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Flüchtlingsdrama auf Lesbos: Wie ein Wuppertaler helfen will


Einsatz auf Lesbos
Warum sich ein Wuppertaler für Flüchtlinge in Gefahr bringt

InterviewVon Thomas Besche

13.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Momentaufnahme aus dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos: Das Lager ist überfüllt.Vergrößern des Bildes
Momentaufnahme aus dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos: Das Lager ist überfüllt. (Quelle: ANE Edition/imago-images-bilder)

Seit 2015 engagiert sich der Wuppertaler René Schuijlenburg für Flüchtlinge im Ausland. Nun reist der 54-Jährige auf die griechische Insel Lesbos, wo sich die Lage dramatisch verschärft hat.

t-online.de: Herr Schuijlenburg, Ihre nächste Tour mit ihrer selbst gegründeten Organisation "Cars of Hope" wird wie viele andere zuvor nicht ungefährlich sein. Was treibt Sie an, es dennoch zu tun?

René Schuijlenburg: Auf Lesbos drohen Hilfsstrukturen für die in Zelten lebenden Geflüchteten zusammenzubrechen. Es brennen Häuser und Autos. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden angegriffen. Es geht darum, Helfer vor Ort abzulösen. Wir können den dortigen Rechtsradikalen nicht das Feld überlassen. Aber ich gebe zu, dass mich die zu erwartende Situation schon etwas nervös macht.

Wie bereiten Sie sich auf eine Ihrer vermutlich schwierigsten Touren vor?

Wir unterhalten uns mit Anwälten in Wuppertal und auf Lesbos, die uns bei unserer Arbeit unterstützen. Es gibt viele Teamtreffen, auf denen wir erörtern, wo unsere eigenen Grenzen liegen, wie weit wir gehen können. Es gibt auch einsatztaktische Planungen, zum Beispiel wie wir auf Lesbos Straßensperren umgehen können.

Wer errichtet die?

Rechtsradikale bauen Barrikaden auf, zerren die Helfer aus den Autos und sind zum Teil gewalttätig. Das ist eine gar nicht so große Gruppe, aber diese schafft es, mit ihrer Brutalität Helfer abzuschrecken. Ein Journalist aus Deutschland musste sich mit einer Platzwunde am Kopf im Krankenhaus behandeln lassen, seine Ausrüstung landete im Meer.

In den Medien war auch die Rede davon, dass sich immer mehr Einheimische gegen die Flüchtlinge wenden. Stimmt das?

Das sehe ich nicht so. Wir stehen mit einigen in Kontakt. Viele Einheimische schämen sich für die gewalttätige Gruppe, die den griechischen Rechtsradikalen der Partei "Goldene Morgenröte" angehören. Es gab ja auch deutsche Rechtsradikale, die aber von Dorfbewohnern verprügelt wurden und inzwischen wieder abgereist sind. Natürlich ist die Situation auch für die Inselbewohner nicht einfach. Zu den 20.000 Einwohnern der Hauptstadt Mytilini sind 20.000 Flüchtlinge gekommen. Stellen Sie sich vor, in Wuppertal würden 300.000 Menschen zusätzlich in Zelten wohnen.

Welche Aufgaben erwarten Sie vor Ort?

Wir werden Hilfsgüter verteilen, Pakete zusammenstellen und in Wechselschichten wichtige Gebäude überwachen. Würde das Lagerhaus abbrennen, wäre das eine Katastrophe. Zwei Einrichtungen wurden bereits angezündet. Darunter auch eines, das wir unterstützt haben, in dem mit Kindern gearbeitet wurde, es geht also um Schul- und Sportprojekte. Viele Flüchtlinge leben schon drei Jahre auf Lesbos und warten seitdem auf die Bearbeitung ihres Asylantrags. Die griechischen Behörden arbeiten da sehr, sehr langsam. Die Langeweile ist für die in Zelten lebenden Menschen das Schlimmste. Sie dürfen nicht arbeiten und wissen nicht, wofür sie morgens aufstehen sollen. Wichtig ist deshalb, den Kindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen.

Wie lange wollen Sie auf Lesbos bleiben?

Geplant sind zunächst einmal zwei Wochen, es besteht aber die Option auf einen Monat. Wir haben uns ein Appartement in der Hauptstadt Mytilini gemietet. Das Team umfasst fünf Leute, es können aber noch mehr werden. Wir sind erfahren und haben in Bosnien und Serbien schon einige haarige Situationen erlebt. In Belgrad drohte uns 2017 die Polizei, uns zu verhaften, wenn wir weiter Lebensmittel verteilen würden. In Ungarn war es auch sehr unangenehm. Da fragt man sich schon, wohin sich diese Welt entwickelt.

Was war für Sie der auslösende Moment, speziell Geflüchteten zu helfen?

Meine Kinder sind inzwischen erwachsen. Aber ich habe mich 2015 gefragt, was wäre, wenn wir hier die gleiche Situation wie auf dem Balkan gehabt hätten. Was wäre dann aus meinen Kindern geworden, wer hätte ihnen geholfen?

Für mich ist auch nur schwer auszuhalten, dass das türkische Militär in Syrien mit deutschen Leopard-Panzern auf Menschen schießt. Cars of Hope ist nur ein kleiner Tropfen gegen das Elend in der Welt, aber daraus kann ein großer werden.

Wie werden Sie unterstützt?

Das Spendenaufkommen hat sich nach dem Bruch des Türkei-EU-Deals und den Schüssen griechischer Grenzer auf Flüchtlinge deutlich erhöht. Viele Menschen schreiben Mails, rufen an, erkundigen sich über unsere Arbeit. Am Sonntag haben wir Crêpes gebacken, da war die Bude voll, und es gab viele Interessierte an unserer Arbeit.

Wie verarbeiten Sie die sicher nicht einfachen Erlebnisse?

Wir haben in unserer Gruppe Therapeuten, die einem helfen. Die habe ich am Anfang auch in Anspruch genommen. Inzwischen habe ich einen Weg gefunden, es gut selbst zu verarbeiten.

Und wie vereinbaren Sie Ihre reisende Hilfstätigkeit mit Beruf und Familie?

Ich habe einen verständnisvollen Arbeitgeber und arbeite seit drei Jahren nur noch halbtags. Manchmal arbeite ich auch Stunden heraus und kann dann länger freinehmen. Familiär kann die Abwesenheit schon belastend sein. Meinen jüngsten Sohn hatte ich aber schon öfter dabei. Das ist dann etwas leichter für alle.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit René Schuijlenburg
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