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Polen beendet Waffenlieferungen an die Ukraine: Jetzt ist Schluss


Polnischer Ministerpräsident sorgt für Aufsehen
Das könnte ein Nachspiel haben


Aktualisiert am 21.09.2023Lesedauer: 5 Min.
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Mateusz Morawiecki: Der polnische Ministerpräsident hat ein Ende der polnischen Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt. (Quelle: imago-images-bilder)

Der polnische Ministerpräsident hat mit Äußerungen über die militärische Unterstützung der Ukraine Spekulationen angestoßen. Was würde ein Ende der Militärhilfen aus Warschau bedeuten?

Es war ein Satz, der weit über Polen hinaus Aufmerksamkeit erregte: "Wir liefern keine Waffen mehr an die Ukraine, weil wir uns jetzt selbst mit den modernsten Waffen ausrüsten", sagte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwochabend in einem Interview mit dem Fernsehsender "Polsat News."

Sein Land verfolge schließlich schon seit Längerem das Ziel, die eigene Armee zu einer der stärksten Landstreitkräfte Europas auszubauen. Umgehend nach dem Interview gingen die Spekulationen los: Hatte der Ministerpräsident damit tatsächlich die Unterstützung des östlichen Nachbarlandes aufgekündigt? Und was würde das eigentlich bedeuten? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen:

Was genau hat der polnische Ministerpräsident gesagt?

Die Aussagen des polnischen Regierungschefs ließen in dem gesamten Interview durchaus Raum für Spekulationen. Denn aus dem Gespräch ging nicht hervor, dass Polen einen vollständigen Bruch in der Zusammenarbeit mit der Ukraine anstrebt, sondern lediglich seine Waffenlieferungen einschränken wolle.

Die Pläne Polens, sein Militär weiter aufzurüsten, sind indes nichts Neues. Morawiecki führte etwa weiter aus: "Wenn du dich nicht verteidigen willst, musst du etwas haben, womit du dich verteidigen kannst – zu dieser Regel bekennen wir uns."

Gleichzeitig betonte der Politiker, dass seine Regierung die Sicherheit der Ukraine nicht gefährden werde. "Unser Drehkreuz in Rzeszów wird im Einvernehmen mit den Amerikanern und der Nato weiterhin die gleiche Rolle spielen wie bisher und auch in Zukunft." Der Ort im Südosten Polens liegt ungefähr zweieinhalb Autostunden von der ukrainischen Stadt Lwiw entfernt und gilt als zentraler Umschlagplatz für westliche Militärhilfen in der Ukraine.

An anderen Stellen des Gesprächs geht der Regierungschef allerdings hart mit der Ukraine ins Gericht. Die Beziehungen zu dem Land befänden sich aktuell gelinde gesagt "in keinem guten Zustand". Er erinnere den ukrainischen Präsidenten auch daran, dass er Stunden nach der russischen Invasion in Berlin der Bundesregierung und der Öffentlichkeit erklärt habe, "dass 5.000 Helme ein Scherz sein müssen". Deutschland hatte zunächst als Unterstützung der Ukraine lediglich die Lieferung von Helmen für die Soldaten angekündigt.

Fakt ist: Wie genau und in welchem Umfang Polen seine militärische Unterstützung einstellt, sagte Morawiecki nicht. Auch der polnische Botschafter in Deutschland wollte sich auf Nachfrage von t-online nicht zu der Thematik äußern. Der polnische Regierungssprecher Piotr Müller präzisierte dann am Donnerstagmorgen die Aussagen des Ministerpräsidenten: Polen werde weitere Waffen liefern. Allerdings gehe es dabei nur noch um Lieferungen, die bereits mit der Ukraine ausgehandelt waren. Konkret nannte Müller die Lieferung polnischer Panzerhaubitzen des Typs "Krab". Neue Lieferungen seien nicht mehr vorgesehen.

Was genau sind die Hintergründe seiner Äußerungen?

Die Äußerungen von Morawiecki haben mehrere mögliche Ursachen: Vornehmlich sind sie wohl als Reaktion auf den seit Längerem schwelenden Streit zwischen der Ukraine und Polen um Getreideexporte zu verstehen.

Durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die klassische Exportroute für ukrainisches Getreide über das Schwarze Meer blockiert. Für den Transport über den Landweg verhängte die EU zuletzt Handelsbeschränkungen gegen die Ukraine, um Landwirte in den Transitländern – darunter Polen, Ungarn, Bulgarien und Rumänien – zu schützen.

Video | Polen, Ungarn und Slowakei wollen kein ukrainisches Getreide
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Quelle: Glomex

Genau diese Beschränkungen aber hat die EU am Freitag für beendet erklärt. Die Folge für Polens Bauern: Morawiecki beklagte sich in dem Interview, dass das ukrainische Getreide zu einer "Destabilisierung des polnischen Marktes führe" und es nicht sein könne, "dass ukrainische Oligarchen den Getreidemarkt in Polen beherrschen".

