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Ukraine-Krieg: "Deutschland ist Schuld an gescheiterter Offensive"


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Gescheiterte Offensive
"Auch Deutschland ist schuld am ukrainischen Misserfolg"


Aktualisiert am 03.11.2023Lesedauer: 5 Min.
Ukrainischer Soldat an der FrontVergrößern des Bildes
Ein ukrainischer Artilleriesoldat an der Front: Der Krieg in der Ukraine hat sich in einen Stellungskrieg verwandelt. (Quelle: Anadolu Agency/getty-images-bilder)

Der Kampf in der Ukraine entwickelt sich zu einem Stellungskrieg. Was das über die Gegenoffensive aussagt – und was die ukrainische Armee jetzt benötigt.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass der Oberkommandierende der Streitkräfte eines Landes einen Beitrag in einem ausländischen Magazin verfasst. Umso besonderer war der Beitrag des ukrainischen Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj im britischen "The Economist" am Mittwoch. Darin erklärt der Militär, die Kämpfe in der Ukraine hätten sich mittlerweile zu einem Stellungskrieg entwickelt – vergleichbar mit den Kämpfen des Ersten Weltkriegs.

Aber ist die ukrainische Gegenoffensive damit gescheitert? Welche Entwicklungen folgen auf dem Schlachtfeld? Und welche Unterstützung brauchen die Streitkräfte der Ukraine von den westlichen Ländern, um auch weiterhin gegen die russischen Aggressoren bestehen zu können?

Video | Russische Drohnen greifen zivile Ziele in Charkiw an
Quelle: Glomex

Analyst: Westen hat eine falsche Strategie empfohlen

"Ob die Offensive der Ukraine gescheitert ist, hängt von der damit verbundenen Erwartungshaltung ab", sagt Burkhard Meißner, Oberst der Reserve und Gründungsvorstand des German Institute for Defence and Strategic Studies im Gespräch mit t-online. "Wenn man große Territorialgewinne in kurzer Zeit erwartet hat, wie etwa im Sommer 2022, dann ist die Offensive der Ukraine natürlich gescheitert", führt der Verteidigungsexperte aus.

Auch für den Militäranalysten Niklas Masuhr vom Center for Security Studies in Zürich ist die Herbstoffensive der Ukraine kein Erfolg. "Basierend auf den gesteckten räumlichen Zielen ist die Offensive nicht erfolgreich", sagt der Analyst t-online. "Allerdings fehlt bei dieser Betrachtung die Beurteilung, inwieweit den russischen Einheiten Schaden zugefügt wurde".

Verantwortlich für die nur geringen Fortschritte der Ukraine macht Meißner auch die westlichen Verbündeten: "Die westlichen Länder haben der Ukraine die Strategie des Kampfes der verbundenen Waffen empfohlen." Den könne die Ukraine allerdings nicht führen, denn dafür fehlten entsprechende Waffenlieferungen aus dem Westen, sagt Meißner. "Der Westen und insbesondere Deutschland haben Schuld an der verfehlten Strategie und damit auch an der fehlgeschlagenen Offensive, die jetzt kritisiert wird. Denn Deutschland und der Westen waren von vornherein viel zu zaghaft, wenn es um die Lieferung der verschiedenen Waffensysteme geht."

"Das ist ein Erfolg, den man nicht unterschätzen darf"

Analyst Niklas Masuhr sieht andere Gründe für die nur langsam voranschreitenden Angriffsbemühungen der ukrainischen Armee: "In der ukrainischen Armee hat es seit Beginn des Krieges mehrere Generationswechsel gegeben", erklärt er. Die militärischen Kader, die zu Beginn des Krieges gekämpft haben, seien größtenteils nicht mehr an den aktuellen Gefechten beteiligt – weil sie verwundet oder getötet wurden.

"Das verkompliziert die Lage auf dem Schlachtfeld, denn durch die Unterschiede bei der Ausbildung durch Nato-Armeen und der (post-)sowjetischen Ausbildung gibt es unterschiedliche taktische Präferenzen", so Masuhr.

Trotzdem will weder Masuhr noch Meißner die ukrainische Offensive als eindeutigen Fehlschlag bezeichnen. Meißner findet, es gebe einige Erfolge auf dem Schlachtfeld. "Schließlich hat die Ukraine es fertiggebracht, dass sich die russische Schwarzmeerflotte weitestgehend aus dem Westen des Schwarzmeerraumes zurückzieht. So kann die Ukraine weiterhin Getreide exportieren. Das ist ein Erfolg, den man nicht unterschätzen darf."

So wichtig ist die Lufthoheit

Als einen wichtigen Aspekt für ukrainische Erfolge auf dem Schlachtfeld präsentiert der ukrainische General Walerij Saluschnyj im "Economist" das Erlangen der Lufthoheit. Dafür nennt er Drohnen als kurzfristige Möglichkeit, um dort die Oberhand zu gewinnen. "Das tut Saluschnyj allerdings nur, weil Flugzeuge und insbesondere Kampfhubschrauber fehlen. Die müssen vom Westen schnell geliefert werden", sagt Burkhard Meißner.

