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Wuppertal: Warum es immer weniger Kneipen gibt


Pinten müssen schließen
Warum es in Wuppertal immer weniger Kneipen gibt


18.10.2019Lesedauer: 3 Min.
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Menschen sitzen vor einer Kneipe: In Wuppertal sterben viele Lokalitäten aus.Vergrößern des Bildes
Menschen sitzen vor einer Kneipe: In Wuppertal sterben viele Lokalitäten aus. (Quelle: Spunk)

Bei Andreas Kluczynski gibt es in diesem Jahr Grund zum Feiern. Seine Kultkneipe "Spunk" an der Flensburger Straße besteht seit 25 Jahren. Ein solches Betriebsjubiläum ist keine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen der klassischen Kneipe auch in Wuppertal das Abstellen des Bierhahns droht.

In Wuppertal gibt es immer weniger Kneipen. Da ist Andreas Kluczynski mit seinem "Spunk" eine Ausnahme. "Als ich 1994 das 'Spunk' eröffnet habe, gab es von der Gathe bis zum Platz der Republik 18 Kneipen. Ich bin mit dem 'Spunk' übrig geblieben", sagt der 57-Jährige und beschreibt seine Pinte so: "Wir gehören keiner Kette an, es ist gemütlich bei uns, und wir sind kein Schickimicki-Laden."

Dieses Etikett trägt das "Wirtschaftswunder" an der Wiesenstraße nun wahrlich ebenfalls nicht. Dennoch musste der Wirt jüngst das Aus zum Jahresende verkünden. Die Gästezahlen sind rückläufig, die Kosten nicht.

Jede achte Kneipe dicht gemacht

Natürlich ist der Erfolg eines gastronomischen Betriebs auch immer von individuellen Parametern abhängig. Doch die objektive Tendenz ist eindeutig: Zwischen 2007 und 2017 hat nach Zahlen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) jede achte Wuppertaler Kneipe dichtgemacht. Tendenz unter den laut Statistischem Landesamt knapp 450 gezählten Gastro-Unternehmen in Wuppertal: weiter rückläufig.

"Die klassische Eckkneipe wird wohl irgendwann ganz verschwunden sein", sagt Isabel Hausmann, stellvertretende Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Nordrhein e.V. (Dehoga), der auch für Wuppertal zuständig ist.

Als Hauptgrund macht sie dafür den gesellschaftlichen Wandel verantwortlich. Niemand müsse mehr die heimischen vier Wände verlassen, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Das Internet habe den Stammtisch als Informationsquelle abgelöst.

Harter Wettbewerb im Kneipen-Geschäft

Wer im harten Wettbewerb um Gäste mithalten will, muss zudem ein viel größeres Angebot als noch vor Jahren haben. Nur Bier und Frikadelle reichen nicht mehr. Die Getränkeauswahl muss umfangreicher, eine Speisekarte vorhanden sein. "Außerdem muss das Konzept stimmen", sagt Hausmann. "Die Leute wollen chillen, alleine sitzen, weg vom Tresen."

Die sogenannte Systemgastronomie, die in Wuppertal vor allem an der Elberfelder Herzogstraße mit einigen Läden vorhanden ist, weiß den Trend zu nutzen. "Dahinter steckt ganz viel Know-how. Im 'Hans im Glück' wird man beispielsweise geduzt. So fühlen sich die Gäste jung. Gerade die Konzentration von mehreren systemgastronomischen Betrieben an einer Stelle sorgt dafür, dass dort ein 'Sehen-und-Gesehen-werden' herrscht", so Hausmann.

Rauchverbot als Ursache fürs Kneipensterben?

Dass die Standardkneipe bald ausgedient haben könnte, hat aber nach Ansicht von Zayde Torun von der NGG noch andere Ursachen. "Das seit 2013 bestehende absolute Rauchverbot in der NRW-Gastronomie hat es den Wirten nochmals schwerer gemacht", sagt Torun. Hinzu kämen auch strukturelle Probleme.

"Die Gastrobranche insgesamt hat ein Imageproblem. Die Wirte finden keinen Nachwuchs, weil die Arbeitsbedingungen und Löhne schlecht sind. Viele Betriebe zahlen nur einen Stundenlohn, der dem Mindestlohn von 9,19 Euro entspricht. Der Entgelttarifvertrag sieht aber in der untersten Tarifgruppe seit dem 1. August dieses Jahres 9,80 Euro vor", so Torun. Steigende Kosten in vielen Bereichen und eine zunehmende Bürokratisierung würden zudem den Gastronomen das Leben schwer machen.

Fußball als Publikumsmagnet

Auch für Andreas Kluczynski herrschte in seinem "Spunk" in den vergangenen 25 Jahren nicht immer eitel Sonnenschein. Seine Überlebens-Trümpfe sind die gute Küche und die TV-Übertragung von Fußballspielen auf Sky. "Ich habe das mal ein Jahr nicht abonniert. Da ist der Umsatz gleich um 40 Prozent eingebrochen. Fußball zieht Gäste an, die sonst nicht kommen", sagt Kluczynski. Auch der Auftritt von Bands mache sich positiv bei den Gästezahlen bemerkbar.

Auch wenn er sagt, dass er mit dem "Spunk" nicht reich geworden sei, blickt Kluczynski doch einigermaßen optimistisch in die Zukunft. Seit einiger Zeit registriert er nämlich mehr Gäste "so im Alter zwischen 20 und 25".


Und auch Isabel Hausmann von der Dehoga wirft einen, wenn auch eher gemutmaßten, Rettungsring in Richtung der untergehenden Kneipe: "Zu jedem Trend gibt es einen Gegenpol. Für die klassische Kneipe könnte in Zukunft dann doch wieder sprechen, dass die Leute dort entschleunigen können, das Handy mal keine Rolle spielt und Gesellschaftsspiele oder die Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht wieder stärker im Mittelpunkt steht."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Andreas Kluczynski
  • Gespräch mit Isabel Hausmann
  • Gespräch mit Zayde Torun
  • Statistisches Landesamt NRW
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