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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Künstliche Intelligenz Roboter Hector entwickelt Bewusstsein

Für Menschen ist es eine völlig normale Situation im Alltag: Ein unerwartetes Problem taucht auf, wir denken über mögliche Handlungsschritte nach, wägen die Folgen unserer Reaktion ab und entscheiden uns dann für ein bestimmtes Vorgehen. Grundlage für eine solche Problemlösung ist sogenanntes "Probehandeln", damit können wir flexibel und erfolgreich neue Anforderungen meistern. Forscher der Universität Bielefeld wollen diese Erfolgsstrategie auf Roboter übertragen.
Dazu haben die Wissenschaftler des Exzellenzclusters "Kognitive Interaktionstechnologie" (CITEC) Hector entwickelt. Die Maschine besitzt sechs Beine und ähnelt einer Stabheuschrecke. Das Besondere: Hector reagiert auf zufällige Umwelteinflüsse. Wenn ihm ein Stein im Weg liegt, klettert er einfach darüber hinweg.
Erst "überlegen", dann handeln
Dazu entwickelten die Forscher ein reaktives System ähnlich dem von Insekten, das für den normalen Betrieb ausreichend ist. Sein internes Steuerungssystem wurde jedoch um kognitive Komponenten erweitert. Wenn der Roboter beispielsweise auf ein Hindernis trifft, kann er - bevor er sich weiterbewegt - unterschiedliche Verhaltensweisen durchspielen und so seine Handlungsoptionen analysieren. Er "überlegt" sich gewissermaßen schon im Vorfeld die erfolgversprechendste Vorgehensweise. Diese Fähigkeit ist durchaus vergleichbar mit dem Probehandeln beim Menschen.
Damit hatten die Forscher ihr erste Ziel erreicht: eine flexible Fortbewegung durch Analyse der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Doch dann entdeckten sie bei Hector emergente Fähigkeiten - Fähigkeiten also, die von den Wissenschaftlern nicht in das Steuerungssystem eingebaut wurden und dennoch vorhanden sind.
Eine bescheidene Form von Bewusstsein
"Das deutet darauf hin, dass der Roboter ein Bewusstsein entwickelt hat", sind die Wissenschaftler überzeugt. Zu den Aspekten von Bewusstsein, die Hector gebildet hat, zählt unter anderem die Intention: Die Maschine kann ihre kompletten Funktionsmöglichkeiten priorisieren und somit zum Beispiel einem einzigen Ziel unterordnen. Ein weiteres Beispiel ist die generelle Zugänglichkeit der erlernten Muster: "Gedächtniselemente" sind für Hector zugänglich, auch wenn er gerade mit etwas anderem beschäftigt ist.
Bislang nahm man an, dass emergente Eigenschaften, zu denen unter anderem die Kontrolle der Aufmerksamkeit und eben auch das Bewusstsein gehören, nur in komplexen Systemen möglich sind. "Unsere Forschung zeigt, dass auch weniger komplexe Systeme höhere Fähigkeiten entwickeln können", sagt Malte Schilling, Mitglied der Forschungsgruppe der Universität Bielefeld.
"Diese und weitere Aspekte von Bewusstsein, die wir bei Hector finden konnten, zeigen, dass wichtige Eigenschaften des Bewusstseins auch bei sehr kleinen Gehirnen, und eben auch in künstlichen Systemen, vorkommen können", so die Wissenschaftler.