Frontbericht Russen klagen über "kolossale Verluste" – und drohen mit Rückzug
Ein Video soll russische Soldaten zeigen, die über Verluste und fehlende Unterstützung klagen. Sie drohen mit Rückzug von der Front.
Russische Soldaten sollen sich in einem Video über hohe Verluste im Ukraine-Krieg beschwert haben. Der proukrainische Telegram-Kanal Supernova+ veröffentlichte am Donnerstag einen Clip, in dem mehrere offenbar russische Soldaten die Militärführung kritisieren. Man habe ihnen keine Artillerie und keine Luftunterstützung zur Verfügung gestellt.
Im Juli war bereits ein offenbar mitgeschnittenes Telefonat eines Soldaten aufgetaucht, in dem dieser seine Kommandeure als "Idioten" bezeichnete. Im selben Monat appellierten russische Kämpfer per Video an die Militärführung – ruderten aber kurze Zeit später wieder zurück.
Das Video soll im Osten der Ukraine aufgenommen worden sein, offenbar nahe dem Ort Klischtschijiwka. Dort, unweit der Stadt Bachmut, toben derzeit heftige Gefechte zwischen ukrainischen und russischen Truppen. Im Telegram-Beitrag von Supernova+ wird davon gesprochen, dass es sich um eine Einheit von 500 Soldaten handeln soll, die sich über die Verluste beklagen und keine Befehle befolgen wollten.
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Im Video selbst wenden sich die Soldaten an den russischen Präsidenten Putin und seinen Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Sie bezeichnen sich als Teil des "108. Motorisierten Schützenregiments". Zwischen 25. August und dem 12. September hätten sie rund um Klischtschijiwka in der Region Donezk gekämpft, heißt es in einer Übersetzung des amerikanischen Magazins "Newsweek". Es habe keine Unterstützung aus der Luft gegeben, außerdem seien keine elektronischen Abwehrmaßnahmen vorhanden. Man habe nur noch 25 bis 30 Prozent der ursprünglichen Truppenstärke. Sollte keine Hilfe kommen, wolle man sich von der Front zurückziehen.
Ukraine: 620 tote russische Kämpfer an einem Tag
Ein Soldat, der eine Rede von einem Zettel abliest, spricht demnach von "kolossalen Verlusten des Regiments". Einige Rekruten hätten nicht einmal eine Bestätigung für ihre Einberufung erhalten. Das Video ist offenbar in einer Halle oder Scheune aufgenommen, aus den Bildern selbst geht nicht hervor, wo genau es gefilmt wurde. Die Soldaten zeigen auch keine Abzeichen ihres Regiments an ihren Uniformen. Einer trägt ein Z auf dem Ärmel, das russische Truppen im Ukraine-Krieg verwenden.
In der Region um Bachmut, in der sie angeblich eingesetzt wurden, rücken derweil ukrainische Truppen im Rahmen der Kiewer Gegenoffensive vor. Das amerikanische "Institute for the Study of War" sprach von Fortschritten in Andriiwka und Klischtschijiwka. Prorussische Militärblogger sehen bereits große Probleme. Der Telegram-Kanal "Alex Parker Returns" schrieb seinen 153.000 Followern: "Die Front bricht zusammen. Wenn alles so weitergeht, muss Artemowsk bald aufgegeben werden" und bezog sich dabei auf den russischen Namen für Bachmut.
Die ukrainische Militärführung hatte am Donnerstag von hohen Verlusten bei den russischen Streitkräften gesprochen. Nach Angaben des Generalstabs seien 620 russische Kämpfer innerhalb von 24 Stunden getötet worden. Nach einem Bericht der "New York Times" sollen laut Schätzungen von US-Beamten insgesamt 500.000 Soldaten auf beiden Seiten gefallen oder verwundet worden sein. Die Verluste auf russischer Seite sollen dabei bei etwa 300.000 liegen. Etwa 70.000 Ukrainer sollen demnach gefallen sein.
Sowohl die Ukraine als auch Russland veröffentlichen keine eigenen Statistiken über getötete oder verwundete Soldaten.
- telegram.com: Kanal von Supernova+
- newsweek.com: "Russian Soldiers Rue 'Colossal' Regiment Losses in Video Address to Putin" (englisch)
- nyt.com: "Troop Deaths and Injuries in Ukraine War Near 500,000, U.S. Officials Say" (englisch)
- understandingwar.org: "Russian Offensive Campaign Assessment, September 13, 2023" (englisch)