Eine absolute Lufthoheit müsse für Kampferfolge der Ukraine allerdings gar nicht hergestellt werden, meint Analyst Niklas Masuhr. "Für die Ukraine ist es allerdings insbesondere in der Offensive schwer, 'Blasen' zu erzeugen, aus denen die russische Luftwaffe und russische Drohnen abgehalten werden können."

Ukraine stellt zu wenige eigene Drohnen her

Die russischen Drohnen entwickeln sich immer mehr zum Problem für die ukrainische Luftabwehr, erklärt Meißner. Die Ukraine würde dem gerne mehr entgegensetzen – hat aber nicht die nötigen Kapazitäten: "Die Ukraine kann das derzeit nicht. Sie stellt zwar eigene Drohnen her, das passiert allerdings eher in kleinen Manufakturen. Die Produktionskapazitäten sind derzeit schlichtweg zu gering. Bei der Entwicklung und der Herstellung von Drohnen hätten die westlichen Verbündeten die Ukraine viel früher unterstützen müssen."

Ukrainische Drohnen sind laut Niklas Masuhr allerdings kein Wundermittel, um die Lufthoheit an der Front zu erlangen. "Allerdings ist es wichtig, dass die ukrainischen Streitkräfte ihre Fähigkeiten zur elektronischen Kriegsführung ausbauen, um russische Aufklärungs- und Loiteringdrohnen abzuhalten. Die Mittel zur elektronischen Kriegsführung müssen entlang der Front dynamisch eingesetzt werden. Dabei könnten die westlichen Verbündeten der Ukraine behilflich sein", so Masuhr.

Flaschenhälse Artillerie und Luftabwehr

Problematisch seien für die Ukraine schon seit Beginn des Krieges Artillerie und Flugabwehr. "Das sind entscheidende Flaschenhälse – und das werden sie auch in Zukunft sein", sagt Analyst Masuhr. Zwar schone der aktuelle "kriechende Krieg", etwa am Frontabschnitt Robotyne im Süden, das Leben der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten. Dafür werde unglaublich viel Artilleriemunition verbraucht.

"Hinzukommt, dass wir in naher Zukunft höchstwahrscheinlich eine Verstärkung der russischen Angriffe auf die zivile und kritische Infrastruktur in der Ukraine sehen. Die Ukraine muss genau priorisieren, was sie wann verteidigt. Diese beiden Aspekte werden in den nächsten Monaten besonders wichtig, wenn wir den Kriegsverlauf analysieren", fügt Masuhr hinzu.

Hier kann die Ukraine vor dem Winter angreifen

Doch auch vor dem Winter gebe es noch einige Möglichkeiten für Angriffe – sowohl auf ukrainischer als auch auf der russischen Seite. Da sind sich die beiden Militärspezialisten einig. "Vor dem Winter hängt viel davon ab, wie viel offensives Momentum die Russen zum Beispiel in Awdijiwka mitnehmen können", erklärt etwa Masuhr. "Es wird entscheidend sein, ob Russland willens ist, eigene Verluste zugunsten von Geländegewinnen in Kauf zu nehmen. Außerdem muss sich die Ukraine in Awdijiwka entscheiden, ob es sich lohnt, sich von den Russen weiter abnutzen zu lassen", fährt der Analyst fort.

Laut den Informationen von Burkard Meißner gebe es derzeit einige offensive Bemühungen der ukrainischen Streitkräfte: "Am linken Ufer des Dnipro haben sich einige Einheiten festgesetzt und installieren dort, östlich der Antoniwkabrücke, mehrere kleine Brückenköpfe", so der Experte.

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Über einen längeren Zeitraum sei es den Russen dort bisher gelungen, die ukrainischen Landungsversuche abzuwehren. "Jetzt sieht es allerdings so aus, als würden die Brückenköpfe wachsen."

"Müssen massenweise Hubschrauber liefern"

Die Erklärung verbindet Meißner mit einem Appell an die westlichen Länder: "Am linken Dnipro-Ufer kann man Fortschritte erwarten – allerdings gilt das nur, wenn der Westen weitere Unterstützung finanziert. Wir müssen der Ukraine massenweise Pontonbrücken, Luftabwehr und vor allem Hubschrauber liefern."

Mit dem Winter beginne jetzt erwartungsgemäß eine ruhigere Zeit auf dem Schlachtfeld, glaubt Meißner. Allerdings sei der Boden für schwere Fahrzeuge tragfähiger. "Ich würde der Ukraine also zum Winterkampf raten", sagt der Experte. "Aber auch dafür muss der Westen schnell Kampfhubschrauber liefern. Die können dabei helfen, schnell große Distanzen zu überwinden und so einen Vorteil gegenüber Bodeneinheiten zu erzeugen."

Verwendete Quellen
  • Telefongespräche mit Burkhard Meißner und Niklas Masuhr
  • economist.com: "Ukraine’s commander-in-chief on the breakthrough he needs to beat Russia" (englisch)
  • politico.com: "Ukraine’s top general: War with Russia has reached stalemate" (englisch)
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