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Neuer deutscher Schwergewichts-Champion: Die Geschichte von Manuel Charr


Neuer Box-Champion
Die unglaubliche Geschichte des Manuel Charr

Von dpa
Aktualisiert am 26.11.2017Lesedauer: 3 Min.
Manuel Charr jubelt, als ihm der Weltmeistergürtel umgelegt wird.Vergrößern des Bildes
Manuel Charr jubelt, als ihm der Weltmeistergürtel umgelegt wird. (Quelle: Guido Kirchner/dpa-bilder)
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Bauchschuss, Hüftprothesen: Vor einem halben Jahr konnte Manuel Charr kaum laufen, jetzt wandelt er in den Fußspuren des großen Max Schmeling.

Deutschland hat nach 85 Jahren wieder einen Boxweltmeister im Schwergewicht. Manuel Charr heißt er, ist 33 Jahre alt, lebt in Köln. Der 1,92-Meter-Mann besiegte Samstagnacht in Oberhausen den Russen Alexander Ustinow einstimmig nach Punkten (115:111, 116:111, 115:112) und sicherte sich den Titel der WBA.

"Diesen Titel widme ich Deutschland"

"Deutschland, wir sind Weltmeister", rief der im Libanon geborene Charr vor 5000 Zuschauern in der König-Pilsener-Arena. "Diesen Titel widme ich Deutschland." Letzter deutscher Champion in der Liste der schwergewichtigen Berufsboxer war Max Schmeling, der von 1930 bis 1932 den Titel aller Klassen besaß.

Ein richtiger Nachfolger Schmelings, eines der größten Heroen in der Geschichte des deutschen Sports, ist Charr natürlich nicht. Ein Vergleich verbietet sich geradezu, den Leistungsstand von Schmeling hat er bei weitem noch nicht erreicht. Zudem war das Niveau in dem Duell nicht WM-würdig. Vor allem der 2,02 Meter große Riese Ustinow war allenfalls Mittelklasse und hätte nie um den WM-Gürtel kämpfen dürfen. Aber Charr hat an diesem Abend trotzdem etwas Einzigartiges geschafft.

Bauchschuss und zwei neue Hüften

Der Sohn eines Syrers flüchtete einst vor dem Bürgerkrieg in seinem Geburtsland. In seiner neuen Heimat Deutschland geriet er mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt, saß in Untersuchungshaft, musste vor Gericht. Vor zwei Jahren wurde er durch einen Bauchschuss in einem Döner-Imbiss in Essen lebensgefährlich verletzt und stand vor dem Karriereende. Er musste sich einer doppelten Hüftoperation unterziehen, womit ihm erneut das sportliche Aus drohte. Doch er hat sich aufgerappelt und einen Traum erfüllt: "Ich habe mich durchgebissen."

"Das macht ihn aus. Er hat den Menschen gezeigt: Auch wenn ihr am Boden liegt, ihr könnt wieder aufstehen, ihr könnt eure Probleme überwinden, ihr könnt schaffen, woran ihr vielleicht selbst gar nicht glaubt. In dem Punkt ist er ein Vorbild", sagte Trainer Ulli Wegner, der als Co-Kommentator von Sky am Ring saß.

Das Kampfniveau wollte der Sauerland-Coach, der Charr vor vielen Jahren betreut hatte, nicht bewerten. "Ich bin zu sehr mit Manuel verbunden, gebe ihm immer wieder Tipps am Telefon. Nur soviel: Der Russe hatte nichts drauf." Was der Verband WBA für einen Unfug mit Titelkämpfen betreibt, ist ohnehin absurd.

Ein medizinisches Wunder

Dass Charr vor knapp sieben Monaten zwei Hüftprothesen eingesetzt wurden und er nach achtwöchigem Training im Ring stand, ist ein medizinisches Wunder. Normalerweise braucht der Mensch ein Jahr, bis er sich nach einer solchen Operation halbwegs normal bewegen kann, sagen die Spezialisten. "Manchmal habe ich geweint vor Schmerzen", berichtete der Champion und rief ins Publikum: "Glaubt an euch. Arbeitet an euren Zielen. Seid hartnäckig. Nichts ist unmöglich!"

Charr hatte die behandelnden Ärzte zum Kampf eingeladen, holte sie bei der nächtlichen Pressekonferenz auf die Bühne und herzte sie. Er feiert nicht sich selbst, sondern sein Team. "Es ist genial. Was wir geschafft haben, wird in die Geschichte eingehen", meinte Charrs Manager Christian Jäger.

Gegen große Rivalen immer verloren

Noch ist Charr in den Herzen der deutschen Boxfans nicht angekommen. Das Publikum in der Halle war hauptsächlich arabisch geprägt. Es wurden libanesische und syrische Nationalflaggen geschwenkt, es klang immer wieder Charrs Geburtsname Mahmoud durch das Oval. Charr, der seit anderthalb Jahren den deutschen Pass besitzt, wie er versichert, hat aber die Chance, in der Publikumsgunst aufzuholen.

Bei der nächsten, größeren Bewährungsprobe muss er sein Leistungsvermögen beweisen. Gegen große Rivalen (Vitali Klitschko, Alexander Powetkin, Mairis Briedis) hat er grundsätzlich verloren. Zur Einordnung seines Titels: Über ihm thront der sogenannte WBA-Superchampion Anthony Joshua. Irgendwann wird der Deutsche gegen den Klitschko-Bezwinger antreten müssen. Charr: "Das ist mein Ziel. Ich will immer nur die Besten."

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