Gesprächen überzeugt haben. Borussia Dortmund hat gute Kontakte in die Niederlande, wird sich bei Managern und Beratern informiert haben. Ich freue mich darauf. Wir haben ein neues Gesicht in der Bundesliga. Das wird spannend.