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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trotz Seuchensaison Zweite Chance für BVB-Stürmer Ramos
Von Patrick Brandenburg
Am frühen Abend ist es soweit. Dann werden die Fans von Borussia Dortmund erstmals eine schwarz-gelbe Tuchel-Mannschaft im Wettkampf auf dem Rasen erleben. Der neue Trainer und seine BVB-Stars geben sich heute im Münsterland die Ehre, beim Test gegen den Landesligisten VfL Rhede.
Stürmer Adrian Ramos wird dann noch nicht mit von der Partie sein. Aber eine schlechte Nachricht ist das keineswegs für den Kolumbianer, der in der vergangenen Saison weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Gestern erst ist er nach langer Knöchelverletzung ins Lauftraining zurückgekehrt.
Sinnbilder der BVB-Krise
Offenbar wird der 29-Jährige eine zweite Chance beim BVB bekommen, wenn er wieder komplett fit ist. Die Verantwortlichen der Borussia sind jedenfalls weiter von den Fähigkeiten des früheren Hertha-Spielers überzeugt. „Sonst hätten wir ihn 2014 nicht verpflichtet“, sagte Sportdirektor Michael Zorc jüngst dem „kicker“. Bei Thomas Tuchel steht er ohnehin hoch im Kurs, der Coach hatte ihn schon als Mainz-Trainer auf dem Zettel.
Ramos war in seinem ersten BVB-Jahr mit nur drei Bundesliga-Toren und einer Vorlage vieles schuldig geblieben. In der Königsklasse und im DFB-Pokal kam zusammen noch mal die gleiche Bilanz dazu. Insgesamt aber zu wenig für einen Stürmer, von dem sich die Westfalen eine Konsequenz und Kaltschnäuzigkeit erwartet hatten, die seine Ablöse zumindest annähernd rechtfertigen würde. Etwa 10 Millionen Euro überwies Dortmund vergangenen Sommer an Hertha BSC, wo Ramos mit 16 Treffern und acht Assists ungleich effektiver zu Werke ging. Gemeinsam mit seinem noch neun Millionen Euro teureren Sturmkollegen Ciro Immobile wurde Ramos so unfreiwillig zum Sinnbild der BVB-Krise.
Offensive so schlecht wie lange nicht
Die beiden sollten nach dem Abgang von Fixpunkt Robert Lewandowski Dortmunds Weg in die Zukunft weisen. Doch der Wille, die Offensive vom Erfolgsmodell des Ein-Stürmer-Systems personell und taktisch auf ein breiteres Fundament zu stellen, ging über den BVB-Absturz verloren. Nach hoffnungsvollen Ansätzen vor allem in der Gruppenphase der Champions League, kehrte Trainer Jürgen Klopp reflexartig zum gewohnten 4-2-3-1-System zurück, als die Krise bedrohliche Züge annahm. Erst mit Flügelstürmer Pierre-Emerick Aubameyang als Aushilfe in der zentralen Spitze fand Dortmund zu mehr Sicherheit zurück.
Trotzdem erzielten die früheren Vollgasfußballer in der vergangenen Saison nur 47 Treffer – schlechter war Dortmund zuletzt vor neun Jahren. Selbst in der letzten Saison unter Thomas Doll traf die Borussia häufiger, obwohl sie 2007/08 noch sechs Plätze schlechter abschloss als die finale Klopp-Spielzeit. Die endete auf Rang sieben. Die Großbaustelle in der Offensive muss Tuchel nun dringend schließen.
Die Torausbeute des BVB in den vergangenen zehn Spielzeiten:
Spielzeit | 14/15 | 13/14 | 12/13 | 11/12 | 10/11 | 09/10 | 08/09 | 07/08 | 06/07 | 05/06 |
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Tore | 47 | 80 | 76 | 81 | 80 | 67 | 54 | 60 | 50 | 41 |
Platzierung | 7. | 2. | 2. | 1. | 1. | 5. | 6. | 13. | 9. | 7. |
Hin zum Ballbesitzfußball
In Mainz hat Tuchel vorgemacht, wie das funktionieren kann. Auch dort hat er meist nur mit einem Stürmer begonnen. Aber es wurde zum Markenzeichen der Rheinhessen, selbst im laufenden Spiel die taktische Ausrichtung ändern zu können. Bei Bedarf zog Tuchel einen defensiven Mittelfeldspieler auf die Seite, den Außenstürmer ins Angriffszentrum und die Partie damit zu einem 4-4-2 auf. In Dortmund dürfte er ähnliche Flexibilität von seinen Akteuren einfordern.
Durchaus möglich, dass die Zwei-Stürmer-Variante dabei zum Ausgangspunkt gerät. Denn das entspräche sehr viel mehr den Fähigkeiten, die Ramos und auch Immobile ursprünglich auszeichneten: mannschaftsdienliches, laufintensives Spiel mit einer vergleichsweise hohen Abschlussquote im Strafraum. Das könnte den Dortmundern auch dabei helfen, ihr zuletzt etwas umschaltlastiges Spiel, in dem Aubameyang mit wettbewerbsübergreifend 23 Treffern und zehn Torvorlagen zum einzigen Gewinner der Saison aufstieg, endlich um die Variante Ballbesitzfußball zu bereichern.
Sprung in der Hierarchie
Während Immobile auf dem Weg dorthin von Tuchel erst einmal auf den Prüfstand gestellt wird, scheint Ramos dagegen schon vor dem ersten Einsatz in der Vorbereitung einen Sprung in der Team-Hierarchie gemacht zu haben. Nächste Woche soll er nach langer Leidenszeit auch wieder ins Mannschaftstraining zurückkehren. Dann will er im zweiten Anlauf zeigen, was er wirklich für den BVB wert sein kann.