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Blitzbesuch in Kiew: Annalena Baerbock hat auf eine Frage keine Antwort


Besuch in Kiew
Wie Baerbock ihre Gastgeber enttäuscht

Von t-online, cc

Aktualisiert am 12.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Kiew: Baerbock reist erneut in die Ukraine, Präsident Selenskyj setzt ein Zeichen der Anerkennung. (Quelle: Glomex)

Die Ukraine zeigt sich dankbar angesichts deutscher Hilfe. Doch bei Annalena Baerbocks Besuch in Kiews gibt es Differenzen. Vor allem eine Frage spaltet.

Überraschend war Annalena Baerbock am Montag in Kiew erschienen. Wenngleich kaum überraschend für ihre Gastgeber – die ukrainische Regierung wird eingeweiht gewesen sein, bedürfen solche Staatsbesuche doch akribischer Planung. Gerade dann, wenn es sich um eine Reise ins Kriegsgebiet handelt. Die deutsche Außenministerin war mit dem Zug angereist, ein Flug wird als zu gefährlich eingeschätzt, denn durch den ukrainischen Luftraum pfeifen seit mehr als anderthalb Jahren russische Raketen und bringen ihre todbringende Fracht täglich zu den Menschen.

Um den Terror zu stoppen, den der russische Alleinherrscher Wladimir Putin über das Land gebracht hat, fordert die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj seit geraumer Zeit "Taurus KEPD-350"-Marschflugkörper von der Bundesregierung. Bislang ohne Ergebnis. Würde Baerbock nunmehr eine positive Nachricht überbringen?

Sie überbrachte sie nicht. Jedenfalls nicht die, die die ukrainische Führung gerne gehört hätte. Denn Berlin hat auch weiterhin keine Entscheidung in der Sache getroffen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zeigte sich daraufhin enttäuscht, ja sogar desillusioniert angesichts der deutschen Haltung. Die Bundesregierung verweigert seit Monaten eine klare Position in der Frage, ähnlich wie im vergangenen Jahr hinsichtlich der "Leopard"-Lieferungen.

Wird hier Zögerlichkeit zur Staatsräson erhoben?

Erst müssten noch technische Erwägungen geklärt werden, so Baerbock in Kiew. Man habe bei anderen Waffenlieferungen gesehen, "dass Systeme mit anderen nicht automatisch integriert arbeiten können", sagte die Grünen-Politikerin am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen". Bei den Marschflugkörpern sei es daher "wichtig, dass wir alle Details klären, bevor wir Dinge final versprechen".

Es ist die Botschaft des Kanzleramts, die Baerbock zu den Verbündeten in Kiew tragen musste. "Wir werden es uns weiter schwer machen", hatte Olaf Scholz (SPD) im ZDF-Sommerinterview erklärt und damit seine zögerliche Haltung bei den "Taurus"-Lieferungen quasi zur Staatsräson erhoben. Der Kanzler rechtfertigt dieses Zögern auch mit dem Blick auf die jüngsten Umfragen. Demnach lehnt die Mehrheit der Deutschen die Lieferung ab (52 Prozent). Nur gut ein Drittel (34 Prozent) spricht sich dafür aus.

"Mein Eindruck ist, dass die Bürgerinnen und Bürger das in der ganz großen Mehrheit sehr, sehr richtig finden", sagte Scholz im ZDF, "dass nicht jedes Mal, wenn einer irgendwo in einem Gespräch fragt: 'Das noch und das noch?', dass dann immer gleich gesagt wird: 'Ja.'"

Höhere Reichweite des "Taurus" als Problem für Berlin

Nicht immer gleich allen Forderungen nachgeben, bedeutete das wohl. Deutschlands Verbündete sehen das anders. Sie handeln. Briten und Franzosen liefern mit dem "Storm Shadow"-System bereits ähnlich weitreichende Waffensysteme (bis zu 250 Kilometer Reichweite), die Amerikaner haben die Lieferung von "ATACMS" zugesagt (bis zu 300 Kilometer). Nur Deutschland zögert die Entscheidung weiter hinaus.

Allerdings hat der "Taurus" eine höhere Reichweite als andere Systeme (bis zu 500 Kilometer), weshalb die Bundesregierung befürchtet, dass die Ukraine mit deutschen Waffen auch russisches Staatsgebiet angreifen könnte. Die hohe Reichweite könnte jedoch durch technische Modifikationen entsprechend reduziert werden.

Auch die von Baerbock angeführte Inkompatibilität mit ukrainischen Systemen kann kaum als Argument gegen "Taurus" betrachtet werden, schließlich wurden die taktischen Bomber vom Typ Suchoi Su-24M, die die Ukraine besitzt, für die britischen und französischen Marschflugkörper bereits erfolgreich angepasst. Laut Experten wäre das für das deutsche "Taurus"-System ebenfalls möglich.

So blieb es für Baerbock bei ihrem Blitzbesuch in Kiew bei warmem Worten, zumindest offiziell. Die Außenministerin zeigte viel Verständnis für die militärstrategischen Notwendigkeiten, vor denen die ukrainischen Generäle im Rahmen der laufenden Gegenoffensive stehen. Auf die Situation der Ukraine angesprochen, sagte sie, es käme auf jeden Tag an. "Jeden Tag seit über 560 Tagen leben Menschen in Gefangenschaft."

Fakt ist jedoch auch: Jeden Tag sterben in der Ukraine Menschen. Soldaten, aber ebenso Zivilisten und internationale Helfer, weil das russische Regime nicht davor zurückschreckt, die zivile Infrastruktur zu bombardieren und Unschuldige zu töten. Der ukrainische Außenminister Kuleba zeigte bei Baerbocks Besuch deutlich, wie enttäuscht sein Land angesichts der deutschen Haltung in Sachen "Taurus" ist. "Es gibt kein einziges objektives Argument, das dagegen spricht", sagte er. In Berlin sieht man das offenbar anders.

Verwendete Quellen
  • wiwo.de: "Die Taktik des bewussten Zögerns ist aus der Zeit gefallen"
  • zeit.de: "Taurus-Marschflugkörper. Die perfekte Waffe gegen die Krim-Brücke"
  • swp.de. "Taurus vs Storm Shadow. Die Marschflugkörper im Vergleich"
  • sueddeutsche.de: "Waffen für die Ukraine. Das Problem mit der Reichweite" (kostenpflichtig)
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