Gefahren ignoriert Fukushima-Katastrophe war wohl vermeidbar
Die Reaktorkatastrophe von Fukushima beruht auf menschlichem Versagen - und hätte somit wohl verhindert werden können. Doch die fahrlässige Ignoranz der Betreiberfirma Tepco führte zu schweren Konstruktionsfehlern - und damit letztlich in ein atomares Desaster. Das berichtet das Wissenschaftsmagazin "scinexx.de".
Eine Studie offenbart, dass wesentliche Sicherheitsmaßnahmen unterblieben sind. Besonders fatal: Mögliche Erdbebenstärken und daraus resultierende Tsunamihöhen wurden - gegen den ausdrücklichen Rat von Experten - viel zu niedrig angesetzt.
Als dann am 11. März 2011 die Erde bebte und anschließend ein Tsunami die Küsten im Nordosten Japans überschwemmte, wurde auch das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi schwer beschädigt und geflutet - mit verheerenden Folgen. Das Kühlsystem fiel aus, drei Reaktorblöcke überhitzten und es kam zur Kernschmelze. Radioaktive Gase wurden freigesetzt.
Viele vermeidbare Fehler und Mängel
Ein Team um Costas Synolakis von der University of Southern California hat Hunderte Prüfberichte sowie interne Berichte von Tepco ausgewertet. "Wir haben festgestellt, dass es Designprobleme gab, die zur Katastrophe führten und die schon lange vor dem Erdbeben hätten behoben werden können", zitiert "scinexx.de" den Wissenschaftler Synolakis.
Das Atomkraftwerk sei dadurch wehrlos wie eine "sitting duck", eine festsitzende Ente, gewesen. "Eine ganze Kaskade von industriellen, regulatorischen und technischen Fehlern" habe zu dem Reaktorunfall geführt - die Katastrophe sei quasi vorhersehbar gewesen.
Sämtliche Notstromaggregate waren ausgefallen
Vor allem die Notstromsysteme der Atomanlage waren demnach eine völlige Fehlkonstruktion. Eigentlich hätten Dieselgeneratoren das Kühlsystem des Kraftwerks bei einem Stromausfall in Betrieb halten sollen. Doch der Tsunami spülte zwölf der 13 Generatoren einfach weg - und der verbliebene wurde überflutet.
Von 33 Notleitungen zu externen Generatoren wurden 31 zerfetzt. Die Anschlüsse für Dieselgeneratoren, die von Einsatzkräften herbeigeschafft wurden, lagen unerreichbar in der verseuchten Brühe des Reaktorkellers.
Systeme für harmlose Szenarien ausgelegt
Die Studie zeigt, dass Tepco bei den Notfallsystemen von völlig belanglosen Szenarien ausging. So legte man die Anlage für eine maximale Erdbebenstärke von 7,5 aus, obwohl an der japanischen Küste bereits Beben der Stärke 8,6 registriert worden waren. Auch als am 27. Februar 2010 ein schweres Erdbeben der Stärke 8,8 die Küsten Chiles verwüstete, sah Tepco keinen Handlungsbedarf.
Auch bei der aus Erdbeben resultierenden Tsunamihöhe ging Tepco nur von einer relativ bescheidenen Welle aus: Die Betreiberfirma konstruierte die Anlage für eine maximale Höhe von 5,7 Metern - obwohl Experten eine Welle von 8,4 bis 10 Metern Höhe für realistisch erachteten und Tepco vor einer drohenden Katastrophe warnten.
Mängel von Fukushima nur ein Einzelfall?
Die haarsträubende Konsequenz: Die für die Kühlung der Anlage im Ernstfall entscheidenden Dieselgeneratoren wurden an gefährdeten Stellen aufgebaut, einige davon sogar im Keller des Atomreaktors. "Das ist unerklärlich", so die Forscher. Die Folgen sind bekannt: Als am 11. März 2011 die 13 Meter hohe Tsunamiwelle das AKW Fukushima traf, waren auf einen Schlag alle Generatoren unbrauchbar - die Kühlung setzte aus.
"Die Katastrophe hätte vermieden werden können, wenn interne Standards befolgt worden wären, es internationale Reviews gegeben hätte - und man den gesunden Menschenverstand genutzt hätte", sagt Synolakis.
Leider ist derzeit nicht bekannt, ob Fukushima nur ein Einzelfall war oder ob auch andere Atomkraftwerke in Küstennähe in ähnlicher Weise gefährdet sein könnten. Globale Standards für Atomanlagen in Tsunami-Regionen existieren nicht.
Mit Material aus dem Wissenschaftsmagazin "scinexx.de".