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Russland schickt ukrainische Kriegsgefangene an Front: Putins "Kanonenfutter"


Schon zu Sowjetzeiten versucht
Putin greift bei neuen Truppen auf grausamen Trick zurück

Von t-online, wan

Aktualisiert am 09.11.2023Lesedauer: 3 Min.
Putin (l.) und Schoigu bei einer Militärparade im Juli 2023.Vergrößern des Bildes
Putin (l.) und Verteidigungsminister Schoigu bei einer Militärparade (Archivbild): Das russische Militär nutzt einen Trick, um seine Truppenstärke aufrechtzuerhalten. (Quelle: IMAGO/Sergei Karpukhin)

Putin gehen die Soldaten aus: Jetzt werden sogar ukrainische Kriegsgefangene rekrutiert – angeblich auf eigenen Wunsch.

Russland schickt nicht nur eigene Bürger an die Front, sondern auch ukrainische Kriegsgefangene. Nach einem Bericht der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti sei das Bohdan Khmelnitsky-Battaillon einsatzbereit – es bestehe aus ehemaligen ukrainischen Soldaten, die jetzt eingeschworen worden seien.

Die ukrainischen Kriegsgefangenen sollen zunächst noch ausgebildet und dann an die Front geschickt werden. Die Nachrichtenagentur berichtet, dass die Soldaten "gegen das Regime in Kiew kämpfen wollten, das die Ukraine gefangenhalte." Dieses Narrativ ist Teil der russischen Propaganda. Dass die Soldaten aus eigenen Stücken an die Front gehen wollen, kann unabhängig nicht bestätigt werden.

Einheit war bislang Karriereschritt für Moskauer Eliten

Das Bataillon sei bereits im Oktober in den aktiven Zustand versetzt worden, als Teil der "Cascade"-Einheit. Diese Einheit ist erst neu gegründet worden. "Soweit man weiß, war die Einheit noch nie im Umkreis von 50 Meilen (80 Kilometer) von einem Kampfeinsatz", sagte Militärexperte Jeff Hawn, der in Washington beim New Lines Institut arbeitet.

In ihr hätten sogar Mitglieder von Parlamentariern gedient – unklar ist aber, ob sie überhaupt an der Front eingesetzt wurden. "Sie war Teil der Bemühungen, um zu zeigen, dass Parlamentsmitglieder und ihre Familien ebenfalls aktiv im Krieg kämpfen oder ihre patriotische Pflicht erfüllen", sagte Hawn – ohne dabei wirklich in Gefahr zu geraten.

Offenbar diente die Einheit bislang ihren Mitgliedern eher dazu, gut auszusehen, wie Bilder von Soldaten in heroischen Posen und blitzblanken Uniformen in Telegram-Kanälen zeigen. Viele Rekruten nutzten den kurzen Dienst als Karrieresprungbrett – der Dienst am Vaterland macht sich gut im Lebenslauf. Der Einsatz des neuen Bataillons aus Kriegsgefangenen könnte der Einheit mehr Glaubwürdigkeit verleihen – ohne dass sich die Moskauer Elitesprösslinge die Finger schmutzig machen müssten.

Schon zu Sowjetzeiten versucht

"Kriegsgefangene an die Front zu schicken, ist kein neues Phänomen", betont András Rácz, Experte für Russlands Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) am Rande eines Besuchs in der Ukraine gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Diesen Trick habe die Sowjetunion bereits im Zweiten Weltkrieg angewendet. Auch die Söldner-Gruppe "Wagner" habe bereits Kriegsgefangene rekrutiert. Diese würden für lebensgefährliche Aufgaben eingesetzt, wie die Entschärfung von Minen. Sollten sie in der Offensive eine Rolle spielen, dann als Suizidkommandos, so der Experte.

Durch die Mobilisierung ukrainischer Kriegsgefangener, den Einsatz russischer Sträflinge und die Einziehung von Ukrainern, die in besetzten Gebieten leben, erhöht Russland seine Kampftruppen, "ohne die sozialen Auswirkungen einer allgemeinen Mobilisierung riskieren zu müssen", sagte Karolina Hird vom Institute for the Study of War (ISW.) Vor einigen Wochen habe Russland angegeben, dass 70 Männer sich verpflichtet hätten.

Nach der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen dürfen diese nicht einer gefährlichen Umgebung ausgesetzt werden. "Kriegsgefangene sind so bald wie möglich nach ihrer Gefangennahme in Lager zu evakuieren, die in einem Gebiet liegen, das weit genug vom Kampfgebiet entfernt liegt, damit sie außer Gefahr sind", heißt es im Artikel 19 der Konvention. Allerdings will Russland wohl den Anschein erwecken, als ob die Kriegsgefangenen aus eigenen Stücken der russischen Armee beigetreten seien.

Das ISW in Washington berichtete, es habe bereits im Juli Berichte darüber gegeben, dass ukrainische Kriegsgefangene gebeten wurden, sich "freiwillig" für das Bataillon zu melden. Sie seien im Olenivka-Gefängnis untergebracht gewesen, in dem es eine Explosion gegeben habe.

Russland sagte, die Ukraine habe das Gefängnis im Osten des Landes mit einer Rakete zerstört, aber Kiew gab Moskau die Schuld an der Explosion, um angebliche Misshandlungen und Tötungen der Kriegsgefangenen zu vertuschen. Experten des ISW gehen davon aus, dass das Bohdan-Khmelnitsky-Battaillon in Donezk und Saporischschja eingesetzt werden soll.

Verwendete Quellen
  • ria.ru: "Бойцы первого батальона из бывших военных ВСУ принесли присягу России" (russisch)
  • ohchr.org: "Geneva Convention relative to the Treatment of Prisoners of War" (englisch)
  • rnd.de: ""Selbstmordkommando": Putin schickt ukrainische Kriegsgefangene an die Front"
  • france24.com: "OBTF Cascade: The military unit where the Russian elite get to ‘play war’ in Ukraine"
  • apnews: "Russia reportedly is using Ukrainian POWs to fight in their homeland on Moscow’s side" (englisch)
  • understandingwar.com: "Russion offensive campaign assessment, July 29" (englisch)
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