"Das ist wirklich böse" Papst Franziskus sorgt mit Russland-Aussagen für Wirbel
Mit seinen Aussagen zum russischen Krieg gegen die Ukraine ist Papst Franziskus immer wieder angeeckt. Jetzt soll er "übelsten russischen Chauvinismus" verbreitet haben.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich auch Papst Franziskus immer wieder zum Krieg gegen das Land geäußert – aber nicht immer zur Freude der Ukrainer. Der Papst hat Russland zwar als Aggressor verurteilt, aber auch der Nato eine Mitschuld an der Invasion gegeben und mit "Friedensgesten" an Russland irritiert, die viele Ukrainer für unangemessen hielten. Das ist dem katholischen Kirchenoberhaupt offenbar auch jetzt wieder gelungen.
In einer Videobotschaft wandte sich der 86-Jährige am Freitag an katholische Jugendliche, die in einer Kirche in Sankt Petersburg in Russland zusammengekommen waren. "Ihr seid die Erben des großen Russlands", soll er dort laut einer Mitteilung des Bistums Moskau gesagt haben.
Und weiter: "... des großen Russlands der Heiligen, der Herrscher, des großen Russlands von Peter dem Großen, von Katharina der Großen, dieses Reiches – groß, aufgeklärt, ein Land mit großer Kultur und großer Menschlichkeit. Gebt dieses Erbe niemals auf, ihr seid Erben der großen Mutter Russland, macht damit weiter. Und ich danke euch. Danke für eure Art zu sein, für eure Art, Russen zu sein."
"Russifizierung vorangetrieben"
Bei Kriegsbeobachtern und Ukraine-Kennern stießen die Worte des Papstes auf scharfe Kritik. "Mitten in Russlands imperialem Krieg gegen die Ukraine rät Papst Franziskus den Russen, sich vom Erbe des 'großen Russlands von Peter I. und Katharina II.' inspirieren zu lassen", schreibt der aus der Ukraine stammende Journalist und Pulitzerpreisträger Jaroslaw Trofimow auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter).
"Das ist so, als würde man den Belgiern sagen, sie sollten das Erbe der 'großen humanitären Mission' König Leopolds im Kongo ehren", so Trofimow. Der Name Leopold steht für die gnadenlose koloniale Ausbeutung Kongos, der zwischen 1885 und 1908 bis zu 13 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.
Ein ähnliches Ansehen wie Leopold II. in Kongo hätten die von Franziskus erwähnten Monarchen in der Ukraine, so Trofimow weiter: "Peter I. hat die ukrainische Selbstbestimmung beschnitten, Katharina II. hat sie dann ganz abgeschafft und Millionen von freien Ukrainern zu Leibeigenen gemacht, gerade als die Leibeigenschaft woanders in Europa abgeschafft wurde. Katharina II. hat die Russifizierung vorangetrieben, indem sie die ukrainische Sprache und den Buchdruck verbot", so Trofimow.
"Das ist wirklich böse"
Ähnlich argumentiert der aus Russland stammende Osteuropaexperte und Politikberater Sergej Sumlenny, der bis 2021 die Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew leitete. "Die Wortwahl des Papstes könnte genauso aus einer hetzerischen Rede von Wladimir Putin selbst stammen", schreibt Sumlenny auf X. "Die von Franziskus als russische Ikonen genannten Herrscher dienen Putin nämlich zur Rechtfertigung für seine Kriege. Schon 2021 nannte er Peter I. und Katharina II. die eigentlichen Gründer Russlands, die das meiste Land erobert hätten", schreibt Sumlenny.
Peter I., auch genannt der Große, regierte Russland von 1682 bis 1721 und etablierte das russische Zarenreich. Katharina II., ebenfalls mit dem Beinamen die Große, herrschte von 1762 bis 1796. "Die Frage ist, warum Papst Franziskus übelsten russischen Chauvinismus verbreitet und sein Publikum einer Gehirnwäsche unterzieht und damit einen effektiven Beitrag leistet zu Aggression, Mord, Vergewaltigung und all dem Übel, für das Russland steht", so Sergej Sumlenny. "Das ist wirklich böse."
Vatikan erklärt sich zu Papst-Aussagen
Inzwischen hat der Vatikan versucht, die Wogen zu glätten. Mit den "spontanen" Bemerkungen habe der Pontifex die jungen Menschen ermutigen wollen, "das Positive an Russlands großem kulturellen und spirituellen Erbe zu bewahren und zu fördern", erklärte Vatikansprecher Matteo Bruni am Dienstag. Die Aussagen dienten sicher nicht dazu, "das imperialistische Verständnis Russlands zu verherrlichen", fügte der Vatikan-Sprecher hinzu.
Es ist nicht das erste Mal, dass Franziskus seine Aussagen zu dem Konflikt erläutern muss. So irritierte der Papst im April 2022 mit der Kreuzwegandacht, bei der eine Ukrainerin und eine Russin gemeinsam das Kreuz trugen. Kirchenvertreter aus der Ukraine kritisierten die Aktion, weil Russland dabei nicht eindeutig als Aggressor zu erkennen gewesen sei. Im November machte Franziskus dann muslimische Tschetschenen und Burjaten für die Brutalität der russischen Truppen in der Ukraine verantwortlich, da diese "nicht der russischen Tradition" angehörten.
- cathmos.ru: "Ihr seid zusammengekommen, um eine Kirche zu sein." Telefonkonferenz russischer Jugendlicher mit Papst Franziskus (russisch)
- youtube.com: 25. August 2023 Papst Franziskus an die Teilnehmer des X. Allrussischen Jugendtreffens in St. Petersburg (russisch)
- twitter.com: Tweets von @yarotrof vom 28. August (englisch)
- twitter.com: Tweets von @sumlenny vom 27. August (englisch)