Milliarden-Einnahmen Wie der Kreml die Öl-Sanktionen der EU umgeht
Das Ölembargo der EU gegen Russland soll den Kreml finanziell empfindlich treffen. Nun aber stellt sich heraus: Durch ein Schlupfloch fließt das Öl weiter in den Westen – und umgekehrt viel Geld nach Moskau.
Trotz strenger Sanktionen des Westens hat Russland dieses Jahr mehr als eine Milliarde Euro aus dem Verkauf von Öl aus der EU erhalten. Das geht aus einer aktuellen Analyse der Nichtregierungsorganisationen Global Wittness und den Thinktanks Center for the Study of Democracy (CSD) und Center for Research on Energy and Clean Air (CREA) hervor.
Demnach nutzte der russische Ölkonzern Lukoil ein Schlupfloch in den Strafregelungen aus, um entgegen dem grundsätzlichen Importverbot für russische Energieträger Öl in die EU zu verkaufen. Möglich macht das eine Ausnahme, die bis Ende 2024 für Bulgarien gilt:
Weil das Land im hohen Maße von russischem Öl abhängig ist, gestattete Brüssel, dass das die dortige Raffinerie Burgas, die mehrheitlich Lukoil gehört, weiter Rohöl aus Russland beziehen darf. Das Öl gelangt vor allem auf dem Seeweg, über das Schwarze Meer, ins Land.
1,13 Milliarden Euro Steuereinnahmen für Putin
Den Organisationen zufolge belief sich die Menge, die Lukoil seiner bulgarischen Torchterfirma so allein bis Ende Oktober verkaufte, auf 4,95 Millionen Tonnen. Nach Schätzungen von Global Wittness dürfte der Kreml dadurch rund 1,13 Milliarden Euro an Steuern eingenommen haben – so viel Geld, wie laut Russlands Präsident Wladimir Putin, nötig ist, um die russische Söldner-Truppe Wagner ein Jahr lang zu finanzieren.
Doch damit nicht genug, dem Bericht der Organisationen zufolge nutzt Lukoil noch ein zweites Schlupfloch, damit das in Bulgarien raffinierte Öl auch in andere Länder gelangen kann – obwohl das eigentlich verboten ist. Der Ausnahme für Bulgarien sieht nämlich vor, dass die Burgas-Raffinerie das russische Öl lediglich für den heimischen Markt weiterverarbeiten, nicht jedoch in andere Staaten weiterverkaufen darf.
Die Analyse der Organisationen legt nun aber nahe, dass sie genau das getan haben könnte – indem sie sich auf eine spezielle Regel beruft, die seit Februar dieses Jahr gilt: So darf Bulgarien in einzelnen Fällen Benzin und Diesel wieder exportieren, wenn dieses etwa in der Ukraine zum Einsatz kommt, oder aber wenn Burgas das Öl aufgrund von Umwelt- oder Sicherheitsrisiken nicht in Bulgarien lagern kann.
Gelangte das russische Öl auch in den Rest der EU?
Demnach hat etwa am 8. August ein griechischer Tanker rund 40.000 Tonnen Heizöl in Bulgarien aufgenommen, das er anschließend nach Rotterdam brachte. Handelt es sich dabei um Heizöl, das Burgas aus russischem Öl hergestellt hat? Abschließend beweisen lässt sich das nicht. Fakt ist laut Global Wittness derweil: Zuvor hatte die Burgas 21 Tage lang kein nicht-russisches Öl erhalten, dafür aber insgesamt vier Lieferungen aus Russland, rund 340.000 Tonnen Rohöl.
Die griechische Firma, die das Öl in Bulgarien aufgenommen hat, lehnte auf Anfrage von Global Wittness eine Stellungnahme ab. Lukoil Neftochim Burgas teilte auf Anfrage des Magazins "Politico" mit, dass es "alle EU- und bulgarischen Gesetze einhält".
Doch an dieser Darstellung wecken neben dem griechischen Heizölfrachter weitere Beobachtungen Zweifel.
So zeigten laut Global Wittness die bulgarischen Ausfuhren von raffinierten Erdölprodukten in die EU zwischen März und Juli 2023, dass 304.000 Tonnen aus Bulgarien in anderen EU-Staaten angelangten. In diesem Zeitraum jedoch hatte die Burgas-Raffinerie lediglich 216.000 Tonnen nicht-russisches Rohöl zur Weiterverarbeitung importiert – und zugleich 2,1 Millionen Tonnen Erdöl aus Russland.
- Global Wittness: "Russian oil on EU soil: Bulgarian refinery skirts sanctions and buys Russian crude worth an estimated €1.1 billion in tax to the Kremlin"
- Politico: "Putin rakes in extra €1B for his war chest via Bulgaria sanctions loophole"