Neue Kampagne der Ukraine? Die Drohnenangriffe auf Moskau sind wohl nur der Anfang
Offiziell bekennt sich Kiew nicht zu den Drohnenangriffen auf Moskau. Doch die Spuren sind eindeutig – und der Militärgeheimdienst droht unverhohlen.
Für die Menschen in Moskau könnte das Geräusch anfliegender Kamikazedrohnen bald zur Gewohnheit werden. Zum dritten Mal innerhalb weniger Tage schlugen am Dienstagmorgen Geschosse in der russischen Hauptstadt ein und trafen erneut ein Hochhaus, in dem Teile von Putins Propagandaapparat untergebracht sind – nur fünf Kilometer vom Kreml entfernt. Und die Angriffe sind womöglich nur der Auftakt zu einer neuen Kampagne der Ukraine.
"Kein Vertreter des Besatzungsregimes kann sich in irgendeinem Winkel seines Landes sicher fühlen, solange der Angriffskrieg gegen die Ukraine geführt wird", zitiert die "New York Times" Andrij Jusow vom ukrainischen Militärgeheimdienst HUR. "Der einzige Weg, solche Vorfälle zu stoppen, ist der vollständige Rückzug der russischen Besatzungstruppen aus der Ukraine und die Wiederherstellung unserer Souveränität."
Schauspieler sammelt Geld für Drohnen
Offiziell hält sich Kiew weiter bedeckt zu den Angriffen in Russland. Wer genau die Kamikazedrohnen auf Moskau abgefeuert hat, ist unklar. Aus Bildern in sozialen Netzwerken geht aber hervor, dass es sich bei den Geschossen höchstwahrscheinlich um Waffen aus ukrainischer Eigenproduktion handelt. Experten der "New York Times" haben drei verschiedene Modelle ausgemacht, die bei Angriffen auf Moskau seit Mai zum Einsatz kamen. Ein Video mit Bildern von den Angriffen sehen Sie oben.
Bei einer der verwendeten Drohnen handelt es sich demnach um das Modell "Bober" (Bieber), das der ukrainische Militärgeheimdienst entwickelt haben soll. Über die Fähigkeiten des Modells ist nicht viel bekannt, nach ukrainischen Angaben hat "Bober" aber eine Reichweite von etwa 1.000 Kilometern. Der Schauspieler Serhiy Prytula hat über seine Stiftung nach eigenen Angaben 50 "Bober" für die ukrainische Armee beschafft. Auf diesen Bildern ist Prytula mit einer "Bober"-Drohne zu sehen:
Drohne soll Öldepot zerstört haben
Bei mindestens drei Angriffen in Russland kam der "New York Times" zufolge das Modell "UJ-22" zum Einsatz, entwickelt vom ukrainischen Luftfahrtunternehmen Ukrjet. Nach Angaben des Herstellers kann die Drohne autonom bis zu 800 Kilometer weit fliegen und dabei 20 Kilo Sprengstoff transportieren. Das Design der "UJ-22" erinnert dabei an ein klassisches Propellerflugzeug:
Bei der dritten von der Ukraine entwickelten Drohne soll es sich um ein Modell handeln, das von einem Katapult in die Luft befördert wird. Wer die Drohne entwickelt und herstellt, ist unklar; laut "New York Times" gibt es nicht einmal eine Typenbezeichnung. Trümmer des Nurflüglers seien aber im Zusammenhang mit vier Angriffen in Russland identifiziert worden, so die Zeitung. Nach Angaben von Serhiy Prytula kam die Kamikazedrohne bei einem erfolgreichen Angriff auf ein russisches Öldepot im Mai zum Einsatz und wurde von der Ukraine aus abgefeuert, wie Prytula auf Facebook schrieb.
Neue Superdrohne auf dem Schlachtfeld?
Prytulas Stiftung hat nach eigenen Angaben fast 6,2 Millionen Euro eingesammelt für die Beschaffung von Langstreckendrohnen für die ukrainische Armee. Auch die Entwicklung der "Bober"-Drohne wurde mithilfe privater Spenden finanziert. Doch inzwischen investiert auch der ukrainische Staat massiv in die Entwicklung und Herstellung unbemannter Flugzeuge. Fast eine Milliarde Euro will Kiew dafür in diesem Jahr ausgeben, so Ministerpräsident Denys Schmyhal – im vergangenen Jahr waren es noch von knapp 100 Millionen.
Um eine ukrainische Eigenentwicklung soll es sich auch bei der Drohne "Phoenix 03 Heavy UCAV" handeln. Die Kamikazedrohne soll mehrere Pfund Sprengstoff transportieren können und in der Lage sein, ganze Panzer auszuschalten, berichtet die "Frankfurter Rundschau". Dieses auf Twitter verbreitete Video soll einen Angriff mit einer "Phoenix 03 Heavy UCAV" auf einen russischen Raketenwerfer vom Typ TOS-1 zeigen, eine besonders gefürchtete Waffe:
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Von unabhängiger Seite bestätigt ist die Existenz der "Phoenix 03 Heavy UCAV" bislang nicht. Auch Fotos von der angeblichen Superdrohne gibt es bislang nicht. Unzweifelhaft sind dagegen die ukrainischen Ambitionen im Bereich der Kampfdrohnen: "Kein Land der Welt produziert derzeit mehr Drohnen als die Ukraine", schrieb Industrieminister Oleksandr Kamyschin kürzlich auf Telegram. Mehr als 100 ukrainische Firmen würden Fluggeräte herstellen, so der Minister. "Die Ukraine wird zum Mekka für Menschen werden, die sich mit unbemannten Fluggeräten auskennen wollen."
- nytimes.com: Ukraine’s Other Counteroffensive: Drone Attacks on Russian Soil (englisch, Stand: 1. August)
- Facebook-Eintrag von Serhiy Prytula vom 10. Mai
- fr.de: Neue Super-Drohne der Ukraine? Russischer Panzer explodiert offenbar einfach
- Telegram-Eintrag von Oleksandr Kamyschin vom 29. Juli