Hält Prigoschin sich an den Deal mit Putin? "Bald seht ihr unsere nächsten Siege an der Front"
Hält Jewgeni Prigoschin sich an die Bedingungen des Kremls? Seine Söldnertruppe rekrutiert offenbar weiter Kämpfer für die Front in der Ukraine.
Es ist die zweite Wortmeldung von Jewgeni Prigoschin seit dem missglückten Aufstand – und sie ist erstaunlich. Denn die jüngste Botschaft des Wagner-Chefs könnte darauf hindeuten, was er von seinem Deal mit Kremlchef Wladimir Putin hält. Denn der hatte die Wagner-Truppen vor die Wahl gestellt. Sie sollten entweder Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium unterzeichnen, um nach Hause zu gehen, oder Prigoschin ins Exil nach Belarus folgen.
Doch nun kündigte Prigoschin in einer Audiomitteilung an, dass seine Paramilitärs bald neue Siege erzielen würden. "Ich bin sicher, dass ihr bald unsere nächsten Siege an der Front sehen werdet", heißt es in der auf einem der Söldnergruppe nahestehenden Telegram-Kanal veröffentlichten Nachricht. Welche Front er damit genau meint und was er vorhabe, sagte Prigoschin nicht. "Wir brauchen Ihre Unterstützung, mehr denn je", so Prigoschin weiter an die russische Bevölkerung gewandt. Er und seine Wagner-Söldner hätten mit ihrem Aufstand gegen den Kreml in Teilen ihr Ziel erreicht . "Ich möchte, dass ihr versteht, dass unser Gerechtigkeitsmarsch das Ziel hatte, die Verräter zu bekämpfen und unsere Gesellschaft zu mobilisieren", so der Wagner-Chef.
Am Samstag vor einer Woche hatte die Gruppe Wagner unter Prigoschin bei einem Aufstand gegen die russische Militärführung die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und seine Kämpfer in Richtung Moskau marschieren lassen. Rund 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt gab er überraschend auf. Kremlchef Wladimir Putin sicherte Prigoschin und seinen Söldnern Straffreiheit zu und gewährte ihnen die Flucht ins Exil nach Belarus.
Wagner rekrutiert offenbar weiter Kämpfer
Kurios ist daher auch, dass Wagner offenbar auch weiterhin Kämpfer für die ukrainische Front rekrutiert. Das berichtete unter anderem die "Financial Times". Laut Anzeigen der Gruppe, die auf Telegram veröffentlicht worden seien, habe Wagner noch am Montag aktiv nach Rekruten für eine Ausbildung in der Region Krasnodar im Süden Russlands gesucht.
Ein Wagner-Rekrutierer, den die "Financial Times" kontaktierte, bestätigte demnach, dass verschiedene "Stellenangebote" verfügbar seien. Dem Bericht zufolge führte er dann eine "prestigeträchtige" Sturmeinheit an, die in "der Zone der speziellen Militäroperation" kämpfe – eine Anspielung auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Die Ausbildung für den Einsatz finde im Dorf Molkino in Südrussland statt und werde drei Wochen dauern, habe der Vermittler gesagt. Diejenigen, die sich Wagner anschließen wollten, seien aufgefordert worden, alle Social-Media-Konten zu löschen. Der Rekrutierungsprozess sei "komplizierter geworden".
Auf die Frage, was die nächsten Schritte seien, habe das Gegenüber am anderen Ende der Wagner-Hotline geantwortet, dass es nach dem versuchten Aufstand zu keinen Störungen gekommen sei: "Warum glauben Sie den Nachrichten? Wenn etwas nicht stimmte, würden wir dieses Gespräch jetzt nicht führen." Er fügte auch hinzu, dass ein neuer Rekrut einen Vertrag mit Wagner und nicht mit dem russischen Verteidigungsministerium unterzeichnen würde. "Wir haben nichts mit ihnen zu tun. Haben Sie die Aussagen von Evgeny Viktorovich [Anmerkung der Redaktion: Jewgeni Prigoschin] gesehen? Wir werden keine Verträge mit ihnen abschließen."
Prigoschins Flugzeug liefert Hinweise
Die Söldnereinheit Wagner hat bis zuletzt eine bedeutende Rolle in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gespielt, insbesondere bei der monatelangen blutigen Erstürmung der ostukrainischen Stadt Bachmut. Dabei sollen Medienberichten zufolge Zehntausende Bewaffnete ums Leben gekommen sein. Erst Anfang Juni wurde die Schlacht für beendet erklärt, und Prigoschin zog seine Einheiten aus der umkämpften Stadt zurück.
Zu seinem Aufenthaltsort schwieg Prigoschin in seiner jüngsten Sprachnachricht weiterhin. Der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, hatte vergangene Woche mitgeteilt, Prigoschin sei nach seinem Deal mit Putin nach Weißrussland geflogen. Doch das Flugzeug des Warlords ist seitdem mehrmals von Weißrussland nach Moskau und St. Petersburg und wieder zurück geflogen. Das zeigen Daten von Flightradar24. Auch die Bewegungen seiner Maschine werfen die Frage auf, inwiefern sich Prigoschin an die Bedingungen des Kremls hält.
- ft.com: "Prigozhin appeals for public support as Wagner continues recruiting" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa