Russische Soldaten brutal bedroht "Dann sage ich, ihr seid weggerannt"
Soldaten einer russischen Brigade sollen von einem eigenen Offizier bedroht und misshandelt worden sein. Ein Kämpfer wurde offenbar an einen Baum gehängt.
Russische Soldaten haben es bei schweren Kämpfen in der Region Saporischschja offenbar nicht nur mit ukrainischen Truppen, sondern auch dem eigenen Kommandanten und seinem Offizier zu tun bekommen. Sie sollen geschlagen und bedroht worden sein. Das legen Audioaufnahmen nahe, die auf dem Telegramkanal "Astra" aufgetaucht sind. Dieser wird von unabhängigen russischen Journalisten betrieben.
Der australische Historiker und Militärexperte Chris Owen berichtete auf Twitter über den Vorfall, der sich Anfang August bei Robotyne abgespielt haben soll und bezieht sich auf die "Astra"-Veröffentlichungen. Demnach seien Kräfte der 2. Kompanie des 3. Verstärkungsbataillons der 810. Marine-Infanterie-Brigade unter schweren Beschuss geraten. Sie sollen dort Schützengräben verteidigt haben. Dem Bericht auf Telegram nach sollen sie "ohne Kommunikation, Trinkwasser oder Lebensmittel gewesen sein". Außerdem seien Verletzte und Tote ihrem Schicksal überlassen worden.
Nachdem die Angriffe immer stärker geworden seien, habe der Kommandeur den Rückzug angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt seien bereits mehrere Mitglieder der Kompanie verletzt gewesen oder gefallen, 19 weitere sollen Hilfe benötigt haben.
Drohung mit Strafbataillon
Die betroffene Kompanie gehört zu einer Brigade, die der russischen Schwarzmeerflotte zugeordnet ist. Nach ukrainischen Angaben soll sie bereits im vergangenen Jahr 85 Prozent ihrer Soldaten unter anderem bei Kämpfen in Mariupol verloren haben. Die Verluste wurden offenbar mit Rekruten aufgefüllt.
Der Kommandeur des Bataillons, Sergej Belaschko, und sein politischer Offizier hatten den Angaben zufolge kaum Mitleid mit ihren Kämpfern. Letzterer – sein Name soll Nikolai Botsman sein – soll stattdessen gedroht haben, sie umzubringen, weil sie sich zurückgezogen hätten. Botsman habe dann fünf verwundete Soldaten, die um eine medizinische Untersuchung gebeten hatten, zusammengerufen und zwei von ihnen verprügelt, so die Anschuldigungen. Einer der Männer sei dabei bewusstlos geworden.
Angeblich Kämpfer an einen Baum gehängt und Grab ausgehoben
Was der Offizier wohl nicht wusste: Der Vorfall wurde aufgezeichnet. Auf den Aufnahmen ist zu hören, wie er die Soldaten anschreit und beschuldigt, dass ihretwegen seine Kameraden gestorben seien. "Ich habe zwei da rausgeholt", kontert gemäß der Übersetzung von Chris Owen einer der Soldaten. "Halt die Fresse!", ruft Botsman zurück. "Warum braucht es den ganzen Zirkus? Wie weit wollen wir gehen?" Er drohte dann noch, die Soldaten wegzubringen. "Ich sage dann einfach, ihr seid weggelaufen." Immer wieder ist Stimmengewirr zu hören, Schreie, Hunde bellen im Hintergrund.
"Astra" verweist auch auf angebliche Augenzeugenberichte, nach denen der Offizier einem Soldaten Handschellen angelegt und ihn einen Tag lang an einen Baum gehängt haben soll. Er soll ihm auch eine Waffe in die Hand gelegt und die Wachhabenden gefragt haben, ob sie bezeugen könnten, dass der Soldat ihn angegriffen habe. Und schließlich soll er andere Soldaten aufgefordert haben, ein Grab auszuheben. In der Audioaufzeichnung teilt Botsman den Soldaten dann mit, dass er die Einheit auflöse und sie in ein Strafbataillon schicke. "Nur ein Wunder kann euch retten." Er warnte sie dann davor, eine medizinische Untersuchung zu verlangen.
Was schließlich mit den Soldaten passierte, ist bislang nicht bekannt. Die Audioaufnahme bricht nach 2,49 Minuten ab. Allerdings sollen sich einige der Soldaten später gegenüber den Journalisten von "Astra" geäußert haben. "Wir verweigern den Kampf nicht, wir wollen solche Bosse nicht haben", sagten sie demnach.
- twitter.com: Tweets von Chris Owen (ChrisO_wiki)
- telegram.com: Audio auf dem Kanal Astra
- understandingwar.org: Assement May 15