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Deutsches Schiffswrack: Wie die "Goslar" vor Surinam strandete


Deutsches Schiffswrack
Wie die "Goslar" vor Surinam strandete

t-online, Georg Ismar

12.12.2017Lesedauer: 5 Min.
Das Wrack der "Goslar" vor der Hauptstadt Surinams, Paramaribo.Vergrößern des Bildes
Das Wrack der "Goslar" vor der Hauptstadt Surinams, Paramaribo. (Quelle: Georg Ismar/dpa-bilder)
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Vor 77 Jahren sank das deutsche Frachtschiff "Goslar" vor der Küste Surinams. Das Wrack ist heute eine Touristenattraktion. Die Besatzung des Schiffes kam im Zweiten Weltkrieg zwischen die Fronten.

Das kleine Boot von Ruben Sertimer setzt mit einem dumpfen Geräusch auf den Stahlkoloss auf - wie auf ein Stück Sand am Strand. Von hier aus kann man das im Meer liegende, rostende Schiff hochlaufen. Es ist die riesige Außenwand, die "Goslar" liegt seit der Nacht des 10. Mai 1940 zur Seite gesenkt im Wasser vor Paramaribo, der Hauptstadt Surinams. Ein Relikt des Zweiten Weltkriegs, es gehört seit 77 Jahren nun zum Stadtbild, eine kleine Touristenattraktion.

Einige Stellen sind so verrostet, dass ein Einbrechen droht, größere Löcher klaffen in der Wand, grüne Bäume sprießen. Der Blick ist besonders: Auf die Promenade Paramaribos, auf die große Bogenbrücke, die das Hafenbecken überspannt. Umgeben vom braunen, wogenden Wasser des Flusses Suriname, der ganz in der Nähe in den Atlantik mündet. Es verirren sich aber nicht gerade viele Touristen in das kleinste Land Südamerikas, im Norden zwischen Guyana und Französisch-Guyana gelegen, seit 1975 unabhängig von den Niederlanden. Und auch das wohl ungewöhnlichste.

Zehn Prozent der Bevölkerung sind Chinesen, es gibt bei gerade einmal 550.000 Einwohnern eine enorme Religionsvielfalt mit riesigen Moscheen, Hindu-Tempeln, Synagogen und Kirchen. Eine der größten Religionsgemeinschaften ist die protestantische Herrnhuter Brüdergemeine, die ihre Wurzeln in Sachsen hat und durch ihre Missionsarbeit in den früheren Sklavenregionen viel Einfluss gewann.

Wrack droht im Meer zu versinken

"Seit 37 Jahren fahre ich zur Goslar", berichtet Bootsführer Ruben Sertimer (58). Für knapp zehn Euro fährt er an den Rand des deutschen Schiffes und mehrfach herum, die Masten liegen schräg im Wasser, an einer Stelle ist das Wrack auseinandergebrochen, aber noch ist es weithin sichtbar zu sehen. "Ich schätze, die Goslar könnte bald ganz auseinanderfallen und die Teile komplett versinken", meint Sertimer.

Oben auf dem rostigen Wrack steht in weißen Lettern "NDP", damit wirbt die regierende "Nationale Democratische Partij" von Präsident Dési Bouterse für sich. Bouterse tanzte bei seiner Wiederwahl 2015 Frank Sinatras Klassiker "My Way": In den 80er Jahren war er an einem blutigen Militärputsch beteiligt und wurde 2000 in den Niederlanden wegen Kokainhandels in Abwesenheit zu elf Jahren Haft verurteilt. Er soll an der illegalen Einfuhr von 474 Kilo Kokain in die Niederlande mitgewirkt haben, weshalb er kaum Auslandsreisen unternehmen kann.

Bouterse war auch mal mit einer niederländischen Nato-Einheit in den 70er Jahren kurz im niedersächsischen Seedorf stationiert, nur 200 Kilometer von Goslar entfernt. Bei dem Namen Goslar denken viele als erstes sicher an die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Altstadt und an den bekanntesten Einwohner, den geschäftsführenden deutschen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Aber eher weniger an dieses nach der Stadt in Niedersachsen benannte Frachtschiff, das plötzlich das kleine Surinam zu einem Schauplatz des Zweiten Weltkriegs machte.

In der SPD scherzen einige mit Blick auf die "Goslar", dass Gabriel sie ja zurückholen könne wie die von Terroristen 1977 gekaperte frühere Lufthansamaschine "Landshut", die auf Gabriels Betreiben hin aus Brasilien als Museumsobjekt nach Deutschland geholt wurde.

