Wider das Vergessen Der Mann, der den FC Bayern erfand
Kurt Landauer war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt viermal Präsident des FC Bayern München. Später war der 1961 verstorbene Landauer jedoch lange im Verein vergessen. Inzwischen ist er dank der Bemühungen einiger Fans wieder ins Gedächtnis gerückt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ehrte die die Ultra-Gruppe "Schickeria" für die Aufarbeitung der Vereinsgeschichte nun mit dem diesjährigen Julius-Hirsch-Preis.
Die Auszeichnung bekommen seit 2005 Personen, Initiativen und Vereine, die sich als Aktive auf dem Fußballplatz, als Fans im Stadion, im Verein und in der Gesellschaft beispielhaft gegen Antisemitismus und Rassismus einsetzen. Namensgeber des Preises ist der im KZ ermordete deutsche Nationalspieler jüdischen Glaubens Julius Hirsch.
Spielfilm, Doku und Talkrunde
Die ARD widmete Landauer zudem einen Themenabend. Das Erste zeigte einen 90-minütigen Spielfilm, der Landauers letzte Amtsperiode beleuchtet. Im direkten Anschluss folgte im BR eine Dokumentation und eine Talkrunde über den "Mann, der den FC Bayern erfand" (Titel einer Biographie über ihn).
Selbst Karl-Heinz Rummenigge war der Name Kurt Landauer lange Zeit kein Begriff. "Mir ist der Name von 1974 bis 1984, als ich Spieler beim FC Bayern war, nicht einmal über den Weg gelaufen. Der war irgendwie aus den Geschichtsbüchern verschwunden", gestand der heutige Vorstandsboss von Bayern München in einem Interview mit dem BR offen ein. Dabei würde es den FC Bayern in der heutigen Form ohne die Aufbauarbeit seines früheren Präsidenten wohl gar nicht geben.
Landauer im KZ Dachau inhaftiert
Landauer, geboren 1884 als Sohn jüdischer Kaufleute, lenkte die Geschicke des FC Bayern von 1913 bis 1914, von 1919 bis 1921, von 1922 bis 1933 und von 1947 bis 1951. Der Höhepunkt seines Wirkens war die erste deutsche Meisterschaft der Münchner 1932.
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten galt der Verein als "Juden-Club", Landauer musste abtreten und emigrierte nach einer 33-tägigen Inhaftierung im KZ Dachau 1939 in die Schweiz. Seine Geschwister Paul, Franz, Leo und Gabriele wurden von den Nazis ermordet. Nur er und seine Schwester Henny überlebten.
Posthum zum Ehrenpräsidenten ernannt
Im Juni 1947 kehrte Landauer ins zerbombte München zurück, baute den Verein aus den Trümmern wieder auf und legte so als Präsident den Grundstein jenes FC Bayern, der heute einer der größten, finanzstärksten und bekanntesten Fußballklubs der Welt ist. "Er war ein Macher. Er hat zum Wohle des FC Bayern große Leistungen vollbracht", betonte Rummenigge. Landauer habe für eine "Kulturveränderung bei diesem Verein gesorgt."
Landauer galt als Patriarch. Er habe den Verein "autokratisch" geführt, erinnerte sich sein Neffe Uri Siegel (91): "Für meinen Onkel gab es nur den FC Bayern. Er war besessen von diesem Verein". Landauer selbst formulierte seine Leidenschaft einst so: "Der FC Bayern und ich gehören nun einmal zusammen - und sind untrennbar voneinander." Posthum wurde der 1961 in München verstorbene Landauer zum dritten Ehrenpräsidenten des Vereins neben Franz Beckenbauer und Wilhelm Neudecker ernannt.
Landauer legte Grundstein für professionelle Vereinsstruktur
"Er ist ein unglaubliches Vorbild für alle Jugendlichen", lobte der ehemalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß einst einen seiner Vorgänger. Landauer nehme "als Funktionär und Mensch einen herausragenden Stellenwert" in der Geschichte des Vereins ein.
Landauer war es auch, der beim FC Bayern schon in den 1930er-Jahren erste professionelle Strukturen einführte. Dies geschah nach seinen genauen Vorstellungen, die er vom Verhalten seiner Fußballer hatte. "Er hat bestimmte Sachen verboten, da hat er die Spieler wie Söhne behandelt: nicht rauchen, nicht trinken, kein Sex vor den Spielen", berichtet Siegel im "kicker"-Interview. Zu ihm habe er einmal gesagt: "Weißt du, mich haben im Leben nur zwei Dinge interessiert: Frauen und Fußball."
Aufarbeitung durch Fanklub vorbildlich
Dass die Fans und der Verein das Andenken von Landauer inzwischen auf besondere Weise bewahren, findet auch bei Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Anerkennung. Sie würde sich wünschen, "dass sich auch die anderen Klubs in Deutschland so der Vergangenheit widmen wie der FC Bayern".
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hoffe ebenfalls auf Nachahmer. Die Schickeria habe mit ihren Kurven-Choreografien, mit Lesungen und Fußballturnieren "ein deutlich sichtbares Zeichen gegen jede Art der Diskriminierung gesetzt", würdigte er die Fans. Niersbach will auch andere Ultra-Gruppen ermutigen, "mehr Verantwortung in diesem Bereich zu übernehmen".