"Gibt keine Rechtfertigung" Strack-Zimmermann kritisiert Anti-Israel-Proteste scharf
Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf hat Marie-Agnes Strack-Zimmermann geehrt. Die FDP-Politikerin warnte vor der "zersetzenden Kraft" des Antisemitismus.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat mehr Zivilcourage von Bürgern gegen den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und Einsatz für jüdische Mitbürger gefordert. Es komme in diesen Tagen "zum Schwur, ob unser Bekenntnis 'Nie wieder' zur Farce verkommt", sagte die Bundestagsabgeordnete am Donnerstag in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Dort wurde ihr für ihren jahrelangen Einsatz gegen Antisemitismus die Josef-Neuberger-Medaille verliehen.
Mit Blick auf den Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel sagte Strack-Zimmermann, die Menschen müssten sich jetzt "sichtbar" vor die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern stellen. Denn es sei in diesen Tagen auch "ein anderes Deutschland" zu erleben – mit brennenden israelischen Flaggen und Menschen, "die den Mord an den Israelis auf offener Straße frenetisch feiern".
Mit einer Schweigeminute wurde bei dem Festakt in der Düsseldorfer Synagoge der Opfer des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober gedacht. Der Jahresempfang wurde nach Angaben der Gemeinde den mehr als 200 von der Hamas in den Gazastreifen entführten Geiseln gewidmet. Vermissten-Fotos der Verschleppten hingen an einer Wand im Foyer.
Kritik am Generalsekretär der Vereinten Nationen
Eine Relativierung des Angriffes auf Israel sei nicht zu tolerieren, weder auf der Straße, in Kneipen und Parlamenten noch von Freunden "und auch nicht vom Generalsekretär der Vereinten Nationen", sagte Strack-Zimmermann. Sie kritisierte mangelndes Engagement der "Mitte der Gesellschaft, der intellektuellen Elite des Landes" angesichts der antisemitischen Parolen auf den Straßen, der Angriffe auf Juden und der Brandmarkung jüdischer Wohnungen, um Bewohner einzuschüchtern. "Wo findet sich in diesen Tagen der unüberhörbare gesellschaftliche Protest?", fragte sie. "Das liberal aufgeklärte Bürgertum wird den Preis für diese Ignoranz einmal bezahlen müssen."
Der Entertainer und Autor Hape Kerkeling sagte in seiner Laudatio auf Strack-Zimmermann mit Blick auch auf das Erstarken der AfD, Staat und Gesellschaft hätten sich früher der "zersetzenden Kraft" der Gegner der Demokratie entgegenstellen müssen. "Wir haben unterschätzt, wie stark der Wille zur Zerstörung unserer freien Gesellschaft aufseiten der Gegner ist." Zwar müsse man auch andere Meinungen ertragen können. "Antisemitismus aber ist keine Meinung, sondern ein Angriff auf die Menschlichkeit", so Kerkeling.
Spätestens seit dem 7. Oktober sei das jüdische Leben auch in Deutschland wieder existenziell bedroht. "Das dürfen wir als Zivilgesellschaft nicht zulassen. Wir müssen uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren." Menschenhass müsse mit Recht und Gesetz bekämpft werden.
Rechtsstaat soll durchgreifen
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Oded Horowitz, bezeichnete den 7. Oktober als "Zäsur für unsere Demokratie". Hamas habe "den einzigen Schutzraum", den Juden weltweit hätten, zerstören wollen. Dieser Schutzraum müsse wiederhergestellt werden. Es sei unbegreiflich, dass das Massaker auf deutschen Straßen auch noch "abgefeiert" werde. Der Rechtsstaat müsse gegen Antisemitismus durchgreifen und die Täter bestrafen. Das freiheitliche und offene Miteinander in der Gesellschaft sei sonst gefährdet. Eltern seien verunsichert. Aber trotz aller Herausforderungen solle das jüdische Leben in Düsseldorf gestärkt werden.
Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz, wehrte sich gegen jegliche Versuche, den Überfall der Hamas – "dieses Pogrom" – in einen Kontext zu israelischer Politik zu stellen und damit zu relativieren. "Es gibt keinen Grund und keinen Kontext auf der Welt für das, was am 7. Oktober in Israel passiert ist. Es gibt keine Rechtfertigung dafür." Weiter sagte Goldschmidt: "Wir werden diesen Krieg gewinnen und immer wissen, wer an unserer Seite geblieben ist."
Die Neuberger-Medaille ist nach dem ehemaligen NRW-Justizminister Josef Neuberger (1902-1977) benannt und wird für Engagement gegen Antisemitismus verliehen. Ausgezeichnet wurden damit bisher etwa die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Band Die Toten Hosen und der Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke.
- Nachrichtenagentur dpa