Plötzlich in Feindesland

Wie kam das Schiff ausgerechnet in diesen entlegenen Winkel der Erde? Die "Goslar", gebaut bei Blohm & Voss in Hamburg, war für den Norddeutschen Lloyd seit 1929 als Turbinenschiff unterwegs, ab 1933 unter der Hakenkreuzfahne des Deutschen Reichs. Das Schiff war 143,25 Meter lang, 17,55 Meter breit und transportierte Güter wie Kupfer. Ende August 1939 hatte es gerade die USA verlassen, als die Wehrmacht Polen überfiel - Frankreich und Großbritannien erklärten daraufhin dem Deutschen Reich den Krieg.

Um nicht von feindlichen Schiffen oder U-Booten versenkt zu werden, gab es Anweisung, den Hafen eines mit dem Hitler-Regime befreundeten oder neutralen Landes anzusteuern. Die Wahl fiel schließlich auf Paramaribo in Surinam, damals noch eine niederländische Kolonie. Hier gingen die nach surinamesischen Angaben 54 Besatzungsmitglieder am 5. September 1939 vor Anker, 16 Deutsche und 38 Chinesen - die Chinesen verließen nach kurzer Zeit Surinam.

Die deutschen Besatzungsmitglieder blieben in Paramaribo, gingen an Land und waren zum Warten verdammt, die Fahrt über den Atlantik galt gerade wegen der britischen Marine als zu gefährlich. Dann kam es am 10. Mai 1940 im Zuge des Westfeldzugs der deutschen Wehrmacht zum Überfall auf die Niederlande. Das veränderte auch die Situation für die Truppe der "Goslar" fundamental. Plötzlich war man mit dem Schiff in einem Land, das sich nun im Kriegszustand mit dem Deutschen Reich befand. Über das Radio erfuhren die Seeleute von dem Einmarsch.

Seeleute versenkten ihr Schiff

Der örtliche niederländische Gouverneur gab Anweisung, die deutsche Besatzung festnehmen zu lassen. Doch man hatte sich auf den Fall vorbereitet, nur das Nötigste war noch an Bord. Als sich ein Boot mit Polizisten zur Festnahme näherte und ihnen eine halbe Stunde zum Verlassen des Schiffes gegeben wurde, öffneten die Seeleute die Luken, das Schiff lief voll Wasser. Vom Land aus konnten die Menschen das Sinken der "Goslar" beobachten, die Deutschen wurden abgeführt.

Sie wollten halt vermeiden, dass das Schiff in die Hände des neuen Feindes fiel. Da das Wasser an dieser Stelle nicht besonders tief ist, sank es bis heute nicht ganz und liegt als riesige verrostete Stahlinsel 200 Meter vor der Uferpromenade namens "Waterkant". Bei einem Auseinanderbrechen könnten aber die Teile komplett versinken.

Der Kriegszustand hatte auch für die Missionare der Herrnhuter Brüdergemeinde und ihre Angehörigen Konsequenzen: Sie kamen auch in das Internierungslager Copieweg bei Paramaribo. Die Amerikaner bauten im Zuge des Krieges eine Militärbasis im Land auf und Surinam wurde zu einem wichtigen Bauxit-Exporteur für die US-Rüstungsindustrie.

Um die Kolonie vor Attacken zu schützen, wurden nach Absprache mit der niederländischen Exilregierung ab Ende 1941 auch US-Soldaten in Surinam stationiert. Die letzten der deutschen Internierten konnten erst 1947 das Lager Copieweg verlassen und heimkehren.

Für Taucher zu gefährlich

Das Wrack liegt nun schon so lange vor Paramaribo, dass es auch in einigen lokalen Stadtplänen eingezeichnet ist. "Taucher haben versucht, es näher zu untersuchen, aber es ist zu gefährlich", sagt Winston Lackin, enger Berater des Präsidenten Bouterse und von 2010 bis 2015 Außenminister Surinams. Es zu bergen, sei wegen des Gewichts schier unmöglich. Lackin hat neben dem Verdienst für Bootsführer wie Ruben Sertimer noch einen Nutzen des Wracks ausgemacht - als weithin sichtbare politische Werbeplattform, nicht nur für das Aufmalen des Parteikürzels NDP. "Immer bevor wir Wahlen haben, fährt jemand von unserer Partei rüber und platziert eine Parteifahne auf der Goslar."

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