Nahtoderfahrung entzaubert "Wie ein Feuer, das durch das Gehirn rast"
Lange galten sie als Quasi-Beweis für ein Leben nach dem Tod: Bilder und Töne, die Sterbende wahrnehmen. Sie wähnen sich in einem Tunnel, an dessen Ende ein golden leuchtendes Licht wartet. Ihr Leben zieht in schönen Bildern an ihnen vorbei und Stimmen geliebter Menschen umgeben sie. Angst und Schmerz sind vergangen und bei einem Blick zurück sehen sie ihren Körper auf dem Sterbebett liegen, während Ärzte und Pfleger sich um sie bemühen.
Berichte von Nahtoderfahrungen überlebender Patienten - betroffen ist etwa jeder fünfte - waren lang ein Trost für alle, die auf ein Leben nach dem Tod hoffen. Seit langem jedoch vermuten Wissenschaftler einen ganz anderen Hintergrund: Das sterbende Gehirn suggeriere dem Todgeweihten den tröstlichen Ausblick aufs Paradies, um ihm den Abschied zu erleichtern - letztlich eine Halluzination als Gnade der Natur.
Gehirn beim Sterben "überstimuliert und hyper-erregt"
Nun können Wissenschaftler der Universität Michigan mit Forschungsergebnissen aufwarten, die der Fraktion der Ungläubigen kräftig Auftrieb verschaffen: Demnach könnte ein bislang unbekannter sprunghafter Anstieg der Hirnaktivität kurz nach dem Tod für die Wahrnehmungen verantwortlich sein.
Bislang hatte man dies für unmöglich gehalten, nach dem Motto: Ist das Herz tot, hat auch das Hirn nichts mehr zu melden. Nun fand das Forscher-Team um die Neurologin Jimo Borjigin heraus, dass vermutlich genau das Gegenteil der Fall ist: Die Hirnaktivität erhöht sich bei manchem Messwerten bis auf das Achtfache.
Studienobjekte waren neun Ratten. Deren Hirnwellen starben nach dem Herzversagen keineswegs sofort mit ab, sondern zeigten vielmehr einen sprunghaften Anstieg. "Viele Leute glaubten, dass das Gehirn nach dem klinischen Tod inaktiv oder zumindest hypoaktiv (unter-aktiv) sei", so Borjigin, die selbst über ihre Forschungsergebnisse staunt. "Wenn überhaupt, dann ist es während des Sterbens noch viel aktiver, als im normalen Wachzustand."
Unter bestimmten noch wenig bekannten und "verwirrenden" Umständen - wie eben der Nahtoderfahrung - sei das Gehirn "überstimuliert und hyper-erregt". Das zeigten die Rattengehirne sehr deutlich: In den 30 Sekunden nach dem Herztod konnten die Mediziner einen steilen Anstieg der Frequenz von Gammawellen nachweisen, die im Hirn erst seit wenigen Jahren messbar sind. Sie gelten als Beweis für menschliches Bewusstsein.
Wacher als im normalen Wachzustand
Bei den Ratten waren sie nach dem Tod sogar noch höher, als im normalen Wachzustand. Es sei plausibel, dass das menschliche Gehirn genauso funktioniere, so Borjigin. Die gemessenen Wellen seien wie ein "Feuer, das durch das Gehirn rast".
Bislang ist das alles nur ein erster Hinweis. Ob sich der Vergleich zwischen Mensch und Ratte so einfach herstellen lässt, ist noch unklar. Dagegen spricht bislang allerdings auch nichts.