Nach Hoeneß-Rücktritt Und plötzlich Aushängeschild! Rummenigges schweres Erbe
Es war ein unwirkliches Bild, als Karl-Heinz Rummenigge im letzten Spiel gegen Bayer Leverkusen auf der Tribüne saß und neben ihm der Sitz frei blieb. Dort nahm normalerweise immer Uli Hoeneß Platz. Doch was ist schon normal in diesen Tagen beim FC Bayern? Nach der verhängten Haftstrafe für Hoeneß wegen Steuerhinterziehung wird man sich in den nächsten Monaten an dieses Bild gewöhnen müssen. Genauso wie an die Tatsache, dass plötzlich Rummenigge das neue Gesicht des Rekordmeisters ist.
Bisher verkörperte Hoeneß den FC Bayern wie kein anderer. Er vereinte das Mia-san-Mia, das Siegergen, die Bayern-Arroganz genauso wie die Herzlichkeit, das Familiäre und Sensible in einer Person mit einer Selbstverständlichkeit, die Ihresgleichen sucht. Der 62-Jährige konnte die eigenen Mitglieder beleidigen oder vor ihnen heulen. Er war immer ihr Uli, der Präsident des Klubs, das Herz des Vereins.
Hoeneß hat das Emotionale bedient
"Wir müssen natürlich dafür sorgen, dass wir weiterhin stabil sind. Es wird nicht einfach sein, einen Mann wie Uli Hoeneß an der Spitze so ohne weiteres zu ersetzen", sagte Rummenigge. Der 58-Jährige ahnt bereits, dass auch für ihn eine neue Zeitrechnung beginnt.
Bisher war die Aufteilung der beiden Freunde perfekt. Während Hoeneß neben all seinen anderen Aktivitäten vor allem das Emotionale bediente und die Nähe zum Fanvolk lebte, war der kühle und überlegte Westfale Rummenigge vielmehr für das nationale und internationale Strippenziehen verantwortlich.
Nach außen mit einer Stimme gesprochen
Seit 1991 ist Rummenigge erst als Vize-Präsident, ab 2002 als Vorstandsvorsitzender für den FC Bayern in vorderster Front aktiv. Somit war er auch viele Jahre lang Chef von Hoeneß, bis dieser 2009 den Manager-Posten aufgab und Präsident des Klubs wurde. Als Vorsitzender der European Club Association (ECA) ist Rummenigge außerdem Kopf und Sprecher der wichtigsten unabhängigen Interessenvertretung der europäischen Fußballvereine. Dort genießt er höchstes Ansehen und ist im Ausland bestens vernetzt.
Rummenigge hat also seit nunmehr rund 22 Jahren Seite an Seite mit Hoeneß den FC Bayern nach außen vertreten. Die beiden waren zwar intern nicht immer einer Meinung, aber in der Öffentlichkeit passte zwischen die beiden kein Blatt Papier. Ihre unterschiedliche Betrachtungsweise so mancher Dinge war daher für den Klub eher eine Bereicherung, nie eine Belastung.
Sammer ist noch nicht lang genug da
Gingen wichtige Spiele verloren oder waren die Bosse mit der Leistung der Mannschaft nicht einverstanden, schwieg mal der eine, polterte mal der andere. Dieser Gegenpol fehlt Rummenigge nun. Zwar gibt es mit Matthias Sammer einen Sport-Vorstand, doch die Feinabstimmung fehlt natürlich noch. Sammer ist erst seit gut anderthalb Jahren beim FC Bayern. Als Sammer zu Rundenbeginn die lasche Einstellung der Stars kritisierte, pfiff ihn Rummenigge öffentlich zurück.
Von den Fans wird Rummenigge zwar respektiert, doch geliebt wird er nicht. Danach hat sich der ehemalige Weltklasse-Stürmer allerdings auch nie gesehnt. Dennoch: Rummenigge hatte als Bayern-Spieler auch großen Anteil an der sportlichen Erfolgsgeschichte des Klubs und war bei den beiden Europapokalsiegen der Landesmeister 1975 und 1976 bereits dabei. Sein Wechsel zu Inter Mailand 1984 für die damalige Rekordablöse von etwa elf Millionen Mark entschuldete die Bayern massiv. Viel mehr Stallgeruch als Rummenigge kann man also nicht haben. Das ist im Umgang mit den Fans immerhin eine verlässliche Basis.
"Killer-Kalle" war gestern
Innerhalb der Mannschaft genießt Rummenigge große Wertschätzung. Die Zeiten als er den Spitznamen "Kille-Kalle" von der Generation Effenberg und Co. verliehen bekam sind vorbei. Für Bastian Schweinsteiger ist er ein wichtiger Ansprechpartner. Rummenigge hat ihn stets vehement in Schutz genommen, wenn wieder einmal die Kritiker über Schweinsteiger herfielen. Auch für Arjen Robben hat Rummenigge immer eine Lanze gebrochen, wenn der Niederländer verletzt war oder nach dem verschossenen Elfmeter im "Finale dahoam" bei den Fans temporär in Ungnade fiel. Das kommt natürlich auch bei den Mitspielern an.
Dennoch kann er das Vakuum, das Hoeneß hinterlässt, nicht ausfüllen. Es wäre auch zu viel verlangt. Rummenigge ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass er sich treu bleiben muss. Hoeneß zu spielen käme ihm gar nicht in den Sinn. Vielmehr muss in Kauf genommen werden, dass es erst einmal ohne den emotionalen Leader aus der Führungsetage gut gehen muss. Es dürfte sicherlich viele Telefongespräche zwischen Hoeneß und Rummenigge in den nächsten Monaten geben.
Erfolg macht alles einfacher
Wie immer im Fußball wird es am Ende darauf hinauslaufen, ob die Mannschaft gewinnt oder verliert. Sollten den Bayern mit Guardiola tatsächlich das Kunststück gelingen, das Triple zu verteidigen, würde die temporäre Abwesenheit von Hoeneß gar nicht so sehr ins Gewicht fallen. Die Ereignisse allein würden für genügend emotionale Momente sorgen.