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Nukleare Gefahr von Saporischschja: Folgen für Deutschland


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So würde sich Radioaktivität verbreiten
Animation zeigt Auswirkungen von möglichem AKW-Anschlag


Aktualisiert am 11.07.2023Lesedauer: 1 Min.
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Animation zeigt: So würde sich ein Reaktorleck auf Europa auswirken. (Quelle: t-online)

Die nukleare Gefahr, die von Saporischschja ausgeht, scheint enorm zu sein. Doch welche Auswirkungen hätte ein Anschlag auf das umkämpfte AKW wirklich?

Das Kernkraftwerk in der ukrainischen Region Saporischschja ist schwer umkämpft. Derzeit werfen sich beide Kriegsparteien vor, einen Anschlag auf das AKW zu planen und damit eine Nuklearkatastrophe auslösen zu können.

Doch welche Auswirkungen hätte ein Reaktorleck in dem Atomkraftwerk wirklich? Während Vergleiche mit den Nuklearunfällen in Tschernobyl 1986 und Fukushima im Jahr 2011 aufgestellt werden, zeigt ein Experte ein ganz anderes Szenario auf.

Wolfgang Raskob ist Meteorologe und ehemaliger Leiter des Instituts für thermische Energietechnik und Sicherheit am Karlsruher Institut für Technologie. Dieses unterstützt die Ukraine dabei, sich auf einen nuklearen Ernstfall vorzubereiten. Vor der t-online Kamera zeigt der Experte auf, wie groß die Bedrohung durch Saporischschja wirklich ist.

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Das Kernkraftwerk in Saporischschja hält die Welt in Atem. Die russischen und ukrainischen Militärführungen werfen sich gegenseitig vor, Anschläge auf das AKW zu planen. Doch wie groß ist die Gefahr einer Atomkatastrophe wirklich?

Wolfgang Raskob ist Meteorologe und Nuklearexperte. Vor der t-online-Kamera ordnet er die Lage ein und erklärt, welche Folgen ein Reaktorleck hätte.

Das Atomkraftwerk in Saporischschja ist mit sechs Reaktoren das größte seiner Art in Europa. Es liegt mitten im umkämpften Gebiet und ist derzeit unter russischer Kontrolle.

Im September vergangenen Jahres wurden die Reaktoren erstmals heruntergefahren, im März dieses Jahres dann noch einmal in Betrieb genommen. Seit Juni sind sie nun abgeschaltet und der Reaktorkern ist erkaltet - eine Maßnahme, die eine Katastrophe verhindern könnte.

"Also wenn ich jetzt zum Beispiel über ein Geschoss den Beton sprenge, heißt das noch nicht, dass der Reaktorkern offen wird und was freigesetzt wird. Das heißt, ich müsste erst mal den Betonmantel sprengen. Ich müsste dann halt den Metallmantel um den Reaktorkern beschädigen und dann könnten Radionuklide in die Umwelt freigesetzt werden. Aber da der Kern halt nicht mehr heiß ist, sondern kalt, werden nur geringe Anteile freigesetzt. Das ist der große Unterschied zu Fukushima oder Tschernobyl. Das Kraftwerk hat ja wirklich im Leistungsbetrieb gestanden und dann ist der Kern heiß und dann werden viel mehr Radionuklide mobilisiert."

Eine Nuklearkatastrophe wie in Tschernobyl und Fukushima ist also unwahrscheinlich.

Zum Vergleich: Als im April 1986 ein Reaktor in Tschernobyl explodierte, geriet Graphit in Brand, das sich im Inneren befand. Die heiße Luft trug radioaktive Partikel dann in die Atmosphäre, wo sie sich in mehreren Schüben bei verschiedenen Winden in alle Himmelsrichtungen ausbreiteten.

Das AKW in Saporischschja besteht aus sechs Druckwasserreaktoren, bei denen keine Brandgefahr besteht. Außerdem könnte Radioaktivität bei dieser Bauart nicht so weit aufsteigen wie in Tschernobyl.
Nur durch eine Verkettung verschiedener Szenarien könnte ein Leck eine Katastrophe herbeiführen, erklärt der Experte.

"Das wäre halt so das Worst Case Szenario - es wird die ganze Infrastruktur um die Anlage so gesprengt, dass halt die Reaktorkerne nicht zerstört sind, aber nicht mehr gekühlt werden können und dann heizt es sich halt so langsam auf. Das dauert dann Wochen oder vielleicht noch länger und dann kann es halt in diese Temperaturbereich kommen, wie es halt bei Fukushima war, dass dann halt die Temperatur so hoch ist, dass der Stahlmantel auch platzt. Und dann wird es halt eine signifikante Freisetzung geben."

Anders als zu der Zeit, als die Reaktoren noch in Betrieb waren, könnte man jetzt im Fall eines Lecks sogar noch eingreifen - zum Beispiel durch Kühlung über Feuerwehrschläuche.

Sollte es dennoch wirklich zu einer Freisetzung von Strahlung kommen, wird vor allem die Wind- und Wetterlage darüber entscheiden, wohin die radioaktive Wolke zieht.

"Also, die bevorzugte Richtung ist in etwa 80 % der Fälle der Osten, Norden und Süden. Also in weniger als 20 % würde es jetzt Richtung Europa gehen."

Das liegt daran, dass meist Westwinde herrschen. Das mehr als 1.500 Kilometer entfernte Deutschland wäre also eher nicht betroffen. Das zeigt auch diese Anfang Juli erstellte Animation des Bundesamtes für Strahlenschutz. Vor allem der Osten der Ukraine, der Westen Russlands und nahe gelegene Länder wie die Türkei und Rumänien wären wohl von einer radioaktiven Strahlung betroffen.

Doch sichtbar wäre die Gefahr nicht.

"Das kann man nur mit Messgeräten realisieren, dass diese Wolke über einen hinweg zieht. Und es gibt ja auch in der Ukraine gibt es immer noch sehr viele Messstationen, die zumindest täglich offiziell oder auch übers Internet verfügbar sind. Das heißt, man kann auch jetzt jeder, der Internet hat, kann sich kundig machen, wie die Strahlenbelastung jetzt in der Ukraine ist."

Das Bundesamt für Strahlenschutz überprüft täglich 500 bis 600 Messwerte in der gesamten Ukraine und teilt die Ergebnisse auf seiner Website. Bisher liefern sie keine Hinweise auf eine Freisetzung von radioaktiven Stoffen.

Hintergründe zu den Auswirkungen eines Reaktorlecks in Saporischschja und warum der Vergleich mit Tschernobyl und Fukushima hinkt, erfahren Sie hier oder oben im Video.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Wolfgang Raskob am 07.07.2023
  • Videomaterial über Reuters
  • Animationen des Bundesministeriums für Strahlenschutz
  • Karten mit Datawrapper / Open Source Streetmaps
  • Karte von Greenpeace
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