Polen, Ungarn und die Slowakei kündigten deshalb umgehend an, sich nicht daran zu halten. Selenskyj sagte daraufhin am Dienstag bei den Vereinten Nationen in New York, einige Länder täuschten Solidarität nur vor und unterstützten indirekt Russland – ein mittelgroßer diplomatischer Eklat.

Polen reagierte umgehend und bestellte den ukrainischen Botschafter ein. Zuvor wurde auch ein Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten und seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda, der sich ebenfalls in New York befand, abgesagt. Duda selbst sorgte dort für Aufsehen, als er die Ukraine mit einem "Ertrinkenden" verglich, der unglaublich gefährlich sei und alles in die Tiefe ziehen könnte.

Gleichzeitig sind Morawieckis Aussagen vor dem Hintergrund des Wahlkampfes in dem Land zu sehen: Am 15. Oktober wählt Polen ein neues Parlament – und Morawieckis konservative Partei PiS hatte sich zuletzt noch stärker als ohnehin mit EU-kritischen Tönen hervorgetan. Möglicherweise will die Regierung nun über die Ukraine noch mehr Druck auf Brüssel aufbauen, um doch noch eine erneute Handelsbeschränkung für ukrainisches Getreide zu erreichen.

Zuletzt könnte eine mögliche Einstellung von Waffenlieferungen auf eigene Probleme Polens im Militär- und Rüstungssektor hinweisen: Die Regierung informiere über die neuen, milliardenschweren Rüstungsdeals nur spärlich, vor allem wenn es um die Finanzierung gehe, kritisiert die Opposition schon seit Monaten. Mehr zu den polnischen Rüstungsplänen lesen Sie hier. In Kombination mit den bereits umfangreichen Waffenlieferungen an die Ukraine wird daher darüber spekuliert, dass Polen möglicherweise aktuell überhaupt nicht in der Lage ist, weitere Waffen in größerem Umfang zu liefern.

Wie wichtig ist die polnische Unterstützung für die Ukraine?

Weltweit zählt Polen bisher zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine. Laut dem "Ukraine Support Tracker" des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hat Polen das Land mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro unterstützt und liegt damit weltweit auf Rang acht. Bereits im April 2022 begann Warschau etwa, mehr als 250 T-72-Kampfpanzer aus sowjetischer Produktion an die Ukraine zu liefern. Ebenso gab das Land seine alten MiG-29-Kampfjets ab.

Gleichzeitig hat das Land durch seine gemeinsame Grenze auch strategisch eine wichtige Rolle übernommen: Vor allem im Ort Rseszów laufen die Fäden vieler westlicher Unterstützer zusammen. Reibungslos verlief die Zusammenarbeit vor allem aus deutscher Sicht allerdings nicht immer: Den Plan, dort ein Wartungszentrum für die deutschen Leopard-2-Panzer zu errichten, wurde zuletzt verworfen.

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Auch ein sogenanntes Ringtauschabkommen, bei dem Polen seine Panzer abgibt und dafür Nachschub aus Deutschland erhält, kam im Gegensatz zu der Slowakei und Tschechien nicht zustande. Die Regierung in Warschau setzt in Zukunft vermehrt auf Rüstungsgüter aus den USA und Südkorea.

Wie hat die Ukraine auf die Äußerungen reagiert?

Bislang noch gar nicht. Eine offizielle Reaktion der ukrainischen Regierung lag zunächst nicht vor. Allerdings hatte Kiew zuletzt bereits gedroht, aufgrund der Streitigkeiten um die Getreidelieferungen weitere Maßnahmen ergreifen zu wollen.

Zuvor hatte die Regierung Klage bei der Welthandelsorganisation WTO gegen Polen eingereicht. Ministerpräsident Denys Schmyhal hatte bereits am Dienstag gedroht, dass die Ukraine als Reaktion auch die Einfuhr bestimmter Waren aus Polen in die Ukraine verbieten könnte.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa, AFP und Reuters
  • polsatnews.pl: "Mateusz Morawiecki w Polsat News: Nie przekazujemy już żadnego uzbrojenia Ukrainie" (polnisch)
  • euractiv.de: "Jetzt eskaliert der "Getreidekrieg" zwischen Polen und Ukraine"
  • reuters.com: "Amid imports dispute, Poland tells Ukraine to remember its help" (englisch)
  • tageschau.de: "Polen rüstet im Turbogang Armee auf"
  • tageschau.de: "Keine Reparatur von Leopard 2A5 und 2A6 in Polen"
  • ft.com: "‘Who will pay the bill?’: Poland’s defence spending spree raises questions over funding" (englisch)
  • ifw-kiel.de: "Ukraine Support Tracker"
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