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Streik in Hamburg: Am Hauptbahnhof entstehen Corona-Flashbacks


Das große Chaos bleibt aus
Streik: Am Hauptbahnhof entstehen Corona-Flashbacks


Aktualisiert am 27.03.2023Lesedauer: 3 Min.
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"Streik" steht auf der orangen Warnweste eines Streikenden: Mit Trillerpfeifen ziehen sie am Montagmorgen durch den Hamburger Hauptbahnhof.Vergrößern des Bildes
"Streik" steht auf der orangen Warnweste eines Streikenden: Mit Trillerpfeifen ziehen sie am Montagmorgen durch den Hamburger Hauptbahnhof. (Quelle: Jannis Große)

Zwei Gewerkschaften legen bundesweit den Verkehr lahm. Ein Blick nach Hamburg zeigt: Die Menschen haben sich vorbereitet – und zeigen auch Verständnis.

Wo sonst die Menschenmassen des Berufsverkehrs in Hamburg auf S-Bahnen warten, ist am Montagmorgen bloß ein leerer Bahnsteig. Nur vereinzelt verirren sich Fahrgäste hierher und werden von Durchsagen und Anzeigetafeln aufgeklärt: Es gilt ein ganztägiger Warnstreik in der Verkehrsinfrastruktur. Ein "Megastreik", wie es in den letzten Tagen hieß.

In der Hansestadt sind vom Streik die S-Bahnen, die Züge der AKN-Bahn sowie der Regional- und Fernverkehr der Deutschen Bahn betroffen. Neben den Beschäftigten der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) streiken in Hamburg auch Beschäftigte der Hamburg Port Authority (HPA), der Autobahn GmbH und des Flughafens.

Streik auch am Flughafen und im Hafen

Am Hamburger Flughafen fallen alle Abflüge aus, auch mehr als die Hälfte aller Landungen sind abgesagt. Ursprünglich waren 147 Starts und 152 Landungen geplant. Es wurden 35.000 Passagiere erwartet. Im Hafen droht zudem ein Stillstand der Containerschiffe.

U-Bahnen, Busse und Fähren sind nicht vom Warnstreik betroffen. Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) reagiert auf den Warnstreik besonnen. In Veddel ist die Buslinie 13 bis zur U-Bahn an den Elbbrücken verlängert. Und auch die Buslinie 154 zwischen Wilhelmsburg und Berliner Tor sowie die U4 ab Elbbrücken sind am Montag "verstärkt", wie es der HVV ausdrückt.

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Darum geht es beim Streik

Zum Start der dritten Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst will Verdi zeigen, wer am längeren Hebel sitzt. Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Diese 500 Euro seien für die Beschäftigten mit niedrigen Einkommen "richtig wichtig", sagt Verdi.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert in den Tarifverhandlungen mit rund 50 Unternehmen in der Eisenbahn- und Verkehrsbranche eine Lohnerhöhung von 650 Euro für alle, alternativ 12 Prozent mehr.

Zum Vergleich: Die Inflationsrate liegt aktuell bei 8,7 Prozent, bei Lebensmitteln lag sie im Februar bei 21,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Ein echtes Problem für niedrige Einkommen.

Freie Fahrt für den Individualverkehr

Auch die Nadelöhre über die Elbe sind offen. Auf den Norderelbbrücken ist viel – aber nicht ungewöhnlich viel – Verkehr. Zwei Polizeifahrzeuge sichern hier den Bereich ab, um "zügig eingreifen zu können", wie es von der Pressestelle heißt. Erst am Wochenende hatte die "Letzte Generation" mit ihrer Aktion an den Elbbrücken für Verkehrschaos gesorgt.

Verdi hatte im Vorfeld angekündigt, drei der vier Tunnelöffnungen des Elbtunnels zu bestreiken. Die Autobahn GmbH ging rechtlich dagegen vor. Am Sonntag ordnete das Landesarbeitsgericht dann Notdienstmaßnahmen in der Tunnelbetriebszentrale an, um den Elbtunnel am Montag ab 5 Uhr regulär öffnen zu können.

Corona-Flashbacks am Hauptbahnhof

Auch am Hauptbahnhof sind die Bahnsteige leer. Ein einsamer Metronom steht auf einem Abstellgleis, in sehr unregelmäßigen Abständen fahren S-Bahnen durch den Bahnhof. Bei einem Verkäufer einer Bäckerei weckt der Zustand Erinnerungen an Corona.

"Wir haben gar nicht damit gerechnet, dass es so leer ist", sagt er. Er hat Verständnis für das Anliegen der Beschäftigten, aber ein ungutes Gefühl. Die Leere erinnere ihn an Kurzarbeit. Er wünschte, es gäbe ein anderes Mittel für den Arbeitskampf. "Die Entscheidungsträger betrifft das nicht, nur die kleinen Leute", sagt er. Die Entscheidungsträger würden die Auswirkungen nicht direkt spüren, sie würden nur Zahlen und Profite sehen.

"Wir müssen früher los, sonst werden wir nicht bezahlt", ergänzt seine Kollegin. Wer kein Auto hat oder Kinder zur Kita bringen muss, habe wirklich ein Problem, meinen die beiden Verkäufer. Trotz allem, das betont der Verkäufer mehrfach, sei er solidarisch mit dem Streik.

"Können gar nicht so schlecht arbeiten, wie wir bezahlt werden"

Mehr 200 Streikende ziehen währenddessen mit Trillerpfeifen und Sprechchören durch den Bahnhof. "Was ist vernünftig? 650!", rufen sie. Ab 11 Uhr sammeln sich die Gewerkschaften mit mehr als 500 Beschäftigten am Alten Elbtunnel zur Streikdemo.

Wer in Hamburg lebt, müsse sich auch leisten könne, in dieser "reichen Stadt" zu leben, meinen die Gewerkschaftler. "Wir können gar nicht so schlecht arbeiten, wie wir bezahlt werden", steht auf einem Schild. In einer Rede wird angedeutet, dass im Zweifel auch ein unbefristeter Streik nicht ausgeschlossen ist.

Anders als es immer wieder dargestellt wird, sei der Streik absolut nicht übertrieben, sagt ein Redner. "Wir müssen schauen, dass wir genug Geld haben, um uns was zu Essen zu leisten, unsere Familien zu ernähren, unsere Mieten zu bezahlen".

Androhung von unbefristeten Streiks als Lösung?

Dass der Druck von Streiks wirkt, haben die Tarifverhandlungen bei der Post gezeigt. Dort konnten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft immerhin auf monatlich 340 Euro mehr einigen – nachdem sich 85,9 Prozent der Verdi-Mitglieder für unbefristete Streiks ausgesprochen hatten.

Mit einer Einschränkung müssen die Hamburger an diesem Streiktag doch leben: Der Alte Elbtunnel ist ab 13 Uhr vollständig geschlossen. Die Arbeiter der HPA streiken auch.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • hvv.de: Pressemitteilung vom 24. März 2023
  • hamburg.verdi.de: Pressemitteilung vom 23. März 2023
  • evg-online.org: "Bundesweiter Warnstreik der EVG am 27.03.2023"
  • deutschebahn.com: "Presse-Blog: Alle Infos zum EVG-Streik"
  • deutschebahn.com: "EVG-Warnstreik: Auswirkungen auf den Zug- und Busverkehr"
  • justiz.hamburg.de: Pressemitteilung vom 26. März 2023
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